TE OGH 1992/6/16 10ObS114/92

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Veröffentlicht am 16.06.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Robert Letz (AG) und Alfred Klair (AN) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei F***** M*****, vertreten durch Dr.Viktor Igali-Igalffy, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1090 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Jänner 1992, GZ 31 Rs 196/91-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29.Mai 1991, GZ 3 Cgs 58/90-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Weder Aktenwidrigkeiten noch Verfahrensmängel liegen vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es hierauf zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Die Regelungen betreffend die Rehabilitation, auf die § 255 Abs 5 ASVG verweist, finden sich im VI Abschnitt des IV Teiles des ASVG. Gemäß § 300 Abs 1 ASVG treffen die Pensionsversicherungsträger Vorsorge für die Rehabilitation von Versicherten und Beziehern einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit, ausgenommen einer Knappschaftspension, die an einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung leiden. Die Rehabilitation umfaßt medizinische und berufliche Maßnahmen und, soweit dies zu ihrer Ergänzung erforderlich ist, soziale Maßnahmen mit dem Ziel, Behinderte bis zu einem Grad ihrer Leistungsfähigkeit herzustellen oder wiederherzustellen, der sie in die Lage versetzt, im beruflichen und wirtschaftlichen Leben und in der Gemeinschaft einen ihnen angemessenen Platz möglichst dauernd einnehmen zu können (§ 300 Abs 3 ASVG). Im weiteren werden nähere Bestimmungen über die einzelnen Rehabilitationsmaßnahmen getroffen. Dafür, daß dem Kläger Rehabilitationsmaßnahmen in diesem Sinne gewährt wurden, besteht keinerlei Anhaltspunkt. Der Kläger selbst hat die entsprechende Frage im Formblatt anläßlich seiner Antragstellung (auch bei der Antragstellung im Vorverfahren) verneint. Aus dem Pensionsakt ergibt sich kein Hinweis auf die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen. Im Verfahren erster Instanz wurde ein entsprechendes Vorbringen nicht erstattet und die diesbezüglichen Ausführungen der Berufung beschränkten sich auf die Behauptung, vom Arbeitsamt für Rehabilitation seien Vermittlungsversuche vorgenommen worden. Die Vorinstanzen hatten daher keinen Anlaß, das Begehren des Klägers unter dem Gesichtspunkt des § 255 Abs 5 ASVG zu prüfen. Auch in der Revision wird im übrigen nur pauschal behauptet, es seien Rehabilitationsmaßnahmen gesetzt worden und dazu auf den Pensionsakt verwiesen, aus dem sich dazu jedoch nichts ergibt. Ein konkretes Vorbringen bezüglich der Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen wurde vom Kläger nie erstattet.

Auch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme eines Berufsschutzes des Klägers haben die Vorinstanzen zutreffend verneint. Die Ausbildungsvorschriften für den neu geschaffenen Lehrberuf des Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigers wurden mit Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30.10.1989 und damit zu einem Zeitpunkt erlassen, in dem der Kläger nicht mehr in Beschäftigung stand. Eine Erlernung dieses Berufes kann daher nicht in Frage kommen und wurde auch nicht behauptet. Es trifft zwar zu, daß Berufsschutz als angelernter Arbeiter auch für die Zeit vor Erlassung entsprechender Ausbildungsvorschriften erworben werden kann (SSV-NF 4/80 für den Beruf des Kraftfahrers), doch müssen in diesem Fall alle Voraussetzungen des § 255 Abs 2 ASVG vorliegen. Ein angelernter Beruf im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten müssen nicht die eines bestimmten geregelten Lehrberufes sein, allerdings den in einem Lehrberuf erworbenen besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten an Umfang und Qualität entsprechen. Wohl ist nicht der Nachweis des Vorliegens aller Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich, die nach den Ausbildungsvorschriften zum Berufsbild eines Lehrberufes zählen und daher einem Lehrling während der Lehrzeit zu vermitteln sind. Es kommt vielmehr darauf an, daß ein angelernter Arbeiter über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des jeweiligen Berufes in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten (Berufsgruppe) unter Berücksichtigung einer betriebsüblichen Einschulungszeit verlangt werden. Hingegen reicht es nicht aus, wenn sich die Kenntnisse und Fähigkeiten auf ein oder mehrere Teilgebiete eines Berufes erstrecken, der von ausgelernten Facharbeitern allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht wird (SSV-NF 4/80 mwH). Die Kenntnisse und Fähigkeiten für einen angelernten Beruf können für den Fall des Klägers an den durch Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten erlassenen Ausbildungsvorschriften für den neu geschaffenen Beruf des Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigers gemessen werden. Dabei gehört die Feststellung der Kenntnisse und Fähigkeiten, über die der Versicherte verfügt, zur Tatfrage, die Beurteilung, ob er in einem angelernten Beruf tätig war, zur rechtlichen Beurteilung (SSV-NF 4/80 mwH).

