TE OGH 1992/6/11 6Ob559/92 (6Ob560/92)

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Veröffentlicht am 11.06.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. Regina N*****, geboren am 13. Februar 1974, Schülerin, in Pflege und Erziehung von Gerlinde H*****, gesetzlich vertreten durch den Vormund Dr. Kurt W*****, wegen Unterhaltsleistungen durch die Mutter Elisabeth S*****, Friseurin, ***** vertreten durch Dr. Erwin Haumer, Rechtsanwalt in Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Februar 1992,

AZ 43 R 683,684/91(ON 107), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4. März 1991, GZ 7 P 218/88-84, teils bestätigt und teils zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde und der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. Juli 1991, GZ 7 P 218/88-89, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird stattgegeben. Punkt 2 der Rekursentscheidung vom 26. Februar 1992 (ON 107) sowie der erstinstanzliche Beschluß vom 29. Juli 1981 (ON 89) in seinem stattgebenden Teil werden aufgehoben. In diesem Umfang wird die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz rückverwiesen.

Text

Begründung:

Das pflegebefohlene Mädchen wurde am 13. Februar 1974 als zweites eheliches Kind einer 1949 geborenen Frau und eines 1948 geborenen Mannes geboren. Es wuchs wie sein vier Jahre älterer Bruder ab der Geburt im Haushalt der väterlichen Großmutter heran. Die im März 1970 geschlossene Ehe der Eltern wurde im Herbst 1976 durch Scheidung aufgelöst. An den Pflegeverhältnissen der Kinder änderte sich dadurch nichts. Sie wurden vielmehr mit pflegschaftsgerichtlichem Beschluß vom 12. April 1977 formell in Pflege und Erziehung der mütterlichen Großmutter eingewiesen. Aus Anlaß der Abhandlung des Nachlasses nach dem väterlichen Großvater der Kinder entzog das Pflegschaftsgericht mit Beschluß vom 20. Mai 1988 (ON 50) den Eltern auch das Recht zur gesetzlichen Vertretung und Vermögensverwaltung und bestellte die 1910 geborene väterliche Großmutter zum Vormund ihrer beiden Enkelkinder.

Am 14. September 1990 langte ein durch einen Notar verfaßter Antrag der von ihrer väterlichen Großmutter vertretenen AHS-Schülerin auf Festsetzung der von der Mutter zu zahlenden Unterhaltsbeträge bei Gericht ein. Nach den Antragsbehauptungen hätten sowohl der nun unbekannten Aufenthaltes weilende Vater als auch die wiederverheiratete Mutter seit vielen Jahren keinerlei Unterhalt geleistet, so daß die inzwischen 80 Jahre alt gewordene väterliche Großmutter den Unterhalt ihrer Enkel zur Gänze habe bestreiten müssen. Das pflegebefohlene Mädchen stellte ihr Unterhaltsbegehren auf Zahlung eines monatlichen Betrages von 3.000 S ausdrücklich auch für die ihrer Antragstellung unmittelbar vorangegangenen drei Jahre.

Die anwaltlich vertretene Mutter sprach sich vor allem gegen ihre Verpflichtung zu Unterhaltszahlungen für die Vergangenheit aus. Dazu machte sie geltend, daß weder ihre Tochter noch die väterliche Großmutter jemals von ihr Unterhalt verlangt hätten, die väterliche Großmutter vielmehr auf Unterhaltsleistungen verzichtet habe, da sie nach ihren eigenen Angaben zur Gänze für die Minderjährige aufkommen würde. Zum Beweis ihrer Tatsachenbehauptungen berief sich die Mutter auf die Vernehmung ihres nunmehrigen Ehemannes, auf die Vernehmung der Beteiligten sowie auf Einsichtnahme in einen Pflegschaftsakt. In Ergänzung dieser Stellungnahme brachte die Mutter ausdrücklich vor, die väterliche Großmutter und Vormünderin habe ihre Enkeltochter seit jeher erhalten, diese habe ihren Unterhalt bereits bekommen und könne diesen nicht nochmals von der Mutter fordern.

