Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei (nunmehr:) F***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K***** AG, ***** vertreten durch Dr.Heinz Giger und andere Rechtsanwälte in Wien, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. September 1991, GZ 5 R 108/91-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26.März 1991, GZ 38 Cg 159/89-16, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den mit S 5.446,80 bestimmten Anteil an den Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 907,80 Umsatzsteuer), die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei den mit S 3.333,33 bestimmten Anteil an den Barauslagen des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Seit rund 15 Jahren werden jährlich - meist im Mai - sogenannte "KURIER-BLUMENMÄRKTE" veranstaltet, welche von den Wiener Gärtnern beschickt werden. Die Stadt Wien unterstützt diese Blumenmärkte dadurch, daß das Wiener Stadtgartenamt gratis Erde austeilt; die Beklagte fördert diese Aktion, indem sie sie bekannt macht. Im "KURIER" wird angekündigt, wo die Märkte stattfinden, und es wird auch über diese Märkte berichtet; außerdem werden die Trafikanten informiert, Flugzettel verteilt sowie Plakate und Transparente mit entsprechenden Hinweisen angebracht.
Auch im Jahre 1989 fand ein solcher Blumenmarkt statt. Zum Transport der vom Stadtgartenamt beigestellten Gratiserde stellte die Beklagte Plastiksäcke mit dem deutlichen und dauerhaften Aufdruck "KURIER" kostenlos zur Verfügung. Im Rundfunk wurden Werbespots ausgestrahlt, in denen auf die "KURIER-BLUMENMÄRKTE" hingewiesen und erwähnt wurde, daß man täglich im "KURIER" lesen könne, wo und wann diese Blumenmärkte stattfinden. Diese Spots wurden an den fünf Tagen, an denen die Blumenmärkte abgehalten wurden, im Wiener Lokalsender gesendet, am Tag zuvor auch - höchstens zweimal - im Sender Ö 3.
Die Beklagte beteiligte sich an diesen Blumenmärkten, um Leser anzusprechen, Sympathie zu erwecken und auf ihre Zeitung aufmerksam zu machen.
Auf den "KURIER-BLUMENMÄRKTEN" wird die vom Stadtgartenamt gelieferte Erde gratis ohne Beschränkung der Abgabenmenge verteilt. Außerdem kauft der Bundesverband der Erwerbsgärtner Blumensack-Erde billig ein und gibt sie billig an die Erwerbsgärtner weiter, damit diese wiederum die Erde billig an die Blumeneinkäufer bei den Blumenmärkten weitergeben können. Außerdem stellen dort die Gärtner das sogenannte "KURIER-BLUMEN-SET" zusammen, das aus sechs verschiedenen Pflanzen besteht und S 40 kostet.
Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit ihren Rundfunk-Werbespots dadurch sittenwidrig zu Wettbewerbszwecken einen unsachlichen Anreiz zum Kauf des "KURIERS" ausübe, daß darin auf die Information über die "KURIER-BLUMENMÄRKTE" in der Zeitung hingewiesen werde, begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Gratisgaben, insbesondere Gratiserde, anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, wenn die Erlangung dieser Gratisgaben durch den Kauf des "KURIERs" ermöglicht oder erleichtert wird; ferner stellt die Klägerin ein Veröffentlichungsbegehren.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Verteilung der Blumenerde sei mit dem Kauf des "KURIERs" nicht im Zusammenhang gestanden; die Beklagte habe lediglich Plastiksäcke mit dem Aufdruck "KURIER" zum Transport der Gratiserde beigestellt. Mangels Eignung der Gratiserde, den Kaufentschluuß zugunsten der Zeitung "KURIER" zu fördern, liege auch kein Verstoß gegen das Zugabengesetz vor. In jedem Fall sei das Klagebegehren insofern zu weit gefaßt, als es "Gratisgaben" schlechthin erfassen solle.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Da die von der Rundfunkwerbung angesprochenen Verkehrskreise auf den "KURIER" verwiesen worden seien, habe ein Anreiz zum Erwerb dieser Zeitung bestanden. Werde durch die Werbung ein psychischer Kaufzwang herbeigeführt, dann liege ein Verstoß gegen die guten Sitten nach § 1 UWG vor. Zwar handle es sich um eine Gratisgabe des Wiener Stadtgartenamtes, doch habe die Beklagte an der Vorbereitung der Aktion, an der Veranstaltung und auch an dem Gewähren der Gratiserde wesentlich mitgewirkt und dabei für ihre Zeitung geworben.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die Revision "nicht zugelassen" werde (richtig: die ordentliche Revision nicht zulässig sei). Da kein Zweifel daran bestehe, daß die Beklagte auch am Verteilen der Gratiserde wesentlich mitgewirkt habe, bestehe kein Anlaß, das Unterlassungsgebot nur auf das Ankündigen von Gratisgaben zu beschränken. Die vom Erstgericht gewählte allgemeine Fassung des Verbotes sei notwendig und entspreche dem festgestellten Wettbewerbsverstoß.
