Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin STADT WIEN (MAbt 64), vertreten durch Dr. Wolfgang Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ersichtlichmachung gemäß § 7 Abs 4 StadtErnG ob der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches Leopoldstadt infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. November 1991, GZ 46 R 2056/91, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 4. Juni 1991, TZ 3142/91, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der erstinstanzliche Beschluß wiederhergestellt wird.
Text
Begründung:
Im 15. Stück des Landesgesetzblattes für Wien, ausgegeben am 29. April 1991, unter den Nummern 21 bis 25 wurden fünf Verordnungen der Wiener Landesregierung betreffend die Assanierung von Wohngebieten nach dem Stadterneuerungsgesetz kundgemacht, wobei die zum Assanierungsgebiet gehörenden Grundstücke im einzelnen nach Einlagezahl und Grundstücknummer bezeichnet wurden.
Mit dem vom Erstgericht zu 16 Nc 597/91 zu den Akten genommenen Antrag begehrte die Stadt Wien (Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, zuständig unter anderem für rechtliche Bauangelegenheiten) unter Vorlage einer Kopie des genannten Landesgesetzblattes, die Erklärung zu Assanierungsgebieten im Sinne des § 7 Abs 2 StadtErnG hinsichtlich aller Grundstücke, die in diesen Assanierungsgebieten liegen, im Grundbuch ersichtlich zu machen. Der Antrag ist für den Abteilungsleiter von einem namentlich genannten Magistratsrat unterschrieben und mit dem Dienstsiegel versehen.
Das Erstgericht ordnete jeder der in diesen Verordnungen genannten Liegenschaften eine Tagebuchzahl zu und bewilligte bei jeder der genannten Liegenschaften im A 2-Blatt die Eintragung "Assanierungsgebiet" unter Beifügung des Datums und der Fundstelle der entsprechenden Verordnung.
Das Rekursgericht hob infolge Rekurses der Eigentümerin der genannten Liegenschaft diesen Beschluß ersatzlos auf und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
Gemäß § 7 Abs 4 StadtErnG habe das Grundbuchsgericht hinsichtlich aller Grundstücke, die in Assanierungsgebieten liegen, diese Tatsache auf Antrag der Gemeinde im Grundbuch ersichtlich zu machen. Sehe das Gesetz aber einen Grundbuchsantrag vor, so sei in diesem - abgesehen von den Erfordernissen des § 84 GBG - gemäß § 85 Abs 2 GBG genau anzugeben, was im Grundbuch eingetragen werden solle. Dazu gehöre unter anderem die genaue Bezeichnung des Objektes, auf welchem die Eintragung erfolgen solle. Der Grundbuchsantrag müsse überdies vom Antragsteller oder dessen Bevollmächtigten eigenhändig unterfertigt sein. Diesen Erfordernissen genüge das gegenständliche Schreiben der Antragstellerin nicht. Weder reiche der Hinweis auf in Kopie angeschlossene Landesgesetzblätter aus, noch sei die Tatsache, daß die Assanierungsverordnungen eine große Anzahl von Grundstücken betreffen, ein ausreichender Grund, von den Vorschriften des Grundbuchsgesetzes abzugehen und die dem Grundbuchsgericht gemäß § 94 GBG auferlegte Prüfung des Ansuchens einzuschränken. Wegen Fehlens eines wirksamen Antrages, der für eine sachliche Erledigung geeignet wäre, hätte daher die Eintragung nicht vorgenommen werden dürfen.
