TE OGH 1992/6/11 6Ob14/92

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Veröffentlicht am 11.06.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Firmenbuchangelegenheit der unter HRB 6794 in dem vom Landesgericht Innsbruck geführten Firmenbuch eingetragenen K***** Gesellschaft mbH i.L. mit dem Sitz in *****, wegen Eintragung eines Gesellschafterbeschlusses auf Fortsetzung der gemäß § 1 ALöschG aufgelösten Gesellschaft, infolge Revisionsrekurses der eingetragenen Gesellschaft, vertreten durch Dr. Gerhard Maurer, Rechtsanwalt in Wörgl, gegen Punkt 2 des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 7. April 1992, AZ 3 R 97/92(ON 26), womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 17. März 1992, GZ HRB 6794-23, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung:

Die im Dezember 1989 unter Festsetzung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststammkapitals gegründete und in das Firmenbuch eingetragene Gesellschaft mbH wurde zufolge rechtskräftiger Abweisung eines Gläubigerantrages auf Eröffnung des Konkurses über das Gesellschaftsvermögen im Sinne des § 1 ALöschG kraft Gesetzes aufgelöst. Dieser Umstand wurde auch am 18. Juni 1991 in das Firmenbuch eingetragen.

Das Firmenbuchgericht leitete im Sinne des § 2 ALöschG das Amtslöschungsverfahren ein. Dieses Verfahren ist noch anhängig.

Am 26. September 1991 meldete der einzige Liquidator als wiederbestellter Geschäftsführer den in der Gesellschafterversammlung vom 20. September 1991 einstimmig gefaßten Beschluß auf Fortsetzung der Gesellschaft unter der bisherigen Firma sowie unter Bestellung des seinerzeitigen Gründungsgesellschafters und letzten alleinigen Geschäftsführers zum Geschäftsführer der fortzusetzenden Gesellschaft zur Eintragung in das Firmenbuch an. Die Gesellschafter hatten ihren Beschluß auf Fortsetzung ihrer kraft Gesetzes aufgelösten Gesellschaft nach der notariellen Niederschrift über die Gesellschafterversammlung damit begründet, daß "die Gesellschaft aber Vermögen besitzt und weiter ihre Tätigkeit ausübt". Die Stammeinlagen sind nach wie vor erst zur Hälfte eingezahlt.

Zum Nachweis frei verfügbaren Vermögens der Gesellschaft schloß deren wiederbestellter Geschäftsführer dem Eintragungsantrag eine Rechnung vom 22. Januar 1991 und einen Bankzahlungsbeleg vom folgenden Tag an, aus welchen Belegen hervorgeht, daß eine Leasinggesellschaft der eingetragenen Gesellschaft Einrichtungsgegenstände zum Nettoverkaufspreis von 176.217 S unter der Abrede des vorbehaltenen Eigentums verkaufte, welches mit restloser Begleichung des Fakturenbetrages auf jene Bank übergehen sollte, die die Rechnungssumme am 23. Januar 1991 an die Leasinggesellschaft überwiesen hat.

Mit einem Mängelbehebungsauftrag vom 30. September 1991 forderte das Firmenbuchgericht den Antragsteller auf, binnen zwei Wochen nachzuweisen, daß die Gesellschaft Vermögen besitze und nicht überschuldet und nicht zahlungsunfähig sei. Hiezu erachtete das Firmenbuchgericht "eine entsprechende Erklärung des Geschäftsführers" als erforderlich. Ungeachtet gewährter Fristerstreckung erbrachte der Antragsteller keinen Nachweis über das Nichtvorliegen der Konkursvoraussetzungen.

Hierauf wies das Firmenbuchgericht mit Beschluß vom 17. März 1992 das Begehren auf Eintragung der Fortführung der Gesellschaft ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Es wertete dabei die mit dem Rekurs vorgelegten Ablichtungen einer Bankbestätigung vom 24. März 1992 im Zusammenhang mit einem Bankschreiben vom 23. Dezember 1991 über das Erlöschen des Eigentumsvorbehaltes an den Einrichtungsgegenständen (die 1984 dem damaligen Betreiber des seit der Gesellschaftsgründung von der eingetragenen Gesellschaft geführten gastgewerblichen Betriebes geliefert worden waren) im Sinne des § 10 AußStrG als unbeachtliche Neuerungen.

