Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Leasing Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth u. a. Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei ***** Versicherungen Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Ingo Ubl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 53.955 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Dezember 1991, GZ 13 R 172/91-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 21. Juni 1991, GZ 15 Cg 727/90-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.623,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Leasing Gesellschaft ist Eigentümerin des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W *****. Leasingnehmerin ist die M*****-Betriebsgesellschaft mbH. Der Leasingvertrag enthält keine Vereinbarung darüber, daß der Leasingnehmerin für den Fall des Nutzungsentganges des Fahrzeuges ohne weiteres Entgelt ein Leihwagen unter der Bedingung zur Verfügung gestellt werde, daß sie die Kosten der Haftpflichtvariante B trage. Die Leasingnehmerin schloß einen Haftpflichtversicherungsvertrag, in welchem sie auf die Inanspruchnahme eines Mietwagens als Ersatzfahrzeug bei Eintritt eines Schadensfalles nicht verzichtete.
Das Fahrzeug wurde am 4 Juni 1989 bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Das Verschulden trifft den Lenker eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW. Die Leasingnehmerin nahm für die Dauer der Reparatur einen Mietwagen in Anspruch, dessen Kosten mit S 53.955 in Rechnung gestellt wurden. Die Leasingnehmerin trat ihren Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten der Klägerin ab.
Die Klägerin begehrt aufgrund der Zession die Bezahlung eines Betrages von S 53.955 sA aus dem Titel des Schadenersatzes. Sie brachte vor, die Beklagte habe die Forderung auch anerkannt.
Die Beklagte bestritt ein Anerkenntnis, wendete ein, daß es sich um einen nicht ersatzfähigen Drittschaden handle und daß überdies eine Eigenersparnis von 20 % vom eingeklagten Betrag abzuziehen wäre.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat unter Hinweis auf die Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 56/199, SZ 59/40) die Ansicht, es werde ein nicht ersatzfähiger Drittschaden des Leasingnehmers geltend gemacht. Der Leasinggeberin sei kein Schaden entstanden. Auch aus einem Anerkenntnis könne der Anspruch nicht abgeleitet werden.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß der Klage mit einem Betrag von S 45.861,75 sA stattgegeben wurde. Die Abweisung des Mehrbegehrens von S 8.093,25 sA sowie eines Zinsenmehrbegehrens bestätigte das Berufungsgericht. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist. Auch das Gericht zweiter Instanz verneinte ein das Klagebegehren rechtfertigendes Anerkenntnis, es teilte aber die Ansicht des Erstgerichtes nicht, es werde ein nicht ersatzfähiger Drittschaden geltend gemacht. Der vom Obersten Gerichtshof vertretenen Ansicht, beim Schaden, den ein Leasingnehmer infolge der Beschädigung des Leasinggegenstandes durch einen Dritten erleide, handle es sich um einen nicht ersatzfähigen Drittschaden, sei insoweit nicht zu folgen, als sonst typisch beim Eigentümer der beschädigten Sache eintretende Schäden aufgrund des Leasingvertrages bloß auf den Leasingnehmer verlagert worden seien, weil es sich hiebei nicht um mittelbar entstandene Schäden oder unabsehbare Folgeschäden, sondern bloß um die Verlängerung eines vom Schädiger sonst dem Eigentümer verursachten Schadens handle. Der Oberste Gerichtshof habe zu 2 Ob 37/91 (=JBl 1992, 325) das Vorliegen eines bloß mittelbaren Schadens oder Drittschadens verneint und aufgrund einer Schadensverlagerung einen Schadenersatzanspruch der Republik Österreich bejaht, die wegen Beschädigung einer im Eigentum einer Gemeinde stehenden automatischen Verkehrslichtsignalanlage Polizeibeamten Überstunden bezahlen mußte. Die Schadenverlagerung durch einen Leasingvertrag sei rechtlich nicht anders gelagert. Es gehöre zum Wesen des Leasingvertrages, daß die Sachgefahr nicht der Leasinggeber als Eigentümer, sondern der Leasingnehmer trage. Im vorliegenden Fall sei im Leasingvertrag auch vereinbart worden, daß die eingeschränkte oder unmögliche Verwendbarkeit des Leasingobjektes durch Beschädigung etc auch bei Zufall oder höherer Gewalt den Vertrag nicht berühre und die Verpflichtung zur Zahlung des Leasingentgeltes aufrecht bleibe. Es liege daher bei Beschädigung des Leasinggegenstandes, insbesondere auch im Fall des Entganges der Nutzung dieses Gegenstandes, eine Schadensverlagerung vor, weil infolge der Tragung der Sachgefahr durch den Leasingnehmer der Schaden an dem Leasinggegenstand diesen treffe. Der Leasingnehmer sei daher auch berechtigt, den ihn treffenden Schaden gegenüber dem Schädiger geltend zu machen. Von den Mietwagen sei allerdings eine Eigenersparnis von 15 % abzuziehen.
Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, die Entscheidung dahin abzuändern, daß das gesamte Klagebegehren abgewiesen werde.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig,aber nicht berechtigt.
Grundsätzlich steht nach ständiger Rechtsprechung nur dem unmittelbar Geschädigten ein Schadenersatzanspruch zu, für einen Drittschaden haftet der Schädiger nicht (SZ 61/178; JBl 1973, 579 und 581; ZVR 1967/191; ZVR 1977/368 uva). Der Oberste Gerichtshof vertrat in einer Reihe von Entscheidungen die Ansicht, der Vermögensschaden, den ein Leasingnehmer durch die Beschädigung des Leasinggegenstandes erleide, sei solch ein nicht ersatzfähiger Drittschaden (JBl 1985, 231; SZ 52/93; 2 Ob 53/90 ua). In einigen Fällen wurde auch der Ersatz von Mietwagenkosten, die dem Leasingnehmer entstanden, abgelehnt (WBl 1989, 319; 8 Ob 17/87; 2 Ob 80/89). Die Ansicht, der Leasingnehmer sei im Fall der Beschädigung des Leasingfahrzeuges nur mittelbar Geschädigter, wird in der Lehre allerdings abgelehnt (Apathy in JBl 1985, 233; Koziol2 II 29 ff; Reischauer in Rummel, AGBG, Rz 22 zu § 1332). In Fällen bloßer Schadensverlagerung (vgl Koziol2 I 278 ff) ist der Schädiger allerdings auch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Ersatz verpflichtet (SZ 51/164; SZ 55/190; SZ 58/202; JBl 1986, 468; JBl 1992, 325). Ist der Schaden also eine typische Folge, die die übertretene Norm verhindern wollte, hat ihn aber aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder rechtsgeschäftlicher Regelung ausnahmsweise wirtschaftlich ein Dritter zu tragen, dann ist der Schädiger verpflichetet, diesem Ersatz zu leisten.
Bereits in 8 Ob 20/85 hat der Oberste Gerichtshof die Frage Schadensverlagerung bei Beschädigung eines Leasingfahrzeuges erörtert. In diesem Verfahren hatte der Leasingnehmer einen über den bereits liquitierten Sachschaden hinausgehenden Ersatz mit der Begründung begehrt, er müsse aufgrund des Vertrages auch weitere auf das Leasingobjekt entfallende Raten bezahlen, ohne dafür das Äquivalent der Benützung des geleasten Fahrzeuges zu haben. Der Oberste Gerichtshof lehnte einen Ersatz mit der Begründung ab, der Kläger habe nicht etwa einen typischerweise beim Leasinggeber eingetretenen Schaden wirtschaftlich zu tragen, sondern habe einen zusätzlichen Folgeschaden erlitten, der als mittelbarer Schaden nicht zu ersetzen sei. Bei Mietwagenkosten handelt es sich hingegen um eine typische Folge der Beschädigung eines Kraftfahrzeuges, die im allgemeinen dessen Eigentümer trifft. Im vorliegenden Fall hat sie aber aufgrund des Leasingvertrages der Leasingnehmer zu tragen. Hier liegt also ein Fall der Schadensverlagerung vor, weshalb der Schädiger dem Leasingnehmer - im vorliegenden Fall aufgrund der Zession der Klägerin - die Mietwagenkosten zu ersetzen hat. Dies entspricht der oben angeführten, zur Frage der Schadensverlagerung ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.
Die in einigen Entscheidungen vertretene Ansicht, der Leasingnehmer habe keinen Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten, wird daher nicht aufrechterhalten.
Die Beklagte hat somit aufgrund des Verschuldens des Lenkers des bei ihr haftpflichtversicherten Fahrzeuges die Mietwagenkosten zu ersetzen. Auf die Frage, ob der Anspruch auch aus einem Anerkenntnis abgeleitet werden könnte, muß nicht mehr eingegangen werden.
Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E29149European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00017.92.0527.000Dokumentnummer
JJT_19920527_OGH0002_0020OB00017_9200000_000