TE OGH 1992/5/21 8Ob551/92

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Veröffentlicht am 21.05.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am ***** geborenen mj. W***** R*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 10. Bezirk, 1100 Wien, Van der Nüll-Gasse 20, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 27.November 1991, GZ 44 R 941/91-71, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 2.September 1991, GZ 8 P 165/88-68, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt.

Text

Begründung:

Der Vater ist seit 1.4.1989 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.850 verpflichtet. Der Minderjährige erhielt Unterhaltsvorschüsse in dieser Höhe. Seit 29.7.1991 ist der Minderjährige als Lehrling tätig und erhält im ersten Lehrjahr eine monatliche durchschnittliche Nettolehrlingsentschädigung von S 3.800 inklusive anteiliger Sonderzahlungen (s. ON 67).

Mit Beschluß vom 2.9.1991 setzte das Erstgericht die Höhe der Unterhaltsvorschüsse ab 1.8.1991 auf monatlich S 2.200 herab und ordnete die Einbehaltung der zu Unrecht ausbezahlten Beträge in monatlichen Raten von S 300 an, weil der Minderjährige nunmehr eine Lehrlingsentschädigung erhalte. Mit einer Unterhaltsleistung des Vaters von S 2.200 stünden ihm monatlich S 6.000 zur Verfügung, womit er seine finanziellen Bedürfnisse befriedigen könne.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Minderjährigen Folge, hob den angefochtenen Beschluß ersatzlos auf und ließ den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof im Hinblick auf die unterschiedliche oberstgerichtliche Judikatur zu. Auch bei einem Eigeneinkommen des Kindes seien Titelvorschüsse zu gewähren, solange die Summe aus Eigeneinkommen und Vorschuß den zur Selbsterhaltungsfähigkeit notwendigen Betrag nicht übersteigen. Diese werde im allgemeinen dann erreicht, wenn dem Kind ein Betrag etwa in der Höhe des Mindestpensionsrichtsatzes zur Verfügung stehe. Da im vorliegenden Fall die Summe aus Eigeneinkommen und Titelvorschuß etwa in Höhe des Mindestpensionssatzes liege, sei der Beschluß des Erstgerichts ersatzlos zu beheben gewesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Bundes mit dem Antrag auf Abänderung dieses Beschlusses im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Die angefochtene Entscheidung berücksichtige nicht, daß nach § 6 Abs 1 UVG die Vorschüsse monatlich den Richtsatz für pensionsberechtigte Halbwaisen nicht übersteigen dürfen. Dieser monatliche Höchstbetrag mache für 1991 S 3.980 aus, weshalb die Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse ab 1.8.1991 auf monatlich S 2.200 jedenfalls gerechtfertigt gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und im Ergebnis auch berechtigt. Nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, der sich auch der erkennende Senat bereits mehrfach angeschlossen hat (in der E 8 Ob 649/91 mwN wurde die Entwicklung der oberstgerichtlichen Judikatur zu dieser Frage detalliert aufzeigt), fällt auch die Lehrlingsentschädigung unter jene Einkünfte, die nach § 140 Abs 3 ABGB zu berücksichtigen sind. Sie ist, soferne sie nicht als Ausgleich für berufsbedingten Mehraufwand außer Betracht bleibt, Eigeneinkommen des Kindes.

Eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten dürfen aber nicht zu einer einseitigen Entlastung nur des Geldunterhaltspflichtigen (und nicht auch des anderen Elternteils) führen, sie sind vielmehr auf die von beiden Elternteilen gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen anzurechnen. Im Fall bloß teilweiser Selbsterhaltungsfähigkeit kommt es darauf an, die Quote des nicht gedeckten Gesamtunterhaltsbedarfs zu ermitteln. Sodann ist der nicht durch Naturalleistungen gedeckte Unterhaltsbedarf festzustellen und mit der genannten Quote zu multiplizieren. Daraus errechnet sich der Anspruch auf Geldunterhalt, soweit er in der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen Deckung findet.

Die zur Unterhaltsbefreiung des nicht betreuenden Elternteils führende Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes ist bei einfachen Lebensverhältnissen unter Berücksichtigung des Umstandes, daß außer dem Geldunterhalt auch noch die Betreuung benötigt wird, erst bei einem Eigeneinkommen anzunehmen, das dem Richtsatz für die Gewährung von Ausgleichszulagen nach § 293 Abs 1 lit a/bb und lit b ASVG (ab 1.1.1991 S 6.000 14mal jährlich, daher im Monatsdurchschnitt S 7.000) entspricht.

Im vorliegenden Fall stehen dem Minderjährigen monatlich durchschnittlich S 3.800 zur Verfügung. Unter Zugrundelegung von Unterhaltsbedürfnissen im Gegenwert von S 7.000 verbleibt ein nicht durch Eigeneinkommen gedeckter Unterhaltsbedarf von S 3.200 (rund 45 % des Gesamtbedarfes), der durch Geldunterhalt und Betreuungsleistungen abzudecken ist. Der geschuldete Betreuungsaufwand für einen 16-jährigen Minderjährigen ist mit einem erheblich geringeren zu veranschlagen als der zur Deckung der anderen Bedürfnisse erforderliche Geldbetrag. Ohne Verletzung der Rechte des Unterhaltspflichtigen kann von einem Verhältnis von 2 :

1 zu seinen Lasten ausgegangen werden. Unter diesen Prämissen errechnet sich unter Anwendung der in den Entscheidungen 6 Ob 624/90 und 8 Ob 649/91 dargelegten Grundsätze ein Geldunterhalt von ca. S 2.100 (7.000 x 2 x 45 : 3 x 100).

Es war daher dem Rekurs des Kindes, der die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses (Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse auf S 2.200) anstrebt, Folge zu geben.

Allfällige Änderungen im Jahr 1992 werden nach den hier aufgezeigten Grundsätzen zu berücksichtigen sein.

Anmerkung

E29363

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00551.92.0521.000

Dokumentnummer

JJT_19920521_OGH0002_0080OB00551_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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