Das Rekursgericht führte aber darüber hinaus zur Begründung seiner bestätigenden Entscheidung aus, daß auch mit der Bescheinigung eines Erlöschens des Eigentumsvorbehaltes an den Einrichtungsgegenständen der als erforderlich erachtete Nachweis nicht erbracht wäre, daß die gemäß § 1 ALöschG kraft Gesetzes aufgelöste Gesellschaft weder überschuldet noch zahlungsunfähig sei.

Die eingetragene Gesellschaft ficht die bestätigende Rekursentscheidung aus dem Revisionsrekursgrund nach § 15 Z 4 AußStrG mit dem Abänderungsantrag, "daß die Fortsetzung der Rekurswerberin zulässig ist", an.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelzulässigkeitsvoraussetzung nach § 14 Abs 1 AußStrG ist erfüllt, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Zulässigkeit und Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Gesellschafterbeschlusses auf Fortsetzung einer gemäß § 1 ALöschG kraft Gesetzes aufgelösten Gesellschaft fehlt.

Dem Revisionsrekurs kommt aber keine Berechtigung zu.

Die verfahrensrechtliche Frage nach der Beachtlichkeit der mit dem Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung vorgelegten Urkunden zur Bescheinigung eines erst nach Fassung des erstinstanzlichen Beschlusses eingetretenen Tatumstandes war für die angefochtene Rechtsmittelentscheidung nicht erheblich, weil die durch die Urkunden zu belegenden Tatumstände das abgewiesene Eintragungsbegehren nicht zu rechtfertigen vermöchten.

Zur Fortsetzung einer gemäß § 1 ALöschG kraft Gesetzes aufgelösten Gesellschaft ist nämlich grundsätzlich zu erwägen:

Ist ein Auflösungstatbestand erfüllt, ist eine Gesellschaft mbH mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung abzuwickeln. Damit ändert sich zwar nicht der Gegenstand des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens, wohl aber der Gesellschaftszweck, der nicht mehr auf nachhaltig gewinnbringende Führung des Unternehmens, sondern auf Verwertung des vorhandenen Gesellschaftsvermögens gerichtet ist. Diese gesetzliche Änderung des Gesellschaftszweckes kann auf einem Auflösungsgrund beruhen, der im Willen der Gesellschafter wurzelt, oder auf einem vom Willen der Gesellschafter unabhängigen Grund. Die Auflösung der Gesellschaft im Sinne des § 1 ALöschG mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse abgewiesen wurde, tritt kraft Gesetzes unabhängig vom Willen der Gesellschafter ein.

Das GmbHG enthält über Zulässigkeit und Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Gesellschafterbeschlusses auf Fortsetzung einer bereits aufgelösten Gesellschaft (zum ursprünglichen satzungsgemäßen Zweck der Unternehmensführung) anstatt der gesetzlich vorgesehenen Abwicklung keine Bestimmungen.

Das Aktiengesetz, in das der im § 1 ALöschG geregelte Auflösungsgrund materiell mit der Bestimmung des § 203 Abs 1 Z 4 unmittelbar aufgenommen wurde, trifft Regelungen über die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft, setzt aber für den Fall einer Auflösung aus dem Grunde des § 203 Abs 1 Z 3 AktG (Eröffnung des Konkurses über das Gesellschaftsvermögen) die Aufhebung des Konkurses aus ganz bestimmten Gründen (§§ 157, 166 und 167 KO) voraus und erwähnt eine Auflösung aus dem Grund des § 203 Abs 1 Z 4 AktG (Ablehnung der Konkurseröffnung mangels kostendeckender Masse) überhaupt nicht. Dem Gesetzgeber kann dieser Auflösungsfall bei der Regelung der Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft keinesfalls entgangen sein, so daß zu folgern ist, daß er die Fortsetzung einer gemäß § 203 Abs 1 Z 4 AktG kraft Gesetzes aufgelösten Aktiengesellschaft nicht zulassen wollte. Eine aus § 203 Abs 1 Z 4 AktG aufgelöste Aktiengesellschaft wird aus diesem Grund für nicht reaktivierungswürdig und -fähig angesehen (vgl Schiemer AktG2 § 215 Anm. 4.1).

