TE Vwgh Erkenntnis 2006/1/27 2003/04/0130

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Veröffentlicht am 27.01.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §52;
GewO 1994 §353;
GewO 1994 §74 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §74 Abs3;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77 Abs2;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §1;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1. des J, 2. des K, 3. des F, 4. der M, 5. des A, 6. des FG, 7. des MG,

8.

der E, 9. des D, 10. der ME, 11. des Dipl. Ing. H, 12. des R,

13.

der HT, 14. des JT, 15. des B und 16. des K, alle in B und alle vertreten durch Dr. Klaus Dengg, Mag. Stefan Geisler und Mag. Markus Gredler, Rechtsanwälte in 6280 Zell am Ziller, Talstraße 4A, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. Juni 2003, U-3896-C/24, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: W GmbH in M, vertreten durch Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Müllerstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. Juni 2003 wurde der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Grünschnittkompostieranlage und einer Altholzaufbereitungsanlage an einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung von näher bezeichneten Auflagen erteilt.

Auflage A 5. (Auflagen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen) lautet wie folgt:

"Sollte durch länger andauernde Trockenheit eine erhöhte Staubemission gegeben sein, ist durch eine Berieselungsanlage dafür Sorge zu tragen, dass die Staubentwicklungen bzw. Staubemissionen in Grenzen gehalten werden."

Auflage C (Auflagen der Amtsärztin) lautet wie folgt:

"1. Eine Mittagspause von 12:00 bis 13:00 Uhr ist streng einzuhalten, die Zerkleinerungsarbeiten dürfen nur an Werktagen (Montag bis Freitag) in der Zeit zwischen 08:00 und 12:00 Uhr, sowie zwischen 13:00 und 17:00 Uhr für die Dauer von maximal 5 Stunden durchgeführt werden.

2. Eine Besprenkelung zur Minimierung der

Staubbelastung bei längerer Trockenheit hat zu erfolgen."

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, auf Grund des Berufungsvorbringens der Beschwerdeführer sei zu den zu erwartenden Lärmbelästigungen durch die Betriebsanlage ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Die mitbeteiligte Partei habe angegeben, dass das Trommelsieb im Jahre 2001 6,5 Stunden, im Jahre 2003 6 Stunden und im Jahre 2002 überhaupt nicht in Betrieb genommen worden sei. Das ergänzend eingeholte lärmtechnische Gutachten habe im Wesentlichen ausgeführt, es sei auf Grund des vorhandenen und beantragten Fahrzeugparks und der beantragten Betriebsfläche fast unmöglich, alle einzelnen Arbeitsvorgänge (Anlieferung und Abladen, Befeuchten der Mieten, Wenden der Mieten, Shreddern, Abtransport des verrotteten Materials bzw. zerkleinerten Holzes) gleichzeitig durchzuführen. Der Beurteilungspegel aller dieser Arbeiten würde mit 65 dB deutlich über der Zumutbarkeitsgrenze liegen und mehr als doppelt so laut sein als der durch Umgebungsgeräusche verursachte energieäquivalente Dauerschallpegel. Da nur einmal im Monat für ca. 5 Stunden Arbeitsvorgänge geplant seien, bei denen der Beurteilungspegel über die Zumutbarkeitsgrenze hinausgehe und die restlichen Arbeitsvorgänge (Anlieferung, Befeuchten der Mieten, Wenden der Mieten, Abtransport) innerhalb der Zumutbarkeit lägen, sei eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn auszuschließen. Das ergänzend eingeholte medizinische Gutachten habe im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zumutbarkeitsgrenze von 55 dB durch die Inbetriebnahme des Shredders mit einem Beurteilungspegel von 64 dB deutlich überschritten werde. Dieses Störgeräusch des Shredders werde mehr als doppelt so laut empfunden wie das Umgebungsgeräusch. Träfen im ungünstigsten Falle alle möglichen Immissionen zusammen, ergäbe sich ein Beurteilungspegel von 65 dB. Dies sei jedoch nach den Ausführungen des lärmtechnischen Gutachtens auf Grund des vorhandenen und beantragten Fahrzeugparks und der beantragten Betriebsfläche fast unmöglich. Auf Grund der zeitlichen Limitierung der Arbeiten auf dem Betriebsgelände könne aus medizinischer Sicht festgestellt werden, dass durch die Lärmimmissionen beim Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage nicht dieselben Maßstäbe angesetzt werden könnten wie bei täglichem Einwirken einer Schallemission. Bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen sei daher nicht von einer erheblichen Belästigung der Nachbarn auszugehen. Gegen die Gutachten hätten die Beschwerdeführer eingewendet, dass ein in der Projektbeschreibung enthaltenes Trommelsieb bei den Berechnungen der lärmtechnischen Untersuchungen nicht berücksichtigt worden sei. Diese Behauptung sei grundsätzlich richtig; jedoch sei das Trommelsieb durch die mitbeteiligte Partei seit Jänner 2001 lediglich 12,5 Stunden in Betrieb genommen worden, weshalb eine Berücksichtigung dieses Trommelsiebes kaum Auswirkungen auf die gutachterliche Beurteilung der Lärmimmissionen gehabt hätte. Auf Grund der geringen Betriebszeiten dieses Trommelsiebes von durchschnittlich vier Stunden pro Jahr könne nicht von einer permanenten Einwirkung des Lärms gesprochen und daher - wie im medizinischen Gutachten ausgeführt - auch nicht von einer erheblichen Belästigung ausgegangen werden. Aus den eingeholten Gutachten lasse sich entnehmen, dass durch den Lärm keinerlei erhebliche Belästigung der Nachbarn zu erwarten sei.

