TE Vwgh Beschluss 2006/1/26 2006/07/0008

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Veröffentlicht am 26.01.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Bumberger und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über den Antrag des DDDr. J W in Wien, vertreten durch Dr. O A, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 23. September 2005, Zl. MA 64- 1881/2005, betreffend Ausnahme von der öffentlichen Müllabfuhr, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 23. September 2005 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, seinen Kleingarten von der öffentlichen Müllabfuhr auszunehmen, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Nach den Angaben in der Beschwerde wurde der angefochtene Bescheid am 2. November 2005 zugestellt. Die sechswöchige Beschwerdefrist endete demnach am 14. Dezember 2005.

Das Kuvert, in welchem die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt wurde, weist einen Stempelaufdruck mit dem Datum "15.12.05" auf.

Dies wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht und ihm mitgeteilt, dass dann, wenn es sich bei diesem Datum um das Aufgabedatum der Beschwerde handelt, diese verspätet ist.

Mit Schriftsatz vom 19. Jänner 2006 beantragt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde. Begründet wird dieser Antrag wie folgt:

Am 14. 1. (richtig wohl: 12.) 2005 habe Rechtsanwalt Dr. A die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde diktiert. Diese sei von seiner Angestellten C Znach dem Diktat geschrieben worden. Nach einigen Korrekturen haben Rechtsanwalt Dr. Ac die unterfertigte Beschwerde der Kanzlei zur Postabfertigung übergeben. Er habe Frau Z darauf aufmerksam gemacht, "dass es sich um eine Frist handelt, die noch am 14.12.2005 zur Post zu geben ist".

Frau Z sei bei Rechtsanwalt Dr. A seit 21. Mai 2001 ständig ganztägig angestellt. Seit mehreren Jahren sei sie mit der routinemäßigen Erledigung der ausgehenden Poststücke betraut. In diesem Zusammenhang frankiere sie zunächst die zur Post zu bringenden Poststücke, fülle die Postaufgabescheine aus und bringe dann bei Dienstschluss die Poststücke zu dem der Kanzlei nahe gelegenen Postamt, wo sie aufgegeben würden.

Aus einem Versehen habe Frau Z die Beschwerde nicht am 14. Dezember 2005 bei der Post aufgegeben, sondern erst am darauffolgenden Tag. Frau Z habe bisher alle ihr übertragenen Aufgaben stets gewissenhaft erfüllt. Ihr sei bisher nie im Zusammenhang mit der Erledigung von Fristen bzw. der Aufgabe von Poststücken ein Fehler unterlaufen.

In der Kanzlei von Dr. A sei Mitte Oktober ein neues Software-Programm installiert worden. Infolge dieser umfangreichen Computer-Umstellung sei es im November und Dezember 2005 täglich zu verschiedenen Störungen in der Computeranlage gekommen. Es sei oft mehrmals am Tag zu Computer-Abstürzen gekommen. Um die aufgetretenen Fehler zu beseitigen, habe das Personal fast täglich mit der Software-Firma lange Telefonate führen müssen. Dadurch sei das gesamte Personal unter außerordentlich hohem Arbeitsstress gestanden. Der Frau Z unterlaufene Fehler sei offenbar wegen dieser außerordentlichen Stresssituation geschehen.

Aus all diesen Gründen sei der Beschwerdeführer im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde verhindert gewesen.

Dem Wiedereinsetzungsantrag sind eidesstattliche Erklärungen von Rechtsanwalt Dr. A und seiner Angestellten C Z angeschlossen, in denen die Angaben im Wiedereinsetzungsantrag bestätigt werden.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Parteienvertreters an der Versäumung einer Frist einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Das Versehen einer Kanzleikraft hat ein Rechtsanwalt - und damit auch die von ihm vertretene Partei - jedoch nur dann zu vertreten, wenn er die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber seiner Mitarbeiterin unterlassen hat (vgl. den Beschluss vom 15. Mai 2003, 2002/01/0580, 0581).

Ein Versehen einer Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber der Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einer Angestellten, deren Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zuge der Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1596 f, wiedergegebene Rechtsprechung).

Nach den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag, an denen zu zweifeln der Verwaltungsgerichtshof keinen Grund hat, handelt es sich bei der Angestellten des Beschwerdevertreters um eine zuverlässige Kanzleikraft, der nur auf Grund der zum Zeitpunkt der Absendung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde in der Kanzlei herrschenden außergewöhnlichen Umstände ein Versehen bei der Postaufgabe unterlief. Damit liegt nur ein minderer Grad des Versehens vor, der die Wiedereinsetzung nicht ausschließt.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher Folge zu geben.

Wien, am 26. Jänner 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006070008.X00

Im RIS seit

21.03.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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