Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Robert C***** OHG, ***** vertreten durch Dr.Hans-Peter Benischke und Dr.Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei W*****gesmbH, ***** vertreten durch Dr.Gerald Kleinschuster und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 250.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 28. Februar 1992, GZ 5 R 37/92-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 30.Dezember 1991, GZ 16 Cg 298/91-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit einstweiliger Verfügung vom 30.12.1991 verbot das Erstgericht der Beklagten zur Sicherung eines von der Klägerin geltend gemachten inhaltsgleichen Anspruches, Preisnachlässe, die gegen das Rabattgesetz verstoßen, insbesondere 10%ige Preisnachlässe auf alle Waren für Studenten mit Studienausweisen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, anzukündigen.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse voraus;
es ist nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen, rein theoretische Fragen zu entscheiden (SZ 49/22; SZ 53/86; SZ 61/6; MR 1990, 73;
ÖBl 1991, 38 uva; Heller-Berger-Stix 648; Fasching IV 13 f und LB2 Rz 1709 ff). Nach nunmehr herrschender Auffassung muß diese Beschwer zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen (SZ 61/6 mwN; Heller-Berger-Stix aaO).
Ob die Beklagte mit der beanstandeten Werbeankündigung gegen das Rabattgesetz verstoßen hat, ist für die Parteien, insbesondere auch für die Klägerin, nur noch von theoretischem Interesse. Mit 1. April 1992 ist nämlich das Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz BGBl 1992/147 in Kraft getreten, welches das Rabattgesetz außer Kraft gesetzt hat (Art II Abs 2 Z 1 dieses Gesetzes); ein Verbot des Ankündigens von Preisnachlässen wurde auch nicht in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb aufgenommen. Seit 1.4.1992 ist es daher nicht mehr unzulässig, Preisnachlässe - insbesondere auch Sonderpreise für bestimmte Personengruppen - anzukündigen.
Wohl bestimmt Art III Abs 3 des Wettbewerbs-Deregulierungsgesetzes - in Übereinstimmung mit § 5 ABGB (Bydlinski in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 5) -, daß die gemäß Art II aufgehobenen Rechtsvorschriften auf Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes verwirklicht wurden, weiter anzuwenden sind. Das ändert aber nichts daran, daß seit dem 1.April 1992 ein Verstoß gegen das Rabattgesetz nicht mehr in Frage kommt. Wenn auch das Verhalten der Beklagten nach der Rechtslage vor dem 1.4.1992 zu beurteilen ist, so kann doch nach der Aufhebung des Rabattgesetzes der Beklagten das Ankündigen von Preisnachlässen nicht mehr verboten werden. Auf Grund der von der Klägerin beantragten einstweiligen Verfügung könnte keine Exekution mehr bewilligt werden, weil eben diesem Exekutionstitel nach dem Eintritt seiner Vollstreckbarkeit nicht mehr zuwidergehandelt werden kann (§ 355 EO). Die Übergangsvorschrift des Art III des Wettbewerbs-Deregulierungsgesetzes hat demnach nur für Leistungsansprüche - wie etwa auf Schadenersatz (§ 16 UWG) oder den Zuspruch von Prozeßkosten nach Einschränkung des Unterlassungsbegehrens auf Kostenersatz - Bedeutung; sie kann aber nicht dazu führen, daß nach der früheren Rechtslage eine Unterlassungspflicht ausgesprochen wird, die im Hinblick auf die Gesetzesänderung nicht mehr zu vollstrecken ist (vgl ÖBl 1991, 38).
Da auch auf Grund der beantragten einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte nicht Exekution geführt werden könnte, ist die Klägerin durch die Abweisung ihres Sicherungsantrages nicht beschwert. Eine Beschwer durch die Kostenentscheidung ist aber ohne Rücksicht darauf zu verneinen, ob es sich um Kosten erster oder zweiter Instanz handelt (SZ 61/6; ÖBl 1991, 38). Aus § 50 Abs 2 ZPO idF des Art XXXI EO-Nov 1991 BGBl 628 könnte die Klägerin auch dann, wenn ihr Rechtsmittel sonst Erfolg gehabt hätte, keinen Kostenersatzanspruch ableiten, weil ihr Rechtsschutzinteresse schon bei Einbringung des Rechtsmittels (31.3.1992) gefehlt hatte und nicht erst nachträglich weggefallen ist, war doch das Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz schon am 19.3.1992 kundgemacht worden; der Klägerin mußte deshalb am 31.3.1992 klar sein, daß sie nicht noch vor dem 1.4.1992 eine vollstreckbare einstweilige Verfügung erwirken könne.
Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen hat, war ihre Revisionsrekursbeantwortung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht erforderlich; auch ihr steht daher kein Kostenersatzanspruch zu (§§ 78, 402 Abs 2 EO; §§ 40, 50, 52 ZPO).
Anmerkung
E29088European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00047.92.0512.000Dokumentnummer
JJT_19920512_OGH0002_0040OB00047_9200000_000