Im Hinblick auf Lärmbelästigungen durch die Zu- und Abfahrt zur Anlage sei festzuhalten, dass die Zufahrt zur Betriebsanlage auf einer öffentlichen Straße erfolge, sodass der dadurch entstehende Verkehrslärm nicht zu berücksichtigen und somit auch nicht gutachterlich zu beurteilen gewesen sei.

Zum Vorwurf der Beschwerdeführer, im Projekt seien keinerlei Mengenangaben betreffend den anfallenden Baum-, Strauch- und Grasschnitt enthalten, sodass es zweifelhaft sei, ob dieser in den angeführten Betriebszeiten verarbeitet werden könne, sei festzustellen, dass es als ausreichend erachtet werde, wenn im Projekt auf sämtliche in einer Region anfallenden Abfälle abgestellt werde. Die Betriebszeiten seien auf Grund der eingeholten Gutachten zum Schutz der Nachbarn festgelegt worden.

Soweit in der Berufung bemängelt werde, aus Auflage C 1. ergebe sich nicht, auf welchen Zeitraum sich die Maximalarbeitszeit des Shredders beziehe, sei darauf hinzuweisen, dass aus dem Projekt hervorgehe, dass der Shredder einmal pro Monat in Betrieb genommen werde und sich die zeitlichen Beschränkungen daher auf den Zeitraum von einem Monat bezögen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in den ihnen nach der Gewerbeordnung 1994 zukommenden Nachbarrechten verletzt.

