TE OGH 1992/6/16 10ObS145/92

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Veröffentlicht am 16.06.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann und Robert Letz (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Dr.***** I***** V*****, vertreten durch Dr. Karl Zerner, Dr. Heinrich Vana und Dr. Christine Kolbitsch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (Landesstelle Wien), Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vertreten durch Dr. Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Alterspension (Pensionshöhe) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.Februar 1992, GZ 32 Rs 15/92-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14.März 1991, GZ 9 Cgs 512/88-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 17.8.1927 geborene Klägerin absolvierte nach dem Besuch der Mittelschule das Architekturstudium an der technischen Universität in Wien und übte seit 5.1.1957 den Beruf eines Architekten selbständig aus. Seit 23.1.1967 war ihre Tätigkeit vorwiegend technischer Natur. Die beklagte Partei hat in dieser Zeit die Beitragszahlungen der Klägerin unbeanstandet entgegengenommen und mit Bescheid vom 8.8.1984 wurde festgestellt, daß eine Formalversicherung vorlag. Ein Antrag auf Höherversicherung wurde von der Klägerin nicht gestellt. Diese ging aufgrund einer mündlichen Auskunft einer Angestellten der beklagten Partei davon aus, daß die bloße Zahlung von Beiträgen auf der Basis der Höchstbeitragsgrundlage eine Höherversicherung bewirke. Sie zahlte die der Höchstbeitragsgrundlage entsprechenden Beiträge regelmäßig ein, teilweise, weil sie über entsprechendes Einkommen verfügte, teilweise, weil die beklagte Partei gemäß § 27 Abs 4 GSVG (Nichtvorlage der für die Beitragsbemessung erforderlichen Unterlagen) Beiträge in dieser Höhe vorschrieb. Die Einkommenssteuerbescheide wurden für alle Jahre mit Ausnahme der Jahre 1964 bis 1969, teilweise jedoch mit jahrelanger Verspätung vorgelegt.

Mit Bescheid vom 19.4.1988 erkannte die beklagte Partei der Klägerin eine monatliche Pensionsleistung von 8.624,40 S zu. Dabei legte sie der Pensionsberechnung die sich aufgrund der vorgelegten Einkommensteuerbescheide ergebenden Beitragsgrundlagen und den Erwerb von 461 Versicherungsmonaten zugrunde.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zuerkennung einer höheren Pensionsleistung. Die von der beklagten Partei nicht berücksichtigten Monate Oktober 1948 bis Jänner 1949 seien weitere Ersatzmonate und bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage sei von den tatsächlich geleisteten Beiträgen auf der Basis der Höchstbeitragsgrundlage auszugehen.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei mit Urteil vom 4.12.1989 im ersten Rechtsgang, der Klägerin eine Alterspension in der gesetzlichen Höhe ab dem Stichtag zu leisten, und zwar (Punkt 1) unter Anrechnung der Monate Oktober, November und Dezember 1948 und Jänner 1949 als weitere Ersatzzeiten und (Punkt 2) unter Zugrundelegung der von der Klägerin tatsächlich einbezahlten Höchstbeiträge. Punkt 1. dieser Entscheidung blieb unangefochten. Über Berufung der beklagten Partei gab das Berufungsgericht der gegen Punkt 2 dieses Urteils gerichteten Berufung der beklagten Partei Folge, hob die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Mit Urteil vom 14.3.1991 verpflichtete das Erstgericht nunmehr die beklagte Partei im zweiten Rechtsgang, der Pensionsberechnung für die Alterspension der Klägerin zum Stichtag 1.9.1987 folgende Beitragsgrundlagen aufgewertet mit den gesetzlichen Aufwertungsfaktoren zugrundezulegen, und zwar