Gleiches müßte auch für eine gemäß § 1 ALöschG aufgelöste Gesellschaft mbH gelten, wenn man § 215 Abs 2 AktG nicht wegen seines offenkundigen Wertungswiderspruches zwischen einer Nichtzulassung der Gesellschaftsfortsetzung bei unzulänglichem Gesellschaftsvermögen im Zeitpunkt der Konkurseröffnung einerseits und der grundsätzlichen Zulassung einer Gesellschaftsfortsetzung trotz unzureichenden Gesellschaftsvermögens, wenn es sich erst im Zuge des Konkursverfahrens als nicht kostendeckend herausstellt (vgl Schiemer aaO), als analogieuntauglich ansehen wollte.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar im Gefolge seiner in SZ 15/2 veröffentlichten Entscheidung mehrmals ausgesprochen, daß die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft mbH nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei (vgl MietSlg XXI/39; ähnlich auch 3 Ob 194/82), zum Fall einer gemäß § 1 ALöschG kraft Gesetzes aufgelösten Gesellschaft aber nicht Stellung bezogen.

Die Ansichten im Schrifttum sind uneinheitlich. Reich-Rohrwig (GmbH-Recht, 690 f) hält sogar die Fortsetzung einer nach dem ALöschG gelöschten Gesellschaft für grundsätzlich zulässig (umsomehr wohl eine gemäß § 1 ALöschG erst aufgehobene); Gellis-Feil (GmbHG2 § 84 Anm 19) wollen aus Gründen der SZ 15/2 auch die Zulässigkeit der Fortsetzung einer nach § 1 ALöschG aufgelösten Gesellschaft ableiten; Hämmerle/Wünsch (Handelsrecht II3) erachten die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft nur in bestimmten Fällen für zulässig, erwähnen aber in der Aufzählung dieser Fälle § 1 ALöschG nicht; Kostner (GmbHG3, 148) erwähnt den Fall des § 1 ALöschG nicht, vertritt aber die Ansicht, daß nach einer Auflösung der Gesellschaft "durch Konkurs" eine Fortsetzung nur dann möglich sei, wenn das Konkursverfahren nach Abschluß eines Zwangsausgleiches aufgehoben oder auf Antrag der Gesellschaft eingestellt worden sei; Kastner/Doralt/Nowotny (Grundriß5) unterscheiden zwischen den einzelnen Auflösungsfällen nicht, halten aber allgemein die Einhaltung der in § 215 AktG enthaltenen Gläubigerschutzbestimmungen für erforderlich.

Auch die deutsche Lehre ist in der Frage der Zulässigkeit einer Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft mbH (über den positiv geregelten Fall des § 60 Abs 1 Z 4 d GmbHG hinaus) geteilt (vgl zB Rowedder/Raisner GmbHG2 § 60 Anh Rz 7 oder Peter Ulmer im Großkommentar8 § 60 Rz 107 einerseits und Roth GmbHG2 § 75 P 8.2 Scholz/Karsten Schmidt GmbHG7 § 60 Rz 60; Lutter/Hommelhoff GmbHG13 § 60 Rz 26 und 28 und Meyer-Landrut GmbHG § 60 Rz 27 andererseits). Dabei fordern allerdings die Befürworter der Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft mbH die Beseitigung des Auflösungsgrundes (vgl vor allem Karsten Schmidt und Roth aaO).

Ohne abschließend zur absoluten Unzulässigkeit oder Zulässigkeit der Fortsetzung einer gemäß § 1 ALöschG von Amts wegen aufgelösten Gesellschaft Stellung zu nehmen, wäre nach dem eingangs dargelegten Charakter des Auflösungsgrundes und dem darin zu erkennenden Gesetzeszweck, Gesellschaften, deren liquides Aktivvermögen derart gering geworden ist, daß es voraussichtlich nicht einmal zur Deckung der Kosten eines drohenden Konkursverfahrens hinreichen würde, im allgemeinen Interesse vom weiteren Geschäftsverkehr auszuschließen, eine Fortsetzung der Gesellschaft nur unter der Voraussetzung tragbar, daß der gesetzliche Auflösungsgrund behoben und dies auch hinlänglich bescheinigt wird. Im Falle der Auflösung nach § 1 ALöschG wäre daher jedenfalls durch einen unverdächtigen Vermögensstatus zu belegen, daß ein Konkurseröffnungsgrund nicht vorliegt.

Ein derartiger Nachweis wäre auch durch die mit dem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß vorgelegten Urkunden in keiner Weise erbracht.

Dem Revisionsrekurs war aus dieser Erwägung ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E28898

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00014.92.0611.000

Dokumentnummer

JJT_19920611_OGH0002_0060OB00014_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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