Sie bringen im Wesentlichen vor, das lärmtechnische Gutachten sei für den Vollbetrieb der Anlage nicht repräsentativ, zumal die mitbeteiligte Partei während der Lärmmessungen um einen möglichst vorsichtigen Einsatz der Maschinen und sonstigen Betriebsmittel bemüht gewesen sei. Die Beschwerdeführer verfügten hinsichtlich des tatsächlichen Ausmaßes der Emissionen über einen Vergleichsmaßstab, da die mitbeteiligte Partei die Betriebsanlage bereits rechtswidrig in Betrieb genommen habe. Der lärmtechnische Sachverständige habe einen Summen-Beurteilungspegel für alle auf dem Betriebsareal auftretenden Emissionen von 65 dB ermittelt, der sich ergebe, wenn gleichzeitig alle beantragten Tätigkeiten vorgenommen würden. Da eine gleichzeitige Ausübung dieser Tätigkeiten in der Praxis nicht auszuschließen sei, sei dieser Wert realistisch. Die Frage der Zumutbarkeit wäre von der belangten Behörde daher anhand dieses Beurteilungspegels zu beantworten gewesen. Nach dem medizinischen Sachverständigengutachten werde bei einem Störgeräusch von 64 bzw. 65 dB die Zumutbarkeitsgrenze erheblich überschritten. Dagegen sei das lärmtechnische Sachverständigengutachten von einer isolierten und nicht von einer kumulierten Betrachtung und Bewertung der Emissionsträchtigkeit der in der Betriebsanlage eingesetzten Geräte ausgegangen. Dabei sei das durch den Shredder verursachte Störgeräusch - auch isoliert betrachtet - als erheblich einzustufen und bei regelmäßigem Auftreten geeignet, zu einer erheblichen Belästigung der Beschwerdeführer zu führen. Die Behörde hätte von der für die Beschwerdeführer ungünstigsten Situation ausgehen müssen. Dabei müsse es fast zwangsläufig zu einer erheblichen Belastung der Beschwerdeführer kommen, da ein unlösbarer Widerspruch zwischen den in der Betriebsanlage anfallenden Mengen und deren Verarbeitungskapazität bestehe. In der Betriebsanlage sollten nach den Projektsunterlagen der gesamte Baum-, Strauch- und Grasschnitt, sämtliche Bioabfälle und Holzkisten, die in den Gemeinden der Region anfielen, behandelt werden. Dies erfordere aber den häufigen, regelmäßigen Einsatz des Shredders, da sich ansonsten diese Abfallmengen unmöglich verarbeiten ließen. Schließlich stünden die Angaben in der Projektsbeschreibung, wonach ein näher bezeichneter Hochleistungs-Shredder verwendet würde, in Widerspruch zu dem bei der Lärmmessung eingesetzten näher bezeichneten Gerät. Da für dieses Gerät sowie für das einzusetzende Trommelsieb keine ausreichenden schalltechnischen Emissionsdaten vorgelegt worden seien, sei das Projekt mangels Prüfbarkeit der Emissionen nicht genehmigungsfähig. Dazu komme, dass das in der Projektbeschreibung enthaltene Trommelsieb im lärmtechnischen Gutachten nicht berücksichtigt worden sei. Es sei auch unrichtig, dass aus dem Projekt hervorgehe, dass der Shredder einmal pro Monat in Betrieb genommen werde und sich die zeitlichen Beschränkungen des Genehmigungsbescheids daher auf den Zeitraum von einem Monat bezögen. Vielmehr finde sich die im Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen geforderte Einschränkung, wonach die besonders emissionsträchtigen Shredderarbeiten nur einmal im Monat für fünf Stunden auf der beantragten Betriebsanlage durchgeführt würden, im bekämpften Bescheid nicht.

Die Anlieferung des zu verarbeitenden organischen Materials werde durch die mitbeteiligte Partei selbst vorgenommen, sodass der Zufahrtslärm nicht nur im Ein- und Ausfahrtsbereich, sondern auch darüber hinaus im engeren Umkreis der Betriebsanlage in gewerberechtlicher Hinsicht relevant sei.

Das medizinische Gutachten gehe unzulässigerweise von einem einheitlichen Maßstab der Emissionsbelastung aus, ohne - wie gemäß § 77 Abs. 2 GewO 1994 gefordert - zwischen den Auswirkungen auf Kinder und jenen auf Erwachsene zu differenzieren.

Hinsichtlich der durch die Beschwerdeführer eingewendeten, unzumutbaren Geruchs- und Staubbelästigung seien überhaupt keine Beweise aufgenommen worden. Erfahrungsgemäß sei die Verarbeitung von Baum-, Strauch- und Grasschnitt sowie von Altholz regelmäßig mit einer erheblichen Entwicklung von Stäuben verbunden. Insbesondere sei beantragt worden, entsprechende Gutachten während der Vegetationszeit (und nicht wie vorliegend während der Wintermonate) zu erstellen, zumal die Staub- und Geruchsemissionen gerade während der heißen Sommermonate besonders belastend seien.

Die Auflage C 2., wonach eine Besprenkelung zur Minimierung der Staubbelastung "bei längerer Trockenheit" zu erfolgen habe, sei als Grundlage für einen wirksamen Schutz der Beschwerdeführer vor solchen Belästigungen zu unbestimmt. Insbesondere sei völlig unklar, wann vom Vorliegen einer "längeren" Trockenheit auszugehen sei.