Beitragsjahr   für Monate  Beitragsgrundlage

1984                    5                        106.549

1983                    12                     124.526

1982                    12                     104.597

1981                    12                      96.238

1980                    12                     119.532

1979                    12                     174.346

1978                    12                     217.799

1977                    12                     101.987

1976                    12                     124.218

1975                    12                      72.598

1974                     7                     145.875

(Punkt 1) des Spruches, und verpflichtet die beklagte Partei weiter, der Klägerin für die Jahre, in denen sie höhere Beiträge, als ihrer Beitragsgrundlage entsprach, eingezahlt habe, für die jeweils entsprechenden Differenzen besondere Steigerungsbeträge als Beiträge zur Höherversicherung zu gewähren. Gemäß § 27 Abs 4 GSVG habe ein Versicherter, der seiner Auskunftspflicht gemäß § 22 GSVG nicht rechtzeitig nachkomme, unbeschadet der Bestimmung des Abs 5 einen von der Höchstbemessungsgrundlage zu bemessenden Beitrag zu leisten; solange ein rechtzeitiger Einkommensteuerbescheid nicht vorliege, sei die Beitragsgrundlage vorläufig aufgrund der Beitragsgrundlage des vergangenen Kalenderjahres zu bemessen. Gemäß § 27 Abs.5 GSVG ändere sich bei nachträglicher Erfüllung der Auskunftspflicht gemäß § 22 der Beitrag gemäß Abs 4 auf jenen Betrag, der bei rechtzeitiger Erfüllung der Auskunftspflicht bzw bei Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides zu leisten gewesen wäre. Gemäß § 127 Abs 3 Z 1 lit a GSVG seien für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage die Beitragsgrundlagen gemäß § 25 GSVG heranzuziehen. Dabei handle es sich um die durchschnittlichen Einkünfte aus versicherungspflichtiger Tätigkeit, die für die Bemessung der Einkommensteuer herangezogen würden. Die beklagte Partei habe dies bei der Klägerin auch durchgeführt und grundsätzlich die Pension der Klägerin richtig berechnet. Die Klägerin habe aber in der rechtsirrigen Meinung, schon durch Zahlung des Höchstbeitrages eine höhere Pension erzielen zu können, mit geringfügigen Ausnahmen stets die Höchstbeitragsgrundlage eingezahlt. Dies stelle schlüssig einen Antrag zur Höherversicherung dar. Wohl könnten sich die Beitragsgrundlagen, die zur Pensionsberechnung der Klägerin führten, mangels eines höheren Einkommens nicht mehr ändern, auch wenn die Klägerin höhere als die entsprechenden Beiträge gezahlt habe, aber durch die Überzahlung sei von der Klägerin ein Beitrag zur Höherversicherung geleistet worden und hiefür sei ein besonderer Steigerungsbetrag zur Alterspension zu gewähren.

                  Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte Punkt 2 des Ersturteils dahin ab, daß es ein Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin für die Jahre, in denen sie höhere Beiträge als ihrer Beitragsgrundlage entsprach, eingezahlt habe, besondere Steigerungsbeiträge als Beiträge zur Höherversicherung zu gewähren, abwies. Abgesehen davon, daß schon der Umstand, daß die beklagte Partei der Klägerin anläßlich der Aufforderung zur Vorlage der Einkommensnachweise ausdrücklich mitgeteilt habe, daß die Entrichtung höherer als der der Beitragsgrundlage laut Einkommensteuerbescheid entsprechenden Beiträge keine Höherversicherung bewirke, könne gemäß § 13 Abs 2 GSVG eine schlüssige Höherversicherung überhaupt nicht eintreten. Die über die Beitragsgrundlage aufgrund der Einkommensteuerbescheide hinausgehenden höheren Beiträge könnten daher nicht als Beiträge zur Höherversicherung qualifiziert werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; hilfsweise wird der Antrag gestellt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat festgestellt, daß zumindest teilweise die Vorschreibung von Beiträgen auf der Grundlage der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 27 Abs 4 GSVG erfolgt sei, soweit die Klägerin die Einkommensnachweise nicht vorgelegt habe. Diese entspricht auch dem von der Klägerin nicht bestrittenen Vorbringen der beklagten Partei in ON 5, daß die Einkommensteuerbescheide teilweise mit jahrelanger Verspätung vorgelegt worden seien; auch die Klägerin hat dies in ihrer Aussage im wesentlichen bestätigt, wo sie ausführte, daß sie die Einkommensteuerbescheide nicht von sich aus vorgelegt habe. Im übrigen kommt dieser Frage keine entscheidende Bedeutung zu.

