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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §48 Abs2 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/06/0228 2005/06/0229Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerden der Gemeinde G, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer, Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen die Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Juni 2005,
1. Zl. FA13B-12.10 G 252 - 05/30 (Beschwerde Zl. 2005/06/0227; mitbeteiligte Parteien: 1. WH und 2. MO, beide in H),
2. Zl. FA13B-12.10 G 252 - 05/27 (Beschwerde Zl. 2005/06/0228; mitbeteiligte Partei: KK in G), und
3. Zl. FA13B-12.10 G 252 - 05/29 (Beschwerde Zl. 2005/06/0229; mitbeteiligte Parteien: 1. MP und 2. RI, beide in S), betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 11. November 1999 beantragte die E-Gesellschaft mbH (in der Folge kurz: Bauwerberin) die Erteilung der baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Fahrtechnik-, Trainings- und Kartentwicklungszentrums im Gemeindegebiet.
Hiezu wurde mit Erledigung der Baubehörde vom 6. Dezember 1999 eine Bauverhandlung für den 20. Dezember 1999 anberaumt. Die Erledigung (Kundmachung und Ladung zur Bauverhandlung) enthält den Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk. BauG). Hiezu wurden eine Reihe von Personen geladen, nicht aber die nunmehrigen mitbeteiligten Parteien; eine "doppelte" Kundmachung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998) erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 14. April 2000 erteilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung für dieses Bauvorhaben. Die mitbeteiligten Parteien, denen dieser Bescheid auch nicht zugestellt worden war, erhoben in der Folge nach dessen Kenntnisnahme mit Schriftsätzen vom 1. September 2003 bzw. 29. Oktober 2003 Berufungen. Diese Berufungen wies der Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde mit Bescheiden vom 5. März 2005 als unbegründet ab.
Begründend heißt es (jeweils) insbesondere, das AVG sei durch die am 1. Jänner 1999 in Kraft getretene Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 geändert worden. Gemäß § 82 Abs. 7 AVG in der Fassung dieser Novelle seien alle in Vorschriften des Bundes oder der Länder enthaltenen, bis einschließlich 30. Juni 1998 kundgemachten Bestimmungen, die von näher bezeichneten Bestimmungen des AVG abwichen, mit Ablauf des 31. Dezember 1998 außer Kraft getreten.
Die hier maßgebliche mündliche Bauverhandlung habe nach dem 1. Jänner 1999 stattgefunden, der Bescheid sei unter dem Datum 14. April 2000 ergangen, die Berufungen stammten vom September bzw. Oktober 2003. Zu prüfen sei somit, inwieweit "im Lichte der Rechtslage der zit. Novelle zum AVG" der Bescheid vom 14. April 2000 "schon dem Grunde nach mit Erfolg bekämpft werden" könne. Hiezu sei Folgendes maßgeblich:
Es sei unstrittig, dass die der Erlassung des Bescheides vom 14. April 2000 zu Grunde liegende Bauverhandlung vom 20. Dezember 1999 nicht gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz bzw. nicht in geeigneter Form im Sinne des letzten Satzes des § 42 Abs. 1 AVG kundgemacht worden sei und die jeweiligen Berufungswerber (Anmerkung: die mitbeteiligten Parteien in diesen Beschwerdeverfahren) auch keine persönliche Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten hätten.
Die Steiermärkische Landesregierung vertrete in einem näher bezeichneten Erlass die Auffassung, dass § 27 Stmk. BauG in der damals maßgeblichen Stammfassung wegen Widerspruches zu § 42 AVG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) zur Gänze außer Kraft getreten sei. Es sei aber eine differenziertere Betrachtung geboten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. April 2002, Zl. 2000/06/0205, und auf Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, Anmerkung 7 zu § 42 AVG und Anmerkung 6 zu § 37 AVG).
