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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
EMRK Art6 Abs1 / VerfahrensgarantienLeitsatz
Verletzung im Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist durch Strafausspruch und Kostenspruch einer Bestrafung wegen Lenkens eines PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand; verfassungswidrige Gesetzesanwendung durch Nichtberücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer als Milderungsgrund bei der Strafbemessung; länger dauernde Belastung einzelner Gerichte kein Rechtfertigungsgrund für Verfahrensverzögerungen sondern struktureller Mangel; im Übrigen Abweisung der Beschwerde; teilweiser Zuspruch der Verfahrenskosten und der EingabengebührSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der ausgesprochenen Strafe in seinem gemäß Art6 Abs1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist verletzt worden.
Der Bescheid wird im Strafausspruch und im Kostenausspruch aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Das Land Oberösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 14.750,- (€ 1.071,92) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Der Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 11. Jänner 1995 schuldig erkannt, am 19. Juni 1994 um 2.30 Uhr einen näher bestimmten PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben, und wegen der Übertretung des §5 Abs1 StVO 1960 gemäß §99 Abs1 lita StVO 1960 zu einer Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 22. April 1996 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Begründend führte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich aus, er sei nach Durchführung des Beweisverfahrens in freier Beweiswürdigung zur Auffassung gelangt, daß eine Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers für die Lenkzeit
2.30 Uhr nicht zweifelsfrei beweisbar sei.
1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst am 3. Juli 1996 eine auf Art131 Abs1 Z2 B-VG gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die dort am selben Tag einlangte. Mit Erkenntnis vom 27. April 2000 hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Begründung auf, der angefochtene Bescheid lasse eine (schlüssige) Begründung dafür vermissen, auf welche Beweisergebnisse er sich stütze. Die belangte Behörde habe sohin keine den Anforderungen an eine nachvollziehbare Beweiswürdigung entsprechende Begründung des Bescheides vorgenommen.
1.3. Im fortgesetzten Verfahren bestätigte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Bescheid vom 7. November 2000 im wesentlichen das erstinstanzliche Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 11. Jänner 1995 und setzte die Geldstrafe von S 13.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe 13 Tage) auf S 10.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) herab.
2. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren nach Art6 EMRK behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie Kostenzuspruch begehrt wird.
2.1. Der Beschwerdeführer hält zum einen die Verfahrensdauer für nicht angemessen im Sinne des Art6 Abs1 EMRK: Da regelmäßig auch die Dauer des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof in die Verfahrensdauer einzurechnen sei, betrage diese - seit Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens mit Ladungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 3. Juli 1994 bis zur Zustellung des im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich am 29. November 2000 - immerhin sechs Jahre und fünf Monate.
2.2. Es sei weiters "rechtlich bedenklich, daß der Bundesminister seine Bescheidbeschwerde im Sinne des Art131 Abs1 Z2 B-VG nicht binnen sechs Wochen nach Zustellung des letztinstanzlichen Bescheides an die Verfahrenspartei erheben" müsse, sondern die Beschwerdefrist erst mit dem Zeitpunkt beginne, zu dem der zuständige Bundesminister von dem Bescheid Kenntnis erlange.
2.3. Weiters wird in der Beschwerde die Ansicht vertreten, daß mit einer Amtsbeschwerde nach Art131 Abs1 B-VG lediglich die objektive Rechtswidrigkeit des Bescheides, nicht jedoch die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft werden könne.
2.4. Zudem sei mit Art131 B-VG die Möglichkeit der Amtsbeschwerde im Hinblick darauf eingerichtet worden, daß in Angelegenheiten des Art11 B-VG ursprünglich die Landesregierungen über Berufungen gegen Strafbescheide der Bezirksverwaltungsbehörden entschieden hätten. Da seit 1. Jänner 1991 nun die als Tribunale und weisungsungebundene Behörden eingerichteten unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über derartige Berufungen entscheiden würden, erhebe sich die Frage, ob Art131 B-VG auch Amtsbeschwerden gegen Erkenntnisse von unabhängigen Verwaltungssenaten zu decken vermöge. Durch die Aufhebung des im ersten Rechtsgang ergangenen, für den Beschwerdeführer gänzlich positiven Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich und die nachfolgende Abweisung der Berufung werde in die Rechtskraft des Bescheides eingegriffen und so gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen.