Ein Unterbrechungsgrund liegt nicht vor. Gemäß § 74 Abs 1 ASGG ist dann, wenn in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 1 oder 6 bis 8 die Versicherungspflicht, die Versicherungsberechtigung, der Beginn oder das Ende der Versicherung (§ 355 Z 1 ASVG), die maßgebende Beitragsgrundlage oder die Angehörigeneigenschaft (§ 410 Abs.1 Z 7 ASVG) als Vorfrage strittig ist, das Verfahren zu unterbrechen, bis über die Vorfrage als Hauptfrage im Verwaltungsverfahren rechtskräftig entschieden worden ist... Die maßgebende Beitragsgrundlage in diesem Sinne ist jene Größe, die für die Höhe der Beiträge bzw die Bemessung der Leistung maßgeblich ist (Bericht des Justizausschusses zitiert bei Feitzinger-Tades, ASVG, Anm 2 zu § 74 ASGG). Gemäß § 127 Abs 1 GSVG ist die Bemessungsgrundlage gemäß den §§ 122, 122 a und 123 aus den Beitragsgrundlagen der Versicherungsmonate, welche die Bemessungszeit bilden (§ 122 Abs 3, § 122 a Abs 4 und § 123 Abs 2 Z 2) zu ermitteln. Gemäß § 127 Abs 2 GSVG hat eine Höherversicherung bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage außer Betracht zu bleiben. Die Höhe der Beitragsgrundlagen, die für die Bemessungsgrundlage der Pensionsleistung gemäß § 127 GSVG heranzuziehen sind, ist nicht mehr strittig. Der diesbezügliche Teil des Ersturteiles blieb nämlich in der vom Berufungsgericht berichtigten Form unangefochten. Gemäß § 141 Abs 1 GSVG ist für Beiträge zur Höherversicherung, die für Versicherungszeiten geleistet wurden oder gemäß § 142 als geleistet gelten, ein besonderer Steigerungsbetrag zur Alters-(Erwerbsunfähigkeits-)Pension zu gewähren. Die Klägerin vertritt den Standpunkt, daß die von ihr geleisteten Beiträge, soweit sie die für die Bildung der Bemessungsgrundlage nach § 127 GSVG heranzuziehenden Beitragsgrundlagen übersteigen, als Beiträge zur Höherversicherung in Anschlag zu bringen seien. Ob auch die Frage, in welchem Umfang zur Höherversicherung geleistete Beiträge für die Berechnung der besonderen Steigerungsbeträge gemäß § 141 GSVG heranzuziehen sind, eine Frage der Beitragsgrundlage im Sinn des § 74 Abs 1 ASGG ist, kann unerörtert bleiben. In welchem Umfang solche Beiträge der Ermittlung der Steigerungsbeträge zugrundezulegen sind, wäre nämlich erst zu prüfen, wenn feststeht, daß eine Höherversicherung überhaupt vorliegt. Nur in diesem Fall könnte eine Vorfrage im Sinn des § 74 Abs 1 ASGG vorliegen. Ist die Voraussetzung für die Höherversicherung gemäß § 13 GSVG jedoch nicht erfüllt, so ist das Verfahren nicht zu unterbrechen, weil sich die Frage, in welcher Höhe Beiträge bei Ermittlung des besonderen Steigerungsbetrages zugrundezulegen sind, in diesem Fall nicht stellt. Ob das Erstgericht die der Pensionsberechnung zugrundezulegenden Beitragsgrundlagen urteilsmäßig feststellen durfte, kann unerörtert bleiben, weil dieser Teil der Entscheidung unangefochten blieb und daher in Rechtskraft erwachsen ist. Die Berufung der beklagten Partei richtete sich ausdrücklich nur gegen Punkt 2 des Urteilsspruches, mit dem die beklagte Partei verpflichtet wurde, der Klägerin für die Jahre, in denen sie höhere Beiträge, als ihrer Beitagsgrundlage entsprochen hätte, eingezahlt hat, für diese Mehrbeträge besondere Steigerungsbeträge als Beiträge zur Höherversicherung zu gewähren. Eine Korrektur von Punkt 1 des Urteilsspruches erfolgte lediglich im Rahmen des Berichtigungsantrages; Punkt 1 des Spruches des Erstgerichtes ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Das Berufungsgericht ist zutreffend zum Ergebnis gelangt, daß eine wirksame Höherversicherung nicht zustandegekommen ist. Aus dem Zusammenhang der Bestimmungen der §§ 13, 33 Abs 7 und 235 GSVG bzw für die Zeit vor Inkrafttreten des GSVG der Bestimmungen der §§ 6 und 26 Abs 7 und 8 GSPVG ergibt sich ganz eindeutig, daß es zur "erstmaligen Aufnahme" der Höherversicherung gemäß § 13 GSVG eines auf Höherversicherung gerichteten Willensaktes des Versicherten bedarf, der in einer diesbezüglichen Parteihandlung zum Ausdruck kommen muß. Wenn sich durch Überzahlungen - etwa auch durch Zahlung von Beiträgen auf der Basis der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 27 Abs 4 GSVG, die sodann nach Vorlage der Einkommensteuerbescheide auf den Betrag ermäßigt werden, der auf der Grundlage des einkommensteuerpflichtigen Einkommens zu leisten ist - auf dem Beitragskonto des Versicherten ein Guthaben befindet, muß eine den Regeln des § 13 GSVG (bzw früher § 26 GSPVG) entsprechende Widmung des Betrages für die Höherversicherung gemäß § 13 GSVG (bzw früher § 6 GSPVG) erfolgen; erst durch diese Anweisung über die Verwendung eines bestimmten eingezahlten Betrages kommt begrifflich eine Zahlung für die Höherversicherung im Sinn des § 13 Abs 2 GSVG (§ 6 Abs 2 GSPVG) zustande (VwGH vom 29.3.1984, 83/08/0240 mwN). Fest steht, daß die Klägerin eine Erklärung in diesem Sinn nicht abgegeben hat und solches wurde im Verfahren nicht einmal behauptet. Eine Höherversicherung ist daher nicht zustandegekommen, sodaß das noch aufrechte Begehren der Klägerin nicht zu Recht besteht. Eine Unterbrechung des Verfahrens erwies sich schon deshalb nicht als erforderlich, weil feststeht, daß eine Höherversicherung nicht zustandekam und sich daher die Frage der für besondere Steigerungsbeträge zu berücksichtigenden Beiträge nicht stellt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich solche Gründe aus dem Akt.

Textnummer

E30556

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00145.920.0616.000

Im RIS seit

10.01.1995

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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