Die väterliche Großmutter ist am 25. August 1991 gestorben. Sie war zu den Behauptungen ihrer ehemaligen Schwiegertochter nicht vernommen worden. Auch die Mutter selbst, ihr nunmehriger Ehemann oder sonst eine Person wurden zu den Unterhaltsleistungen der väterlichen Großmutter und deren diesbezüglichen Erklärungen gegenüber ihrer ehemaligen Schwiegertochter nicht vernommen.

Das Vormundschaftsgericht verpflichtete zunächst mit Beschluß vom 4. März 1991 (ON 84) die Mutter, für die Zeit ab 14. September 1990 (= Antragstag) zum Unterhalt des Mädchens monatlich 2.500 S zu zahlen, wies das monatliche Mehrbegehren von 500 S ab und behielt die Entscheidung über das Begehren auf Unterhalt für die der Antragstellung vorangegangenen drei Jahre ausdrücklich einer gesonderten Beschlußfassung vor.

Die Mutter machte in ihrem Rekurs gegen diese Unterhaltsfestsetzung dem Grunde nach geltend, daß infolge der Unterhaltsleistungen der väterlichen Großmutter kein weiterer Unterhaltsanspruch der Tochter ihr gegenüber bestünde.

Mit dem weiteren Beschluß vom 29. Juli 1991 (ON 89) verpflichtete das Vormundschaftsgericht die Mutter unter Abweisung des darüber hinausgehenden Mehrbegehrens, zum Unterhalt ihrer Tochter für die Zeit vom 14. September 1987 bis 31. Januar 1989 einen monatlichen Betrag von S 2.000 S und für die Zeit vom 1. Februar 1989 bis 13. September 1990 einen solchen von 2.500 S zu bezahlen.

Die Mutter rügte in ihrem Rekurs gegen diesen Beschluß das Unterbleiben von Erhebungen über Art und Umfang der von der väterlichen Großmutter erbrachten Leistungen sowie über die auf diese bezughabenden Erklärungen der väterlichen Großmutter gegenüber deren ehemaliger Schwiegertochter. In materiellrechtlicher Hinsicht bemängelte die Mutter eine ungerechtfertigte Doppelalimentation.

Das Rekursgericht bestätigte die Verpflichtung der Mutter zur Zahlung von Unterhaltsbeträgen für die der Antragstellung des Kindes vorangegangenen drei Jahre (ON 89). Es bestätigte auch die Festsetzung des Unterhaltes für die Zeit vom 14. September 1990 bis 31. Dezember 1990 und faßte in Ansehung des 1.000 S übersteigenden monatlichen Unterhaltsbegehrens auf Zahlung weiterer monatlicher Beträge von 1.500 S für die folgende Zeit einen Aufhebungsbeschluß. Zu den bestätigenden Teilen seiner Entscheidung sprach das Rekursgericht aus, daß es mangels Vorliegens von Rechtsfragen im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs jeweils nicht zuließe.

Die Mutter erklärte in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs "vor allem" die rückwirkende Unterhaltsverpflichtung zu bekämpfen und stellte den Rechtsmittelantrag auf Abweisung des für die Vergangenheit gestellten Unterhaltsbegehrens. Dem ordnete die Rechtsmittelwerberin die Erklärung nach, "in eventu wird die Höhe des zugesprochenen Unterhaltsbetrages bestritten, da ich nur mehr beschränkt arbeite und die Leistung auch von meinen Einkommensverhältnissen abhängt, die eine Leistung in der Höhe des für die Vergangenheit zugesprochenen Betrages wegen finanzieller Unmöglichkeit nicht zulassen würde". Die Rechtsmittelausführungen befassen sich erkennbar nur mit der Verpflichtung der Rechtsmittelwerberin zur Leistung von Unterhaltsbeträgen für die der Antragstellung vorangegangenen drei Jahre.

