Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.M***** Z*****, vertreten durch Dr.Herbert Grün, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.K***** J*****, vertreten durch Dr.Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, wegen 103.862 S sA und 14.780 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16.Jänner 1992, GZ 2 R 220/91-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Handelsgerichtes Wien vom 27.August 1991, GZ 26 Cg 868/90-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung I. den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision wird, soweit sie das Begehren auf Ersatz der Gebühren für die Aufnahme einer notariellen Niederschrift über die außerordentliche Hauptversammlung vom 2.11.1989 betrifft (14.780 S sA), zurückgewiesen;
II. zu Recht erkannt:
Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.789,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.131,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat - jeweils über Auftrag der U.***** AG - notarielle Niederschriften über die ordentliche Hauptversammlung dieser Gesellschaft vom 17.3.1989 und über die außerordentliche Hauptversammlung dieser Gesellschaft vom 2.11.1989 aufgenommen. Der Beklagte war damals Vorsitzender des Aufsichtsrates und führte in dieser Eigenschaft den Vorsitz in den Hauptversammlungen.
Unter Berufung auf § 12 NTG begehrt der Kläger vom Beklagten den Ersatz der für die beiden notariellen Beurkundungen aufgelaufenen Gebühren von 103.862 S und 14.780 S, insgesamt daher die Zahlung von 118.642 S sA.
Der Beklagte bestreitet das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Er sei weder Auftraggeber des Klägers gewesen noch sonst nach § 12 NTG zahlungspflichtig.
Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Als "Teilnehmer des notariell beurkundeten Geschäftes" im Sinne des § 12 NTG seien zumindest alle jene Personen anzusehen, die am zugrundeliegenden rechtlichen Vorgang maßgeblich beteiligt waren. Das treffe bei einer Aktiengesellschaft jedenfalls auch auf den Beklagten als Vorsitzenden des Aufsichtsrates zu, der kraft Gesetzes zur Leitung der Hauptversammlungen berufen gewesen sei.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Als Auftraggeber oder Teilnehmer eines mit ihrem Einverständnis errichteten, beurkundeten oder beglaubigten Geschäftes im Sinne des § 12 NTG kämen bloß als Vertreter oder Organe handelnde Personen nicht in Betracht. Soweit der Beklagte als Vorsitzender des Aufsichtsrates der U.***** AG an den vom Kläger notariell beurkundeten Hauptversammlungen dieser Gesellschaft teilgenommen habe, habe er als Organ der juristischen Person gehandelt, weshalb ihm ein solches Handeln auch nicht persönlich zuzurechnen sei, sondern nur unmittelbare Wirkungen in der Rechtssphäre der juristischen Person zeitigen könne. Nicht das Organ, sondern die juristische Person sei daher Teilnehmer des notariell beurkundeten Geschäftes; nur sie komme auch als Auftraggeber (im eigenen Namen) in Frage.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung (gemeint wohl: Wiederherstellung des Ersturteils), hilfsweise auf Urteilsaufhebung.
Der Beklagte stellt den Antrag, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist jedenfalls unzulässig, soweit sie die Abweisung der Klage wegen Ersatzes der Gebühren für die notarielle Niederschrift der außerordentlichen Hauptversammlung vom 2.11.1989 in Höhe von 14.780 S sA betrifft. Nach § 55 Abs 1 Z 1 JN sind bei Parteienidentität mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Nach § 55 Abs 5 JN ist dies auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend. Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht aber nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche - wie hier - ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann und die Ansprüche weder aus einer gemeinsamen Tatsache noch aus einem gemeinsamen Rechtsgrund abgeleitet werden (JBl 1980, 430; SZ 56/186; JBl 1992, 256 uva). Entgeltforderungen für aufgrund verschiedener Aufträge erbrachter, wenn auch im wesentlichen gleichartiger Leistungen sind demnach nicht zusammenzurechnen (SZ 43/185). Für die Beantwortung der Frage, ob die Revision nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist, sind daher die aus jeder der beiden notariellen Beurkundungstätigkeiten abgeleiteten Ansprüche gesondert zu betrachten. Aus der notariellen Niederschrift über die außerordentliche Hauptversammlung vom 2.11.1989 leitet der Kläger aber nur Ersatzansprüche von 14.780 S sA ab. In diesem Umfang ist somit die Revision nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
Im übrigen ist die Revision zwar zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage, ob der Vorsitzende des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft in bezug auf die notarielle Niederschrift über eine Hauptversammlung der Gesellschaft gemäß § 12 NTG zur Entrichtung der aufgelaufenen Gebührenbeträge auch dann zahlungspflichtig ist, wenn er diese Tätigkeit dem Notar nicht im eigenen Namen aufgetragen hat, fehlt; sie ist aber nicht berechtigt.