Aus den Feststellungen ergibt sich, daß der Kläger wohl Teiltätigkeiten des fraglichen Berufes ausgeübt hat, aber keineswegs über alle Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die dem fraglichen Berufsbild entsprechen. Er hat wohl Reinigungsarbeiten verschiedener Art durchgeführt, war jedoch nicht mit der Auswahl der verwendeten Reinigungsmittel befaßt; diese wurden ihm jeweils vom Unternehmen zur Verfügung gestellt. Er hat keine Praxis im Materialeinkauf, in der Kalkulation und der Erstellung von Kostenvoranschlägen. Er hat keine Erfahrung mit der speziellen Reinigung und dem Desinfizieren von Heil- und Pflegeanstalten und Krankenhäusern, mit der Spezialreinigung von Anlagen der Schwachstromtechnik (insbesondere EDV-Anlagen), der Denkmalreinigung unter Anwendung von Kenntnissen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie mit der Reinigung von Maschinen und Produktions- und Serviceanlagen. Es handelt sich dabei aber um wesentliche Teilgebiete, die einen integrierenden Bestandteil des Lehrberufes des Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigers ausmachen. Dem Kläger mangeln daher wesentliche Kenntnisse und Fähigkeiten dieses Lehrberufes. Daraus, daß allenfalls im Laufe der Zeit die Anforderungen in diesem Beruf gewachsen sind und in der Zeit, als der Kläger in diese Tätigkeit eingeschult wurde und während der Zeit, in der er in diesem Beruf tätig war, verschiedene Tätigkeiten, die heute Gegenstand der Ausbildungsvorschriften sind, von den einschlägig Beschäftigten nicht verrichtet wurden, ist für den Standpunkt des Klägers nichts gewonnen. Waren die Anforderungen in früherer Zeit geringer, dann reichten die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die Ausübung des Berufes erforderlich waren, nicht an die Kenntnisse und Fähigkeiten heran, die für die Ausübung eines Lehrberufes erforderlich sind. Eine Prüfung der Frage, wie sich die Anforderungen in dem Beruf, den der Kläger ausübte, im Laufe der Zeit entwickelten, war daher entbehrlich. Die Vorinstanzen sind zu Recht zum Ergebnis gekommen, daß dem Kläger, der nur einzelne Teiltätigkeiten des nunmehrigen Lehrberufes eines Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigers verrichtete, kein Berufsschutz zukommt. Daß der Kläger im Rahmen des § 255 Abs 3 ASVG auf den Arbeitsmarkt verweisbar ist, wird in der Revision nicht bezweifelt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen würden, wurden weder geltend gemacht, noch ergeben sich solche Gründe aus dem Akteninhalt.

Anmerkung

E28974

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00114.92.0616.000

Dokumentnummer

JJT_19920616_OGH0002_010OBS00114_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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