Nach dem Zusammenhang von Rechtsmittelerklärung, Rechtsmittelantrag und Rechtsmittelausführung im anwaltlich verfaßten Schriftsatz kann die Rekursentscheidung zum erstinstanzlichen Teilabspruch über den ab Antragstag fortlaufend zu leistenden Unterhalt nicht als angefochten erkannt werden. Gegenstand des außerordentlichen Revisionsrekurses ist demnach ausschließlich die zu Punkt 2 der Rekursentscheidung ausgesprochene Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung über das Unterhaltsbegehren für die Vergangenheit (ON 89).

Die Rechtsmittelwerberin bemängelt, daß auch das Rekursgericht ungeachtet der unter Beweis gestellten Behauptungen, die väterliche Großmutter habe ihrem Enkelkind (ausreichend) Unterhalt gewährt und der Mutter gegenüber ausdrücklich und schlüssig auf jeden Ersatz verzichtet, ohne Beweisaufnahmen seiner Entscheidung zugrundegelegt habe, "bei der gegebenen Aktenlage" sei "mangels gegenteiliger Anhaltspunkte" davon auszugehen, daß die Großmutter lediglich im Zuge der Versorgung des Kindes Beträge vorgeschossen habe, ohne für die Mutter leisten und diese entlasten zu wollen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist aus den darzulegenden Gründen zulässig. Er ist auch im Sinne einer Aufhebung zur Verfahrensergänzung berechtigt.

Die Mutter hat gegenüber dem für die Vergangenheit gestellten Unterhaltsbegehren der Sache nach schuldtilgende Leistungen der väterlichen Großmutter eingewendet und sich zum Nachweis von Art und Umfang der großmütterlichen Unterhaltsleistungen sowie zum Nachweis der Verzichtserklärungen der väterlichen Großmutter (aus denen im Zusammenhalt mit dem jahrelangen Unterbleiben jedes Unterhaltsbegehrens schlüssig auf die Absicht der väterlichen Großmutter geschlossen werden könnte, in der diese ihren Enkelkindern praktisch seit deren Geburt in ihrem Haushalt Unterhalt gewährte) auf verschiedene Beweismittel berufen.

Die vom Rekursgericht gebrachten Wendungen, daß bei der gegebenen Aktenlage mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen wäre, die väterliche Großmutter hätte lediglich im Zuge der Versorgung des Kindes Beträge vorgeschossen, ohne für die Mutter leisten und diese entlasten zu wollen, legt offen, daß das Rekursgericht die Erhebungspflicht im Zusammenhang mit der Behauptung- und Beweislast, wie sie gerade in den vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen (JBl 1991, 309; RZ 1991/35 und 6 Ob 529/91) dargelegt wurden, verkannt hat.

Die Mutter hat gegenüber dem für die Vergangenheit erhobenen Unterhaltsbegehren unter anderem eingewendet, ihrer Tochter stünde gegen sie kein Unterhaltsanspruch zu, weil deren Unterhaltsbedarf durch die Leistungen der väterlichen Großmutter völlig gedeckt worden wäre, so daß überhaupt kein Anspruch auf Deckung unbefriedigter Unterhaltsbedürfnisse entstanden wäre, oder daß dem Mädchen, weil die väterliche Großmutter die Ansprüche des Kindes gegenüber seinen Eltern durch ihre Leistungen getilgt habe, kein Anspruch gegen die Eltern mehr zustünde. (Ein ausdrücklicher oder schlüssiger Verzicht auf Unterhalt namens des Kindes hätte pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung bedurft; eine solche wurde nicht behauptet, so daß die Einwendung des Verzichtes auf Unterhaltsleistungen als unschlüssig unerörtert bleiben durfte.)

Über die erwähnten Einwendungen der Mutter durfte nicht ohne Aufnahme der beantragten Beweise hinweggegangen werden. Beide Vorinstanzen verstießen mit ihrer Vorgangsweise gegen § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG.

Die Rechtssache war daher unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz rückzuverweisen.

Anmerkung

E28901

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00559.92.0611.000

Dokumentnummer

JJT_19920611_OGH0002_0060OB00559_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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