Gegen dieses Urteil wendet sich die außerordentliche Revision der Beklagten insoweit, als ihr das Anbieten und Gewähren sowie ganz allgemein das Ankündigen von Gratisgaben verboten wurd, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß die Beklagte - unter Abweisung des Mehrbegehrens - nur schuldig erkannt bleibe, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Gratiserde oder ähnliche Gratisgaben anzukündigen, wenn die Erlangung dieser Gratiserde durch den Kauf des "KURIERs" ermöglicht oder erleichtert wird.
Die Klägerin beantragt, die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
I. Die Revision ist, soweit sie sich gegen das Verbot des Anbietens und Gewährens bezieht, mangels Beschwer unzulässig:
Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus; es ist nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen, rein theoretische Fragen zu entscheiden (SZ 49/22; SZ 53/86; SZ 61/6; ÖBl 1991, 38 uva; Heller-Berger-Stix 648; Fasching IV 13 f und LB2 Rz 1709 ff). Nach nunmehr herrschender Auffassung muß diese Beschwer zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen (SZ 61/6 mwN; ÖBl 1991, 38; Heller-Berger-Stix aaO).
Seit dem Inkrafttreten des Wettbewerbs-Deregulierungsgesetzes BGBl 1992/147 mit 1.4.1992 (Art II Abs 1 dieses Gesetzes) ist das Zugabengesetz aufgehoben; nach § 9a Abs 1 UWG in der neuen Fassung kann (ua) auf Unterlassung nur noch in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
1. in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, ankündigt, daß er Verbrauchern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) gewährt, oder
2. Unternehmern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt.
Wer seit dem 1.April 1992 Verbrauchern unentgeltliche Zugaben anbietet oder gewährt, handelt somit nicht rechtswidrig (Art III Abs 1 BGBl 1992/147). Dann kann aber auch nicht das Anbieten und Gewähren von Zugaben in anderer als der im Zugabengesetz vorgesehen gewesenen Weise - insbesondere also ohne den dort vorausgesetzten rechtlichen Kaufzwang (ÖBl 1977, 43; ÖBl 1985, 49; ÖBl 1990, 120 uva) - infolge Verstoßes zwar nicht gegen den Inhalt, wohl aber gegen den Zweck des Zugabengesetzes als Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG (ÖBl 1979, 66) gewertet werden.
Sollte die Beklagte in Zukunft das hier festgestellte Verhalten wiederholen, dann könnte gegen sie nur Exekution zur Erzwingung der Unterlassung des Ankündigens, nicht aber auch des Anbietens oder Gewährens einer Gratisgabe bewilligt werden. Personen, denen Gratisgaben unter der Voraussetzung versprochen oder gewährt werden, daß sie den "KURIER" kaufen, sind in diesem Zusammenhang immer Verbraucher (§ 1 Abs 1 KSchG), so daß die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 9a Abs 1 Z 2 UWG nicht in Frage kommt.
Der Meinung der Klägerin, daß "angekündigtes Anbieten" und "angekündigtes Gewähren" schon bisher und auch nach der neuen Rechtslage dort verboten sei, wo das bloße Anbieten oder Gewähren erlaubt wäre, kann nicht gefolgt werden; die Klägerin unternimmt nicht einmal den Versuch, ihre Behauptung, die von ihr vertretene Rechtsansicht sei "längst ausjudiziert", durch Hinweise auf Entscheidungen zu belegen. Zu § 3 ZugG, wonach in bestimmten Fällen das Verbot des Gewährens von Zugaben nicht zu gelten hatte, wurde vielmehr ausdrücklich ausgesprochen, daß die in Absatz 1 genannten Gegenstände, auch wenn sie verbotenerweise angeboten oder angekündigt wurden, weiterhin gewährt werden könnten (OLG Wien ÖBl 1968, 11); in solchen Fällen wurde - auch vom Obersten Gerichtshof - das Anbieten und Ankündigen verboten, das auf Verbot des Gewährens gerichtete Mehrbegehren hingegen abgewiesen (zB ÖBl 1980, 106).
Kann aber auf Grund der Urteile der Vorinstanzen gegen die Beklagte nicht mehr auf Unterlassung des Anbietens oder Gewährens von Gratisgaben an Verbraucher Exekution geführt werden, dann ist die Beklagte durch die Urteile in diesem Umfang nicht beschwert; gegen einen allenfalls zu Unrecht gefaßten Exekutionsbewilligungsbeschluß könnte sie sich mit rechtlichen Mitteln erfolgreich zur Wehr setzen (vgl ÖBl 1991, 38; 4 Ob 1024/92; 4 Ob 47/92 ua).