Ein Teil der Beschwerdeführer vermiete Zimmer oder Ferienwohnungen auf ihren Liegenschaften. Durch die geplante Betriebsanlage werde sowohl die Qualität der Luft als auch die vorhandene Ruhe in einer Weise beeinträchtigt, welche die Verwertbarkeit bzw. Nutzung der Liegenschaften für den Fremdenverkehr zum Zwecke der Gästebeherbergung ausschließe. Es sei zu befürchten, dass es zu massiven Umsatzeinbußen durch einen Rückgang der Nächtigungszahlen komme. Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung sei überhaupt nicht auf das spezielle Geräuschempfinden der Ruhe und Erholung suchenden Feriengäste eingegangen worden.

2. Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst (u. a.) geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des

Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub,

Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.

Gemäß § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 zumutbar sind, ist gemäß § 77 Abs. 2 GewO 1994 danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

3. Soweit die Beschwerdeführer zunächst eine Gefährdung ihres Eigentums geltend machen, sind sie darauf hinzuweisen, dass eine Gefährdung dinglicher Rechte iSd § 74 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 nur dann besteht, wenn diese in ihrer Substanz bedroht werden, indem ihre bestimmungsmäßige Nutzung auf Dauer unmöglich gemacht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2002/04/0019, mwN). Mit dem Vorbringen, durch die geplante Betriebsanlage werde die Nutzung bzw. Verwertbarkeit der Liegenschaften für den Fremdenverkehr zum Zwecke der Gästebeherbergung ausgeschlossen, können die Beschwerdeführer eine solche Gefährdung nicht dartun, zumal die bloße Minderung der Vermietbarkeit keine Eigentumsgefährdung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1989, Zl. 89/04/0070).

4. Die Beschwerdeführer bringen weiters vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht den bei der Anlieferung im engeren Umkreis der Betriebsanlage entstehenden Lärm nicht berücksichtigt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zwischen Betriebsanlagen im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 und Straßen mit öffentlichen Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO zu unterscheiden. Dies schließt - sofern es sich nicht um ein Verhalten von Kunden handelt, das gemäß § 74 Abs. 3 GewO 1994 der Betriebsanlage nur dann zuzurechnen ist, wenn es in der Betriebsanlage stattfindet - zwar nicht aus, dass die Eignung einer örtlich gebundenen Einrichtung, die Nachbarn zu belästigen, in Vorgängen liegen kann, die sich zwar außerhalb, aber im engeren örtlichen Bereich der Betriebsanlagen abspielen. Solche Vorgänge sind aber gegenüber dem Verkehr auf öffentlichen Straßen in der Weise abzugrenzen, dass zwar das wesentlich zum Betriebsgeschehen in einer Betriebsanlage gehörende Zufahren zu dieser und das Wegfahren von dieser, nicht jedoch das bloße Vorbeifahren auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr dem einer Betriebsanlage zugehörenden Geschehen zuzurechnen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2001/04/0204, mwN).

Es ist jedoch nicht maßgeblich, ob - wie in der Beschwerde behauptet - die Anlieferung durch die mitbeteiligte Partei erfolgt; inwieweit ein wesentlich zum Betriebsgeschehen in der gegenständlichen Betriebsanlage gehörendes Zufahren zu dieser und Wegfahren von dieser die Beschwerdeführer in ihren geltend gemachten Rechten beeinträchtige, wird in der Beschwerde nicht dargetan.

5. Die Beschwerde behauptet weiters, die belangte Behörde habe bei der Beurteilung der von der Betriebsanlage ausgehenden Belästigungen nicht gemäß § 77 Abs. 2 GewO 1994 zwischen den Auswirkungen der zu erwartenden Immissionen auf Kinder einerseits und auf Erwachsene andererseits differenziert. § 77 Abs. 2 GewO 1994 gibt für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Belästigungen die objektiv anzuwendenden Beurteilungsmaßstäbe eines "gesunden, normal empfindlichen Kindes" und eines "gesunden, normal empfindlichen Erwachsenen" vor, die als solche unabhängig von der Person des Nachbarn in ihrer Gesamtheit heranzuziehen sind (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung2 (2003), 584, Rz 40 zu § 77 GewO 1994 angeführte hg. Rechtsprechung). Durch die Beschwerde wird nicht konkret dargetan, inwiefern die Beschwerdeführer durch den behaupteten Verfahrensfehler in ihren gewerberechtlich geschützten Nachbarrechten verletzt worden wären bzw. inwiefern die belangte Behörde bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

6. Die Feststellung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen des § 77 GewO 1994 vorliegen, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend den Tatbestandsmerkmalen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 auszuüben vermögen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2002/04/0001, mwN).