Gemäß § 12 NTG sind zur Entrichtung der Gebühren alle Personen verpflichtet, die die Tätigkeit dem Notar aufgetragen haben oder Teilnehmer des mit ihrem Einverständnis notariell errichteten, beurkundeten oder beglaubigten Geschäftes gewesen sind. Daraus hat die Rechtsprechung im Anschluß an die Vorgängerbestimmung des § 175 NO (vgl dazu JBl 1975, 328 = NZ 1975, 170) erschlossen, daß hier das Gesetz die Erteilung eines Auftrages durch die Teilnehmer des mit ihrem Einverständnis notariell errichteten, beurkundeten oder beglaubigten Geschäftes fingiert, wobei aber bisher stets nur Fälle der notariellen Vertragserrichtung zu beurteilen waren (NZ 1979, 74; NZ 1981, 28). Zwar mögen auch notarielle Beurkundungen im Sinne der §§ 76 ff NO, also Niederschriften (Protokolle), mit denen über Tatsachen, welche sich vor dem Notar persönlich und unmittelbar abspielen, und über Erklärungen, die in seiner Gegenwart abgegeben werden, Beurkundungen erteilt werden (Wagner, NO3 183 Anm 1.1 zu § 76; SZ 30/78), "Geschäfte" im Sinne des § 12 NTG betreffen, doch ist der Kläger im vorliegenden Fall als Notar durch Aufnahme einer Niederschrift über die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft gemäß § 111 AktG tätig geworden. Dabei handelt es sich um eine notarielle Beurkundung gemäß § 87 NO (§ 111 Abs 2, erster Halbsatz, AktG), deren Mindestinhalt durch § 111 Abs 2 und 4 AktG bestimmt wird. Jedenfalls bedarf aber jeder Beschluß der Hauptversammlung bei sonstiger Nichtigkeit (§ 199 Abs 1 Z 2 AktG) der notariellen Beurkundung (§ 111 Abs 1 AktG). Die von einem Notar aufgenommene Niederschrift über die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ist somit gesetzliches Gültigkeitserfordernis für die dort gefaßten Beschlüsse; insoweit ist die notarielle Beurkundung auch gesetzlich notwendig. Dennoch hat das Berufungsgericht entgegen der Meinung des Klägers zutreffend erkannt, daß der Beklagte schon deshalb nicht in eigener Person im Sinne des § 12 NTG Teilnehmer der mit seinem Einverständnis notariell beurkundeten Hauptversammlung der U.***** AG gewesen sein konnte, weil er daran nur in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Aufsichtsrates dieser Gesellschaft teilgenommen hat und als solcher die Versammlung auch zu leiten hatte (§ 108 Abs 4 AktG). Als Aufsichtsratsmitglied war er ja nicht nur gemäß § 102 Abs 2 AktG zur Teilnahme an der Hauptversammlung ohne Rücksicht auf seine allfällige Aktionärsstellung berechtigt, sondern in dieser Organstellung dazu sogar verpflichtet (Kastner-Doralt-Nowotny, Gesellschaftsrecht5 269). Aus der Teilnahme des Beklagten an der Hauptversammlung ist daher keinesfalls sein persönliches Einverständnis zur notariellen Tätigkeit des Klägers abzuleiten, weil ein Organhandeln für die Aktiengesellschaft vorlag. Die Gesellschaft war aber ohnehin bereits Auftraggeberin des Klägers.
Der Revision mußte demnach schon deshalb ein Erfolg versagt bleiben, weil die Fiktion des § 12 NTG über eine Auftraggebereigenschaft des Beklagten in eigener Person hier keinesfalls zutrifft.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E29321European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00540.92.0514.000Dokumentnummer
JJT_19920514_OGH0002_0060OB00540_9200000_000