In diesem Umfang war daher das Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen. Erst bei der Kostenentscheidung wird - da das Rechtsschutzinteresse der Beklagten erst nach dem Einlegen ihres Rechtsmittels weggefallen ist - darauf Bedacht zu nehmen sein, wie bei Fehlen dieses Zurückweisungsgrundes in der Sache zu entscheiden gewesen wäre (§ 50 Abs 2 idF EO-Nov 1991 BGBl 628).
II. Soweit sich die Revision gegen die allgemeine Fassung des Ankündigungsverbotes richtet, ist sie mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.
Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits ausführlich mit der Frage befaßt, wie weit ein Unterlassungsbegehren gefaßt werden darf; insbesondere wurde die Frage geprüft, ob einem Zeitungsunternehmen ganz allgemein das Ankündigen von Zugaben (und nicht nur der im Einzelfall konkret angekündigten Zugabe sowie ähnlicher Gegenstände) verboten werden könne (ÖBl 1991, 105; ÖBl 1991, 108 ua). Da die angefochtene Entscheidung mit den dabei dargelegten Grundsätzen im Einklang steht und die Beklagte keine neuen, bedeutsamen Argumente dagegen ins Treffen führt, hängt die Entscheidung über den allein für die meritorische Erledigung verbliebenen Teil der Revision nicht von einer erheblichen Rechtsfrage ab (§ 502 Abs 1 ZPO). Insoweit war daher die Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Kostenausspruch gründet sich auf § 43 Abs 1, § 50 ZPO. Die Beklagte wäre bei sachlicher Erledigung der gesamten Revision nur insoweit durchgedrungen, als ihr auch das Anbieten von Zugaben verboten worden war. "Anbieten" im Sinne des § 1 ZugG ist nämlich - im Gegensatz zum "Ankündigen" - das in Aussichtstellen der Zugabe gegenüber individuell bestimmten Personen (SZ 48/49;
SZ 63/109; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 127;
Baumbach-Hefermehl16, 1374 Rz 29 und 30 zu § 1 dZugVO). Ein solches Verhalten der Beklagten ist aber nicht hervorgekommen:
Der Hinweis im Werbespot, auf den traditionellen "KURIER-BLUMENMÄRKTEN" würden die schönsten Blumen für Balkon und Fenster günstig angeboten, und Blumenerde gebe es für alle Besucher sogar gratis, war - als Radiowerbung - eine typische öffentliche Bekanntmachung, die an die Allgemeinheit gerichtet war. Daß dann auf einem der Märkte die Beklagte gegenüber bestimmten einzelnen Kunden Gratiserde angeboten hätte, wurde weder behauptet noch festgestellt. Bei der gegebenen Sachlage ist vielmehr davon auszugehen, daß nach der Aufmachung der Märkte öffentlich angekündigt war, jeder könne kostenlos Blumenerde bekommen. Wer daran interessiert war, wandte sich seinerseits an den Marktstand, um dort seinen Wunsch zu äußern.
Entgegen der Ansicht der Beklagten war sie aber am Gewähren der Gratiserde sehr wohl beteiligt. Wenn auch die Erde von der Stadt Wien geliefert wurde, so hat doch die Beklagte - nach ihrem eigenen Vorbringen (S. 56) - kostenlos Plastiksäcke für die Beförderung der Erde zur Verfügung gestellt; damit war sie aber Mittäterin. Ob sie hiebei deshalb, weil der Kauf der Zeitung Voraussetzung für die Kenntnis vom Standort der Blumenmärkte war, gegen das Zugabengesetz oder - wie die Vorinstanzen offenbar meinten - wegen der Möglichkeit, die Erde auch ohne Kauf der Zeitung (auf Grund anderweitig gewonnener Kenntnis) zu bekommen, nur gegen den Zweck dieses Gesetzes und damit gegen die guten Sitten (§ 1 UWG) verstoßen hat, bedarf keiner Untersuchung, weil in den damit verbundenen Rechtsfolgen kein Unterschieden besteht.
Da die Klägerin in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision (auch) in bezug auf die Fassung des Begehrens hingewiesen hat, stehen ihr auch insoweit die Kosten der Revisionsbeantwortung zu.
Die Beklagte ist sohin mit rund einem Drittel durchgedrungen und zu zwei Dritteln unterlegen. Sie hat daher der Klägerin ein Drittel der Kosten zu ersetzen; nach § 43 Abs 1, letzter, Satz ZPO hat ihr hingegen die Klägerin ein Drittel der für die Revision zu entrichtenden Pauschalgebühr zu zahlen.
Anmerkung
E29257European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00054.92.0512.000Dokumentnummer
JJT_19920512_OGH0002_0040OB00054_9200000_000