Soweit sich die Beschwerdeführer gegen das schalltechnische Gutachten und dabei insbesondere die Durchführung der Schallpegelmessungen wenden, sind sie zunächst darauf hinzuweisen, dass es in den fachlichen Verantwortungsbereich des entsprechenden Sachverständigen fällt, die jeweiligen Lärmmessungen vorzunehmen (vgl. hiezu die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, 582, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Im Übrigen tritt die Beschwerde den insofern nicht als unschlüssig zu erkennenden sachverständigen Ausführungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen (vgl. zur Notwendigkeit der Entgegnung sachverständiger Darlegungen auf gleicher fachlicher Ebene etwa das hg. Erkenntnis vom 14. September 2005, Zl. 2004/04/0224). Aus demselben Grund geht auch das Vorbringen der Beschwerdeführer, die Behörde habe die Staub- und Geruchsbelästigungen der vorliegenden Anlage nicht ausreichend geprüft, ins Leere, enthält die Beschwerde doch insbesondere kein konkretes Vorbringen, warum aus fachlicher Sicht eine Beurteilung dieser Auswirkungen - wie von der Beschwerde behauptet - nur während der Vegetationszeit zulässig wäre.

In diesem Zusammenhang macht die Beschwerde weiters geltend, die Behörde habe bei der Beurteilung der von der beantragten Betriebsanlage ausgehenden, auf die Nachbarn einwirkenden Lärmimmissionen nicht die für die Beschwerdeführer ungünstigste Situation zugrundegelegt und führt hiezu an, auf Grund des anfallenden Materials sei mit einem deutlich höheren Einsatz der vorhandenen Maschinen zu rechnen, darüber hinaus gehe aus dem Projekt nicht hervor, dass der Shredder nur einmal im Monat in Betrieb genommen werde.

Die Beschwerdeführer sind insofern im Recht, als die Auswirkungen der zu genehmigenden Betriebsanlage nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Zugrundelegung jener Situation zu beurteilen sind, in der die Immissionen für die Nachbarn am ungünstigsten, d. h. am belastendsten sind (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 14. September 2004, Zl. 2004/04/0165, mwN). Ausgangspunkt dieser Beurteilung ist aber immer die beantragte Ausstattung und Betriebsweise der Anlage, handelt es sich doch beim Verfahren zur Genehmigung einer Betriebsanlage um ein Projektsverfahren, dem alleine die im § 353 GewO 1994 genannten Einreichunterlagen zugrundezulegen sind (vgl. hiezu die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, 555f, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Im Beschwerdefall wurde von der mitbeteiligten Partei die Verwendung eines Shredders und Hackers im Umfang von einmal im Monat beantragt und im angefochtenen Bescheid genehmigt. Die Befürchtung der Beschwerdeführer, die Anlage könnte auf Grund des anfallenden Materials in einer diesen Umfang übersteigenden Weise betrieben werden, kann demnach nicht zum Anlass einer Versagung der Betriebsanlagengenehmigung genommen werden (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, 568, angeführte hg. Rechtsprechung).

Aus diesem Grund gehen auch die gegen die Auflage C 1. gerichteten Beschwerdeausführungen ins Leere, da die ärztliche Sachverständige bei der Beurteilung der Anlage zulässigerweise von dem im Antrag vorgesehenen Einsatz der genannten Geräte einmal im Monat ausgegangen ist.

Auch die Rüge, die Behörde hätte den Einsatz eines nicht in der Projektsbeschreibung genannten Shredders genehmigt, geht ins Leere, hat doch die mitbeteiligte Partei den Einsatz dieses Shredders ausdrücklich im Verfahren beantragt.