Den Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß eine Rechtsfrage mit Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu lösen sei und diesbezüglich eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Gegen den (in Wahrheit abändernden) Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Sadt Wien mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt werde.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 37 StadtErnG hat die Gemeinde ihre in diesem Bundesgesetz geregelten Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen. Es handelt sich dabei um ein Tätigwerden der Gemeinde im Rahmen der Hoheitsverwaltung. Dies gilt auch für den in § 7 Abs 4 StadtErnG vorgesehenen Antrag der Gemeinde an das Grundbuchsgericht, hinsichtlich aller Grundstücke, die in Assanierungsgebieten liegen, diese Tatsache im Grundbuch ersichtlich zu machen. Der mit dem Dienstsiegel derjenigen Abteilung des Magistrates der Stadt Wien, die für rechtliche Bauangelegenheiten zuständig ist, versehene und von einem Beamten dieser Magistratsabteilung für den Abteilungsleiter unterschriebene Antrag stellt demnach eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 292 Abs 1 ZPO dar. Sie begründet daher vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde erklärt wird (hier also: Antrag der Stadt Wien gemäß § 7 Abs 4 StadtErnG). Das Gericht ist nicht befugt, zu prüfen, ob der Antrag die Unterschrift einer nach inneren Vorschriften über die Organisation dieser Behörde hiezu berechtigten Person trägt (ZBl. 1935/32; vgl. ferner die zweitinstanzlichen Entscheidungen in MGA Grundbuchsrecht4 § 77 GBG/E 23 bis 25). Es handelt sich also zweifellos um einen der Stadt Wien zuzurechnenden Antrag.
Dieser Antrag hat in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 7 Abs 4 Satz 1 StadtErnG das Begehren auf Ersichtlichmachung gemäß der genannten Gesetzesstelle bei allen Liegenschaften zum Gegenstand, die in der beigelegten Kopie des 15.Stückes des Landesgesetzblattes für Wien angeführt sind. Diese Beilage ist als Teil des Grundbuchsantrages anzusehen, sodaß das Begehren so zu behandeln ist, als ob sämtliche dort genannten Liegenschaften auf dem Antragsblatt selbst noch einmal angeführt worden wären (wobei nicht erkennbar ist, worin der Sinn einer solchen wohl überflüssigen Schreibarbeit gelegen sein könnte). Der Antrag ist somit eindeutig bestimmt, und zwar sowohl in Ansehung des Inhaltes der begehrten Eintragung als auch hinsichtlich der Liegenschaften, ob denen die Eintragung erfolgen soll.
Gemäß § 86 GBG können mehrere Eintragungen, die durch dieselbe Urkunde begründet werden, mit einem einzigen Gesuch begehrt werden. Grundlage des Eintragungsbegehrens ist in sämtlichen Fällen der auf § 7 Abs 4 StadtErnG im Zusammenhang mit den im
15. Stück des Landesgesetzblattes für Wien kundgemachten Verordnungen gestützte Antrag. Schon dem Wortlaut nach ist daher der angeführten Bestimmung des § 86 GBG - der primär auf Eintragungen auf Grund von Urkunden, die von den Parteien errichtet wurden, abstellt - Genüge getan. Dazu kommt aber noch, daß der Zweck der Bestimmung des § 86 GBG der ist, die Einbringung komplizierter und unklarer Gesuchsbegehren, wodurch einerseits die gerichtliche Erledigung erschwert wird und anderseits die Gefahr eines unklaren Grundbuchsstandes zu befürchten ist, hintanzuhalten (Bartsch, Grundbuchsgesetz7 54). Mag es auch sein, daß die vom Erstgericht vorgenommene Zuordnung einzelner Tagebuchzahlen zu den einzelnen Liegenschaften bei der von der Stadt Wien gewählten Art des Antrages etwas schwieriger ist, als es der Fall wäre, wenn für jede Einlagezahl gesondert ein gleichlautender Antrag gestellt worden wäre, so darf doch nicht übersehen werden, daß das Erstgericht diese Mühe bereits auf sich genommen hatte. Dies darf nicht durch die Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes wieder zunichte gemacht werden.