Lese man § 82 Abs. 7 AVG dergestalt, dass in Vorschriften des Bundes und der Länder enthaltene Bestimmungen (nicht wenn, sondern nur) soweit außer Kraft träten, als sie von den dort genannten Paragraphen des AVG abwichen, dann sei die Derogationswirkung des § 42 AVG auf Fälle zu reduzieren, in welchen trotz "ordnungsgemäßer Ladung" (im Sinne des § 41 Abs. 1 AVG iVm einer zusätzlichen geeigneten Kundmachungsform bzw. mit persönlicher Ladung) ein Nachbar die Möglichkeit versäumt habe, rechtzeitig Einwendungen zu erheben. Von dieser Derogationswirkung werde daher jener Regelungsbereich des § 27 Stmk. BauG nicht erfasst, welcher Fallmöglichkeiten eines übergangenen Nachbarn darüber hinaus regle, "also Fallkonstellationen, bei welchen außerhalb solcher 'ordnungsgemäßer Ladungen' das Auftreten übergangener Nachbarn eintritt". Demnach sei davon auszugehen, dass dem § 27 Stmk. BauG in der Stammfassung durch § 42 iVm § 82 Abs. 7 AVG im Falle des "normalen übergangenen Nachbarn alter Prägung" (Zitat im Original) nicht derogiert worden sei (weiterer Hinweis auf Hauer/Leukauf, aaO, Anmerkung 6 zu § 37 AVG). Daraus ergebe sich Folgendes: Zum Zeitpunkt der Baukommission am 6. Dezember 2000 hätten die Bauarbeiten bereits begonnen. Die Berufungen datierten vom "1. 9. 2003" (richtig betreffend die mitbeteiligten Parteien zum erst- und drittangefochtenen Bescheid: vom 29. Oktober 2003), also weit nach Ablauf der achtwöchigen Frist des § 27 Stmk. BauG, seien somit verfristet.
Dagegen erhoben die mitbeteiligten Parteien Vorstellungen an die belangte Behörde. Mit den (im Wesentlichen inhaltsgleichen) angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde den Vorstellungen Folge gegeben, die Berufungsbescheide behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde verwiesen. Zusammenfassend vertrat die belangte Behörde die Auffassung, den Ausführungen der Berufungsbehörde hinsichtlich der Derogationswirkung der AVG-Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 sei nicht zu folgen, sodass die Vorstellungswerber sehr wohl berechtigt gewesen seien, ihre Einwendungen auch nach Ablauf von acht Wochen ab Baubeginn zu erheben. Dem § 27 Stmk. BauG sei durch § 42 AVG derogiert worden.
Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in allen drei Beschwerdeverfahren eine inhaltlich weitgehend idente Gegenschrift (ausgenommen die erwähnten unterschiedlichen mitbeteiligten Parteien) samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
In einem weiteren Bauverfahren hat die Bauwerberin eine Änderung des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens beantragt. Auch in diesem Bauverfahren wurden die Mitbeteiligten nicht geladen, die Kundmachung betreffend die Verhandlung enthielt einen Hinweis auf § 27 Abs. 1 Stmk. BauG. Auch gegen die in letzter Instanz ergangenen Bescheide der belangten Behörde vom 10. November 2005, mit denen im Sinne der angefochtenen Bescheide die Berufungsbescheide aufgehoben wurden und die Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurückverwiesen wurden, erhob die Beschwerdeführerin Beschwerden, die zu den Zlen. 2005/06/0379 - 381 protokolliert wurden.
Über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG erwogen:
Über die auch in den vorliegenden Beschwerden aufgeworfene Rechtsfrage hat der Verwaltungsgerichtshof bei gleich gelagertem Sachverhalt (insbesondere Bauverhandlung nach dem 1. Jänner 1999, keine "doppelte" Kundmachung der Verhandlung mit Hinweis auf § 27 Abs. 1 Stmk. BauG, keine persönliche Ladung der Mitbeteiligten, keine Zustellung des erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides, Abweisung der Berufungen gestützt auf § 27 Abs. 2 Stmk. BauG) in dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2005/06/0379 - 0381, entschieden. Der Verwaltungsgerichtshof erachtete die Auffassung der belangten Behörde, dass die Abweisungen der Berufungen der mitbeteiligten Parteien gestützt auf § 27 Abs. 2 Stmk. BauG zu Unrecht erfolgt sind, als zutreffend und wies die Beschwerden der beschwerdeführenden Gemeinde als unbegründet ab. Es kann daher in den vorliegenden, gleichartigen Beschwerdefällen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen werden. Die Berufungsbehörde hat daher auch im vorliegenden Bauverfahren zu Unrecht die Ansicht vertreten, dass in den vorliegenden Berufungsverfahren § 27 Abs. 2 Stmk. BauG anzuwenden sei. Die durch die angefochtenen Bescheide erfolgten Aufhebungen der Berufungsbescheide erweisen sich daher als rechtmäßig und die vorliegenden Beschwerden waren gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. I Nr. 333/2003. Da sich die belangte Behörde in ihren Gegenschriften allein mit der einen in allen angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung der belangten Behörde auseinander gesetzt und den einen das vorliegende Bauverfahren betreffenden Verwaltungsakt vorgelegt hat, war dem Land Steiermark einmal Schriftsatz- und Vorlageaufwand zuzuerkennen (vgl. dazu den in Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 708 letzter Absatz zu § 52 VwGG angeführten hg. Beschluss).
Wien, am 26. Jänner 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005060227.X00Im RIS seit
23.02.2006