2.5. Der Beschwerdeführer sieht auch eine Verletzung von Art6 Abs3 litc EMRK darin, daß die belangte Behörde seinen anläßlich der im fortgesetzten Verfahren durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung gestellten Anträgen, die Berufungsverhandlung zu vertagen und ihn persönlich - nämlich nicht zu Handen seines Rechtsvertreters - zur mündlichen Verhandlung zu laden, mit Blick auf die aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht stattgegeben habe.
2.6. Im Umstand, daß die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren keine neuen Beweise aufgenommen, die bereits vorliegenden Beweisergebnisse völlig anders als im ersten Rechtsgang gewürdigt und nun angeführt habe, daß der vom Beschwerdeführer behauptete Nachtrunk in dieser Form keineswegs als erwiesen anzunehmen sei, die belangte Behörde sohin entlastende Umstände nicht ebenso berücksichtigt habe wie ihn belastende, erblickt der Beschwerdeführer schließlich einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung des Art6 Abs2 EMRK.
3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erstattete eine Gegenschrift, in der das Beschwerdevorbringen bestritten und die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
3.1. In der Gegenschrift bleiben zunächst die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde angeführten Verfahrensdaten unbestritten, insbesondere geht die belangte Behörde wie der Beschwerdeführer von der Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens durch die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn am 3. Juli 1994 und der Beendigung Verfahrens mit Erlassung des Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich am 7. November 2000 aus.
Unter Berufung auf §26 Abs1 Z2 VwGG tritt die belangte Behörde auch dem Beschwerdevorbringen insofern nicht entgegen, als sie dem Beschwerdeführer zustimmt, daß sich die Beschwerdefrist in der Praxis auf unbestimmte Zeit erstrecken könne und dadurch Rechtsunsicherheit und eine äußerst unbefriedigende Situation für die berufungswerbende Partei geschaffen werde. Im vorliegenden Verfahren habe im ersten Rechtsgang die Zeit zwischen Zustellung des Erkenntnisses an den Beschwerdeführer und Erhebung der Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof jedoch nur etwas über zwei Monate gedauert.
3.2. Von einer überlangen Verfahrensdauer könne weder vor der Erstinstanz noch im Rechtsmittelverfahren die Rede sein, zumal im vorliegenden Verfahren die §§31 und 51 Abs7 VStG Fristen vorsähen. Die umfangreichen, vom Beschwerdeführer bewußt erst im Berufungsverfahren gestellten Beweisanträge hätten eine ebenso umfangreiche Vorbereitung und eine auf mehrere Termine erstreckte Verhandlung erforderlich gemacht, wobei die Inanspruchnahme der 15-monatigen Frist durch den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wohl nicht als überlange Verfahrensdauer angesehen werden könne. Von einer Äußerung zur Frage, ob das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof als unangemessen lang anzusehen sei, sieht die belangte Behörde ausdrücklich ab.
Zum in der Beschwerde erhobenen Vorwurf, der Beschwerdeführer sei ausschließlich zu Handen seines Rechtsvertreters geladen worden, verweist die belangte Behörde unter Hinweis auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf die Ausführungen in ihrem Bescheid.
4. Der Beschwerdeführer erstattete dazu eine Replik, in der er gegen die Bestimmung des §26 Abs1 Z2 VwGG rechtsstaatliche Bedenken vorbringt und die Prüfung der Wortfolge "sonst mit dem Zeitpunkt, zu dem der zuständige Bundesminister von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat" auf seine Verfassungsmäßigkeit anregt.
5. Der Verfassungsgerichtshof hat den Verwaltungsgerichtshof eingeladen, zu den in der Beschwerde hinsichtlich der Verfahrensdauer erhobenen Bedenken Stellung zu nehmen.
5.1. Der mit der Amtsbeschwerde befaßte Senat des Verwaltungsgerichtshofes hat keine Äußerung erstattet.
5.2. Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes hat mit Note vom 15. Juni 2001 ausgeführt, daß die Länge der Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof zu einem hohen Grad auf die notorische und wiederholt in den Tätigkeitsberichten festgehaltene Überlastung des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuführen sei. Sie sei ein Hauptmotiv dafür, daß das Präsidium des Verwaltungsgerichtshofes seit nunmehr einem Jahrzehnt vehement die Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Stufe fordere. Zwar bestehe auf dem Gebiet des Verwaltungsstrafrechts seit der Einrichtung der unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und des Ablehnungsrechtes des Verwaltungsgerichtshofes eine gewisse Entlastung, doch würde diese - da der Verwaltungsgerichtshof sowohl über Administrativ- als auch über Strafsachen zu entscheiden habe - durch den Beschwerdezuwachs in anderen Bereichen längst kompensiert. Daher dürfe auch in diesem Zusammenhang erneut auf die Notwendigkeit der Reform - nunmehr auch unter dem Gesichtspunkt der neuen Judikatur des EGMR - aufmerksam gemacht werden.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer stützt seine Behauptung, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren (Art6 Abs1 EMRK) verletzt zu sein, zunächst darauf, daß das Verfahren unangemessen lang gedauert habe:
Art6 Abs1 EMRK bestimmt, daß jedermann "Anspruch darauf
(hat), daß seine Sache ... innerhalb angemessener Frist gehört wird,
und zwar von einem ... Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche
und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat".
Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, spielt die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer als subjektives Element eine wichtige Rolle (vgl. Miehsler/Vogler, Internationaler Kommentar zur EMRK, 1986, Rz. 310 zu Art6 EMRK; EGMR 28.6.1978, König, EuGRZ 1978, 407 (417); 6.5.1981, Buchholz, EuGRZ 1981, 490 (493); 13.7.1983, Zimmermann und Steiner, EuGRZ 1983, 483 (483)). Nicht die Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnisse staatlicher Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit einer Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art6 Abs1 EMRK anzunehmen wäre. Aus der Gesamtschau der diesbezüglichen Rechtsprechung ergibt sich aber, daß Verfahren, die länger als 5 Jahre dauern, nur in seltenen Fällen als angemessen angesehen wurden (vgl. Thienel, ÖJZ 1993, 473).
In der Rechtsprechung des EGMR wird für den Beginn der Frist jener Zeitpunkt angenommen, "in which a person is charged", dh. sobald ein Beschuldigter durch offizielle Mitteilung oder auch in sonstiger Weise darüber in Kenntnis gesetzt ist, daß gegen ihn wegen des Verdachts, eine strafbare Handlung begangen zu haben, Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden und seine Lage dadurch in erheblicher Weise beeinträchtigt wird (vgl. Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention: EMRK-Kommentar, 2. Aufl. 1996, Rz. 138 zu Art6 EMRK). Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgerichten werden regelmäßig in die Verfahrensdauer eingerechnet (vgl. EGMR 23.4.1987, Erkner und Hofauer, EuGRZ 1985, 435; 23.4.1987, Poiss, EuGRZ 1985, 435; 26.3.1992, Editions Periscope, HRLJ 1992, 419; 31.3.1992, X gg. Frankreich, ÖJZ 1992/32 (MRK); 30.10.1991, Wiesinger, ÖJZ 1992, 239). Eine differenzierte Haltung vertritt der EGMR hinsichtlich der Einrechnung von Verfahren vor Verfassungsgerichten. Wird im Zuge eines Zivil- oder Strafverfahrens ein Verfassungsgericht angerufen, berücksichtigt der EGMR das verfassungsgerichtliche Verfahren bei Beurteilung der Verfahrensdauer dann, wenn die Entscheidung des Verfassungsgerichts "materieller" Natur ist, dh. er prüft, ob sie Auswirkungen auf die letztlich ergehende Sachentscheidung haben kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Verfassungsgericht in der Zivil- oder Strafsache selbst zu entscheiden hat, sondern nur darauf, daß seine Entscheidung in der Lage ist, den Ausgang des Zivil- oder Strafverfahrens zu beeinflussen, etwa wegen Aufhebung der Sachentscheidung (vgl. Thienel, aaO, 479; EGMR 16.9.1996, Süßmann, EuGRZ 1996, 514; 1.7.1997, Pammel, ÖJZ 1998/19 (MRK)).
1.2. Im vorliegenden Fall erlangte der Beschwerdeführer mit Zustellung des Ladungsbescheides der BH Braunau am Inn erstmals offiziell Kenntnis von dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf. Der Ladungsbescheid wurde ihm am 3. Juli 1994 zugestellt; als Anfangszeitpunkt des Verfahrens ist daher dieser Tag anzunehmen.
Als (vorläufiger) Endzeitpunkt des Verfahrens ist der Tag der Zustellung des im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 7. November 2000, der 29. November 2000, maßgeblich.
Die zu beurteilende Verfahrensdauer beträgt sohin 6 Jahre, 4 Monate und 27 Tage.
1.3. Da dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden kann, wenn er zur Durchsetzung seiner Rechte - erfolgreich - Rechtsmittel ergreift, und das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über eine Amtsbeschwerde des Bundesministers eingeleitet wurde, kann die Verfahrensverzögerung nicht der Sphäre des Beschwerdeführers zugerechnet werden.
Die ungewöhnliche Länge des Verfahrens ist daher allein auf das Handeln staatlicher Organe zurückzuführen.