Die von der Liegenschaftseigentümerin im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen einzelne Bestimmungen des Stadterneuerungsgesetzes sind hier nicht zu prüfen. Die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit der Erklärung zum Assanierungsgebiet als solche sowie im Interesse des öffentlichen Wohles damit verbundene Eigentumsbeschränkungen werden vom Obersten Gerichtshof nicht für bedenklich gehalten (vgl. hiezu MGA B-VG3 Art 5 StGG/E 46). Selbst wenn einzelne Bestimmungen, die die Durchführung der Assanierung betreffen, verfassungswidrig sein sollten, wäre dies doch ohne Einfluß auf die Zulässigkeit der Ersichtlichmachung der Erklärung zum Assanierungsgebiet im Grundbuch, weil dadurch allein in verfassungsmäßig gewährleistete Rechte der Liegenschaftseigentümerin nicht eingegriffen werden kann. Die Ersichtlichmachung verschafft nämlich bloß der durch die Assanierungsverordnungen bereits geschaffenen Rechtslage (= Umfang des Assanierungsgebietes) größere Publizität, sodaß sich insbesondere derjenige, der dingliche Rechte an einer solchen Liegenschaft erwerben will, nicht auf die Unkenntnis dieser Verordnungen berufen kann (vgl. Brauner, Das Stadterneuerungs- und das Bodenbeschaffungsgesetz 1974, 24; Geuder, Assanierungsrecht 217; 135 BlgNR 13.GP, 20). Insbesondere kommt es bei Prüfung der Zulässigkeit einer solchen Ersichtlichmachung nicht darauf an, ob einzelne Maßnahmen der Assanierung verfassungsrechtlich bedenklich sein könnten. Die Liegenschaftseigentümerin zeigt aber auch mit ihren unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes erstatteten Ausführungen keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des StadtErnG oder die Gesetzmäßigkeit der Assanierungsverordnungen auf. Aus dem Umstand, daß für ein Gebiet, für das Assanierungsmaßnahmen erforderlich wären, keine "Eigentumsbeschränkungen" erfolgen, für ein anderes, geographisch und städtebaulich im selben Bereich gelegenes, den gleichen Gegebenheiten entsprechendes Gebiet hingegen schon, läßt sich nicht ableiten, daß die Assanierungsmaßnahmen des betroffenen Gebietes rechtswidrig wären, denn die Unterlassung der Einbeziehung von bestimmten Gebietsteilen in die Assanierung bewirkt noch nicht die Rechtswidrigkeit der Erstreckung von Assanierungsmaßnahmen auf andere Gebiete. Die Einbeziehung eines Grundstückes in ein Assanierungsgebiet hat auch nicht zur Voraussetzung, daß alle Grundstücke, die in dem zum Assanierungsgebiet erklärten Gemeindegebiet oder Teil des Gemeindegebietes liegen, der Assanierung bedürfen oder daß es selbst einer Assanierung bedarf. Denn bei Beurteilung, ob städtebauliche Mißstände, die nur durch Assanierungsmaßnahmen beseitigt wrden können, in einem Gemeindegebiet oder einem Teil desselben vorliegen, ist nach dem Willen des Gesetzgebers keineswegs auf jede einzelne Liegenschaft abzustellen; so ist nach § 6 Abs 2 Z 1 StadtErnG dafür etwa die mangelnde Ausstattung zumindest der Hälfte der Wohnungen der in diesem Gebiet vorhandenen Wohnhäuser maßgebend. Anderseits dürfen auch bebaute Grundstücke, die keiner Assanierung bedürfen, und Baulichkeiten, für welche die Baubewilligung für das ganze Objekt nach dem 1.Juli 1948 erteilt worden ist, gemäß § 7 Abs 2 lit c und d StadtErnG in das Assanierungsgebiet einbezogen werden, wenn ohne diese Maßnahme die Assanierung erschwert würde. Im übrigen ist der von der Liegenschaftseigentümerin in diesem Zusammenhang im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobene Einwand, der darauf hinausläuft, ihre Liegenschaft sei als Hotel gewidmet, an dem gerade baubehördlich bewilligte Änderungen vorgenommen würden, sie bedürfe keiner Assanierung und unterliege daher nicht den gesetzlichen Assanierungsmaßnahmen (gemeint wohl nach § 7 Abs 2 lit d oder auch lit c StadtErnG), im Hinblick darauf, daß diese Umstände dem Grundbuchsgesuch und den übrigen Entscheidungsgrundlagen des Grundbuchsgerichtes nicht zu entnehmen sind, als unzulässige Neuerung unbeachtlich. Schließlich ist die Liegenschaftseigentümerin noch darauf zu verweisen, daß ihr ja die Geltendmachung des Vorliegens eines solchen Ausnahmetatbestandes im Wege eines Antrages nach § 7 Abs 3 StadtErnG freisteht.
Der erstgerichtliche Beschluß war daher wiederherzustellen.
Anmerkung
E29060European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00059.92.0526.000Dokumentnummer
JJT_19920526_OGH0002_0050OB00059_9200000_000