Die Beschwerde bringt jedoch vor, die belangte Behörde habe das von der mitbeteiligten Partei in ihrem Projekt vorgesehene Trommelsieb nicht berücksichtigt. Die belangte Behörde stellt dies im angefochtenen Bescheid auch nicht in Abrede, sondern ist der Auffassung, hinsichtlich des Trommelsiebes erübrige sich eine sachverständige Beurteilung, da dieses durch die mitbeteiligte Partei seit Jänner 2001 lediglich 12,5 Stunden in Betrieb genommen worden und daher eine Berücksichtigung desselben kaum Auswirkungen auf die gutachterliche Beurteilung der Lärmimmissionen gehabt hätte. Auf Grund der geringen Betriebszeiten dieses Trommelsiebes von durchschnittlich vier Stunden pro Jahr könne nicht von einer permanenten Einwirkung des Lärms gesprochen und daher - wie im medizinischen Gutachten ausgeführt - auch nicht von einer erheblichen Belästigung ausgegangen werden.

Diese Auffassung erweist sich als rechtswidrig, da die Behörde alleine vom beantragten Projekt einschließlich der vom Antragsteller vorgelegten Betriebsbeschreibung auszugehen hat und nicht auf einen allfälligen, tatsächlichen Betrieb der Anlage abstellen darf. Außerdem darf die Behörde Fachfragen nur dann selbst beurteilen, wenn sie die Kenntnisse und Erfahrungen hat, die für eine selbstständige Beurteilung von Fragen eines Wissensgebietes vorausgesetzt werden müssen und die sachverständigen Darlegungen der Behörde den gleichen Anforderungen entsprechen wie das Gutachten eines Sachverständigen (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, 576, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Dadurch belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

7. Die Beschwerdeführer rügen darüber hinaus, die Auflagen A 5. und C 2. seien durch die Umschreibung "nach längerer Trockenheit" bzw. "durch länger andauernde Trockenheit" zu unbestimmt gefasst, sodass durch diese Auflage ein wirksamer Schutz der Nachbarn nicht gewährleistet sei.

Auflagen müssen so klar gefasst sein, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2003, Zl. 2001/04/0156, mwN). Werden Auflagen zum Schutze der Nachbarn vorgeschrieben, so können diese durch eine unbestimmte Auflage in ihrer nach der GewO 1994 eingeräumten Rechtsstellung gegen die Erteilung einer, die geschützten nachbarlichen Interessen beeinträchtigenden Genehmigung (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2002, Zl. 2002/04/0057) verletzt werden.

Im Beschwerdefall sollen die Auflagen A 5. und C 2. sicherstellen, dass die von der Betriebsanlage ausgehenden Staubemissionen durch näher bezeichnete Maßnahmen ("Berieselungsanlage" bzw. "Besprenkelung") gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Abgesehen davon, dass diese beiden Auflagen idente Verpflichtungen der mitbeteiligten Partei beinhalten und daher eine der beiden Auflagen schon aus diesem Grund nicht erforderlich ist (vgl. zur Erforderlichkeit von Auflagen die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, 563f, angeführte hg. Rechtsprechung), ist bei beiden Auflagen die zeitliche Umschreibung "länger andauernde Trockenheit" bzw. "bei längerer Trockenheit" ohne weitere Konkretisierung derart unbestimmt gefasst, dass nicht erkennbar ist, wann und in welchem Umfang die vorgeschriebenen Maßnahmen zu setzen sind.

Indem sie eine derartige nähere Konkretisierung nicht vorgenommen hat, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid - mangels Trennbarkeit zur Gänze (vgl. ebenso das zitierte hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2003) - mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

8. Aus den unter 7. ausgeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

9. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da gemäß § 53 Abs. 1 VwGG die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen ist, wie wenn die Beschwerde nur von dem in der Beschwerde erstangeführten Beschwerdeführer eingebracht worden wäre.

Wien, am 27. Jänner 2006

Schlagworte

Straße mit öffentlichem VerkehrBesondere RechtsgebieteSachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztRechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003040130.X00

Im RIS seit

06.03.2006

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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