TE OGH 1992/5/21 8Ob541/92

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Veröffentlicht am 21.05.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am ***** geborenen N***** A*****, vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt St.Pölten als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten vom 15.Jänner 1992, GZ R 30/92-107, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 9.Dezember 1991, GZ 1 P 58/78-104, teilweise abgeändert wurde, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos behoben.

Text

Begründung:

Die Minderjährige erhielt zuletzt - bei einer nach dem Beschluß vom 1.8.1991 (ON 99) bestehenden Unterhaltsverpflichtung des Vaters von S 3.570 - aufgrund des Herabsetzungsbeschlusses vom 30.9.1991 (ON 102) einen monatlichen Unterhaltsvorschuß von S 2.070.

Aufgrund der Mitteilung, daß die Minderjährige seit 4.11.1991 als kaufmännischer Lehrling eine monatliche Entschädigung von S 3.643 inklusive anteiliger Sonderzahlungen erhält, hat das Erstgericht die Höhe der Vorschüsse ab 1.12.1991 auf S 1.550 herabgesetzt und verfügt, daß die zu Unrecht ausbezahlten Beträge in monatlichen Teilbeträgen von S 90 einbehalten werden, weil die Lehrlingsentschädigung im Verhältnis 2 : 1 zugunsten des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen und der danach bestehende Differenzbetrag zum Höchstbetrag nach § 6 Abs 1 UVG (S 3.980 im Jahr 1991) zu bevorschussen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen teilweise Folge, setzte in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Höhe der Unterhaltsvorschüsse ab 1.1.1992 auf nur S 1.900 herab und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Es äußerte in Übereinstimmung mit dem Erstgericht die Ansicht, daß die Vorschüsse gemeinsam mit dem zu berücksichtigenden Eigeneinkommen der Minderjährigen monatlich den Richtsatz für pensionsberechtigte Halbwaisen nicht übersteigen dürfen, die Minderung der Unterhaltsverpflichtung nicht nur einseitig dem nicht betreuenden Elternteil zugute kommen dürfe und die Lehrlingsentschädigung im Verhältnis 2 : 1 zugunsten des Geldunterhaltspflichtigen zu berücksichtigen sei; es berücksichtigte aber, daß der monatliche Höchstbetrag gemäß § 6 Abs 1 UVG ab 1.1.1992 S 4.312 betrage und setzte daher den Unterhaltsvorschuß ab diesem Zeitpunkt mit S 1.900 fest.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Minderjährigen mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Beschlusses vom 30.9.1991 (ON 102); der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, der sich auch der erkennende Senat bereits mehrfach angeschlossen hat (vgl die ausführliche Begründung in der E 8 Ob 649/91 mwN, der die Entwicklung der oberstgerichtlichen Judikatur zu dieser Frage detalliert aufzeigt), fällt auch die Lehrlingsentschädigung unter jene Einkünfte, die nach § 140 Abs 3 ABGB zu berücksichtigen sind. Sie ist, sofern sie nicht als Ausgleich für berufsbedingten Mehraufwand außer Betracht bleibt, Einkommen des Kindes.

Eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten dürfen nicht zu einer einseitigen Entlastung nur des Geldunterhaltspflichtigen (und nicht auch des anderen Elternteiles) führen, sie sind vielmehr auf die von beiden Elternteilen gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen anzurechnen. Im Fall bloß teilweiser Selbsterhaltungsfähigkeit kommt es darauf an, die Quote des nicht gedeckten Gesamtunterhaltsbedarfs zu ermitteln; sodann ist der nicht durch Naturalleistungen gedeckte Unterhaltsbedarf festzustellen und mit der vorgenannten Quote zu multiplizieren. Daraus errechnet sich der Anspruch auf Geldunterhalt, soweit er in der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen Deckung findet.

Die zur Unterhaltsbefreiung des nicht mit der Kinderbetreuung belasteten Elternteils führende Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes ist bei einfachen Lebensverhältnissen unter Berücksichtigung des Umstandes, daß außer dem Geldunterhalt auch noch die Betreuung benötigt wird, erst bei einem Eigeneinkommen anzunehmen, das dem Richtsatz für die Gewährung von Ausgleichszulagen nach § 293 Abs 1 lit a/bb und lit b ASVG (ab 1.1.1991 im Monatsdurchschnitt S 7.000, ab 1.1.1992 S 7.600) entspricht.

Der Ansicht des Rekursgerichts, der Differenzbetrag sei nur bis zum Höchstbetrag nach § 6 Abs 1 UVG (1991: S 3.980, 1992: S 4.312) zu bevorschussen, weil es anderenfalls zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung zwischen Kindern mit eigenem Einkommen und einkommenslosen Kindern kommen würde, ist zu entgegnen, daß der Minderjährige eine mit Geld honorierte Leistung erbringt und bei der von den Vorinstanzen vorgenommenen Auslegung oft zur Gänze um die Früchte seiner Arbeit gebracht würde.

Im vorliegenden Fall stehen der Minderjährigen nach Abzug des berufsbedingten Mehraufwandes monatlich durchschnittlich S 3.643 zur Verfügung. Geht man von den Unterhaltsbedürfnissen im Jahr 1991 im Gegenwert von S 7.000 aus, so verbleibt ein nicht durch Eigeneinkommen gedeckter Unterhaltsbedarf von rund S 3.360 (rund 48 % des Gesamtbedarfes), der durch Geldunterhalt und Betreuungsleistungen abzudecken ist. Der geschuldete Betreuungsaufwand für eine 16-jährige Minderjährige ist erheblich geringwertiger zu veranschlagen als der zur Deckung der anderen Bedürfnisse erforderliche Geldbetrag. Ohne Verletzung der Rechte des Unterhaltspflichtigen kann von einem Verhältnis von 2 : 1 zu seinen Lasten ausgegangen werden. Unter diesen Voraussetzungen errechnet sich unter Anwendung der vom Obersten Gerichtshof in den E 6 Ob 624/90 und 8 Ob 649/91 dargelegten Grundsätzen ein Geldunterhalt für das Jahr 1991 von S 2.240

(7.000 x 2 x 48 : 3 x 100). Für das Jahr 1992 ist ein Unterhaltsbedarf von S 7.600 zugrundezulegen. Unter der Annahme eines gleichbleibenden Einkommens der Minderjährigen (Änderungen sind nicht aktenkundig) ergäbe sich ein nicht gedeckter Unterhaltsbedarf von S 3.960 (rund 52 % des Gesamtbedarfs). Dies führte zu einem Unterhaltsanspruch von S 2.630 für das Jahr 1992.

Es war daher dem Rekurs der Minderjährigen, die Unterhaltsvorschüsse in Höhe von S 2.070 monatlich anstrebt, jedenfalls Folge zu geben.

Anmerkung

E29364

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00541.92.0521.000

Dokumentnummer

JJT_19920521_OGH0002_0080OB00541_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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