Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika K*****, vertreten durch Dr.Heinz Wechsler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Manfred B*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Broesigke und Dr.Bertram Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zahlung von S 35.387,20, Aufkündigung und Räumung infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom 18.Feber 1992, GZ 41 R 86/92-87, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 24.September 1991, GZ 6 C 71/88p-49, zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben; dem Berufungsgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Urteil vom 24.9.1991 (ON 79) wies das Erstgericht in den verbundenen Rechtssachen der Streitteile das von der Klägerin zu 6 C 564/88p - neben einem weiteren Zahlungsbegehren - erhobene Räumungsbegehren ab (Pkt 1), hob die Aufkündigung vom 14.3.1988 (6 C 703/88d) über denselben Bestandgegenstand auf (Pkt 2) und erkannte über eine Bestandzinsforderung der Klägerin sowie über die vom Beklagten erhobenen Gegenforderungen (6 C 71/88p und 6 C 733/89t; Pkt 3 bis 5 des Urteils ON 79).
Am 10.12.1991 brachte die Klägerin beim Erstgericht eine auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage mit dem Antrag ein, ihr die Wiederaufnahme im Verfahren über ihre Räumungsklage (6 C 564/88p des Erstgerichtes) zu bewilligen. Weiters beantragte sie in dieser Klage, das Berufungsverfahren zu unterbrechen.
Gegen Pkt 1, 2, 3 (teilweise), 4 (teilweise) und 5 sowie gegen die Kostenentscheidung des Urteils ON 79 erhob die Klägerin eine Berufung; sie stellte darin ua den Antrag, vorerst in die Verhandlung und Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage einzugehen und nur für den Fall, daß diesem Klagebegehren nicht stattgegeben wird, über die gegenständliche Berufung zu entscheiden.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht die Berufung zurück. Ein Rechtsmittel könne nur vom Eintritt einer innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht werden. Die Klägerin habe nicht bloß zulässige Rechtsbehelfe in einem konkreten Rechtsstreit gereiht; da der Eintritt der Rechtskraft des Urteils von einem Ereignis abhängig gemacht werde, das nicht allein von dem dazu berufenen Entscheidungsträger abhänge, liege vielmehr eine außerprozessuale Bedingung vor, welche die Berufung unzulässig mache. Mit ihrem Antrag würde der Klägerin in unzulässiger Weise die Möglichkeit eröffnet, durch einseitige Erklärung eine (im Ermessen des Gerichtes stehende) Unterbrechung des Berufungsverfahrens zu erwirken.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von der Klägerin erhobene Rekurs ist ohne Rücksicht auf den Streitwert (RZ 1991/31; 4 Ob 563/91) und ohne die Beschränkungen nach §§ 502, 528 ZPO zulässig (4 Ob 405/91; 4 Ob 563/91; Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzennovelle 1989, ÖJZ 1989, 743 ff (750); Stohanzl, JN-ZPO14 Anm 4 zu § 519 ZPO); er ist auch berechtigt.
Die Klägerin bekämpft in ihrem Rekurs die Verweigerung einer Sachentscheidung mit dem Hinweis, daß ihr Antrag der Prozeßökonomie gedient habe und einer zulässigen Reihung konkurrierender Rechtsbehelfe gleichkomme, weshalb die Berufung auch nicht unzulässig sein könne. Falls aber eine Unterbrechung des Berufungsverfahrens nicht zweckmäßig sein sollte, dann hätte über die Berufung auch unverzüglich entschieden werden können. Schließlich wäre im Fall eines Formmangels das Verbesserungsverfahren einzuleiten gewesen.
Im vorliegenden Fall hängt aber die Entscheidung nicht von der Zulässigkeit bedingter Rechtsmittel (vgl dazu SZ 38/93; im gleichen Sinne auch 3 Ob 76/87 und 8 Ob 503/90) ab. Der in der Berufung gestellte Antrag enthält nämlich nicht ausdrücklich eine Bedingung für die Erhebung des Rechtsmittels; er konnte vielmehr nur als Hinweis auf den - gemäß § 545 Abs 1 ZPO richtigerweise - in der Wiederaufnahmsklage erhobenen Antrag auf Unterbrechung des Berufungsverfahrens aufgefaßt werden. Ein solcher Hinweis steht aber der Sachentscheidung über eine Berufung nicht entgegen.
Daß das Erstgericht im Verfahren über die Wiederaufnahmeklage über diesen Unterbrechungsantrag nicht entschieden hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Über den Unterbrechungsantrag kann auch nicht mehr entschieden werden, weil die Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren zurückgewiesen wurde und der Oberste Gerichtshof am heutigen Tag den von der Klägerin dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zurückgewiesen hat.
Dem Rekurs war daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluß ersatzlos aufzuheben.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekurses gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E29082European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00526.92.0526.000Dokumentnummer
JJT_19920526_OGH0002_0040OB00526_9200000_000