Zu berücksichtigen ist weiters, daß der Beschwerdeführer durch die Dauer des Verfahrens einer besonderen Belastung dadurch ausgesetzt war, daß er wegen der besonderen Schwere des Verkehrsdeliktes nicht nur die Verurteilung zu einer erheblichen Geldstrafe, sondern als deren Folge auch die Entziehung seiner Lenkberechtigung zu erwarten hatte.
Da nach der Aktenlage weder Art und Umfang des Sachverhalts noch die zu beurteilenden Rechtsfragen die Behandlung dieser Rechtssache ungewöhnlich komplex oder schwierig erscheinen lassen und sich im vorliegenden Verfahren auch keine weiteren besondere Umstände ergeben haben, welche die Dauer des Verfahrens, im besonderen vor dem Verwaltungsgerichtshof, rechtfertigen könnten, ist die Dauer des Verfahrens von mehr als 6 Jahren und 4 Monaten nicht mehr als angemessen iSd. Art6 Abs1 EMRK zu qualifizieren.
1.4. Dadurch, daß die belangte Behörde aber die Verfahrensdauer nicht als unangemessen und als Art6 Abs1 EMRK verletzend festgestellt und diesen Umstand bei der Strafbemessung unberücksichtigt gelassen hat, ist ihr ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen:
Gemäß §19 VStG iVm. §34 Abs2 StGB "ist es auch ein Milderungsgrund, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat" (zu §34 Abs2 StGB vgl. die EB zur RV zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996, 33 BlgNR 20. GP).
Die belangte Behörde hat dadurch das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art6 Abs1 EMRK widersprechenden Weise angewendet, daß sie die überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd bewertet hat (vgl. Thienel, aaO, 486; Frowein/Peukert, aaO, Rz. 33 und 34 zu Art25; EGMR 15.7.1982, Eckle, EuGRZ 1983, 371; OGH 14.11.1969, 12 Os 97/69; 13.12.1983, 10 Os 154/83, wonach die überlange Verfahrensdauer, insbesondere die Überschreitung der Frist für die Urteilsausfertigung, nicht zur Nichtigkeit führen kann, und OGH 3.11.1987, 11 Os 11/87, wonach derartige Verstöße nur im Rahmen der Strafzumessung als Milderungsgrund berücksichtigt werden müßten; Urteil des Schweizerischen Kassationshofes vom 7.6.1991, Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen K (Nichtigkeitsbeschwerde), BGE 117 IV 124, sowie vom 19.3.1993, S gegen die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde), BGE 119 IV 107).
Der Beschwerdeführer ist dadurch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung in angemessener Frist verletzt worden.
1.5. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des EGMR zu verweisen, nach der Verfahrensverzögerungen, die auf eine länger andauernde Belastung einzelner Gerichte zurückzuführen sind, als ein struktureller Mangel der Gerichtsorganisation zu qualifizieren sind, der jedoch nicht als Rechtfertigungsgrund für Verfahrensverzögerungen gelten kann (EGMR 13.7.1983, Zimmermann und Steiner, EuGRZ 1983, 482; 29.5.1986, Deumeland, EuGRZ 1988, 20; 29.3.1989, Bock, A/150; 24.10.1989, H gg. Frankreich, EuGRZ 1987, 301); demgemäß obliegt es dem Gesetzgeber - wie dies auch der Verwaltungsgerichtshof seit Jahren einfordert -, entsprechende Abhilfemaßnahmen zu treffen (vgl. zuletzt den Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2000).
1.6. Aus diesen Erwägungen war - da im Verfahren auch nicht hervorkam, daß eine rechtswidrige generelle Norm angewendet worden wäre - auf das übrige Beschwerdevorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht weiter einzugehen und der angefochtene Bescheid in seinem Strafausspruch und seinem Kostenausspruch aufzuheben.
Im übrigen war, da keine weiteren verfassungsrechtlichen Probleme behauptet wurden noch sonst hervorgekommen sind, die Beschwerde abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Sie beruht auf dem Umstand, daß die Beschwerde nur teilweise erfolgreich war (vgl. VfSlg. 14492/1996, VfGH 28.11.1997, B480/97). Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in Höhe von S 2.250,-
(€ 163,51) enthalten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Bescheid Trennbarkeit, Strafrecht, Strafbemessung, Straßenpolizei, Alkoholisierung, Verwaltungsstrafrecht, VfGH / Kosten, Verfahrensdauer überlangeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B4.2001Dokumentnummer
JFT_09988795_01B00004_00