Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Mag. Sigrid Räth, diese vertreten durch Mag. Margit Sagel als Substitutin, Rechtsanwältin in 3430 Tulln, Dammweg 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 30. Mai 2003, Senat-AB-03-0065, betreffend eine gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin um eine Ausnahme (Fristverlängerung) für den Einbau eines Gasrückführungssystems bei der Treibstofftankstelle der Beschwerdeführerin in einem näher bezeichneten Standort im Instanzenzug gemäß § 82 Abs. 5 GewO 1994 iVm den §§ 3 und 4 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Ausstattung von Tankstellen mit Gaspendelleitungen, BGBl. Nr. 793/1992, als unzulässig zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. November 1997 sei Herrn L für die Erfüllung des § 3 der zitierten Verordnung gemäß § 82 Abs. 5 GewO 1994 eine fünfjährige Frist (bis 1. Jänner 2003) eingeräumt worden. Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2000 habe die Beschwerdeführerin als nunmehrige Betreiberin der Betriebsanlage bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten um eine Ausnahme für den Einbau einer Gasrückführung angesucht. Bei der in § 82 Abs. 5 GewO 1994 normierten Frist handle es sich um eine gesetzliche Frist, welche gemäß § 33 Abs. 4 AVG nicht erstreckt werden könne. Daher sei es der Behörde verwehrt, die beantragte Verlängerung der Frist vorzunehmen. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte wirtschaftliche Zumutbarkeit bzw. der geringe Treibstoffabsatz in der Betriebsanlage seien nach dieser Rechtslage nicht zu berücksichtigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 82 Abs. 1 GewO 1994 hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (jetzt: für Wirtschaft und Arbeit) im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie (jetzt: für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) durch Verordnung für genehmigungspflichtige Arten von Anlagen die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zum Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen und zur Vermeidung von Belastungen der Umwelt (§ 69a) erforderlichen näheren Vorschriften über die Bauart, die Betriebsweise, die Ausstattung oder das zulässige Ausmaß der Emissionen von Anlagen oder Anlagenteilen zu erlassen.
Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Ausstattung von Tankstellen mit Gaspendelleitungen, BGBl. Nr. 793/1992 (im Folgenden: Verordnung), ist in Ausführung des § 82 Abs. 1 GewO 1994 ergangen. Nach dem § 3 Abs. 1 dieser Verordnung müssen Tankstellen mit einem System zur Gasrückführung ausgestattet sein, das zumindest einen 80 %-igen Wirkungsgrad erreicht. Schutzzweck dieser Verordnung ist der Schutz der Umwelt vor Treibstoffdampf, der beim Tankvorgang entweichen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. März 1998, Zl. 97/04/0204).
Gemäß § 82 Abs. 3 GewO 1994 dürfen von den Bestimmungen einer Verordnung gemäß Abs. 1 abweichende Maßnahmen von Amts wegen mit Bescheid aufgetragen oder auf Antrag mit Bescheid zugelassen werden, wenn hiedurch der gleiche Schutz erreicht wird. Abweichungen von einer Verordnung gemäß Abs. 1 dürfen auf Antrag mit Bescheid ferner zugelassen werden, wenn durch geeignete Maßnahmen, wie Einrichtungen, Verfahren oder Betriebsweisen, sichergestellt ist, dass der gleiche Schutz erreicht ist, wie er bei Einhaltung einer Verordnung nach Abs. 1 ohne solche Maßnahmen zu erwarten ist.
Gemäß § 82 Abs. 5 GewO 1994 darf auf Antrag für die Erfüllung der nicht unter Abs. 1 dritter Satz fallenden Bestimmungen einer Verordnung gemäß Abs. 1 mit Bescheid eine angemessene, höchstens fünf Jahre betragende Frist eingeräumt werden, wenn die Erfüllung dieser Verordnungsbestimmungen für den Betriebsinhaber erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist.
2. Die Beschwerdeführerin wendet gegen die Zurückweisung ihres Antrages zunächst ein, die Behörde hätte in Entsprechung ihres Antrages gemäß § 82 Abs. 3 GewO 1994 sehr wohl Abweichungen bzw. abweichende Maßnahmen von der Verordnung zulassen können.
Dabei übersieht die Beschwerde jedoch, dass die Anwendung dieser Bestimmung ihrem Wortlaut nach "abweichende Maßnahmen" bzw. "Abweichungen" voraussetzt, durch die der gleiche Schutz wie durch die Einhaltung der Verordnung zu erwarten ist. Die von der Beschwerdeführerin beantragte Fristverlängerung stellt dagegen keine "abweichende Maßnahme" bzw. "Abweichung" iSd § 82 Abs. 3 GewO 1994 dar; vielmehr kommt für einen solchen Antrag § 82 Abs. 5 GewO 1994 zum Tragen.
Dem von der Beschwerde in diesem Zusammenhang gerügten Verfahrensfehler, die belangte Behörde hätte eine mündliche Verhandlung unter Zuziehung eines Sachverständigen durchführen müssen, um zu klären, ob die Tatbestandsvoraussetzungen von § 82 Abs. 3 GewO 1994 erfüllt seien, fehlt aus den oben angeführten Gründen die Relevanz.
3. In Zusammenhang mit § 82 Abs. 5 GewO 1994 bringt die Beschwerde vor, der Beschwerdeführerin sei bislang nach dieser Bestimmung noch keine angemessene Frist für die Erfüllung der Verordnung eingeräumt worden, da der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. November 1997 an Herrn L und nicht an die Beschwerdeführerin als alleinige Inhaberin der gegenständlichen Betriebsanlage ergangen sei.
Nach dem von der belangten Behörde festgestellten - und insoferne von der Beschwerde nicht bestrittenen - Sachverhalt war Herr L zum Zeitpunkt der Erlassung des zitierten Bescheides Inhaber der Betriebsanlage und ist die Beschwerdeführerin nunmehrige Inhaberin dieser Betriebsanlage.
Gemäß § 80 Abs. 5 GewO 1994 wird die Wirksamkeit der Genehmigung einer Betriebsanlage durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der Anlage nicht berührt. Diese in § 80 Abs. 5 GewO 1994 normierte dingliche Wirkung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 2000/04/0197) trifft auch für Bescheide gemäß § 82 Abs. 5 GewO 1994 zu. Ein Bescheid, mit welchem dem jeweiligen Betriebsinhaber auf Antrag gemäß § 82 Abs. 5 GewO 1994 eine Frist eingeräumt wird, regelt nämlich nicht die Rechtsbeziehungen einer einzelnen Person (des Betriebsinhabers), sondern die Rechtsbeziehungen des Objektes (der Betriebsanlage). Bei diesem Bescheid handelt es sich daher um einen solchen mit dinglicher Wirkung, der zwar an Personen ergeht, seiner Rechtsnatur nach - ungeachtet der persönlichen Eigenschaften des Bescheidadressaten - aber nur auf Eigenschaften der Sache abstellt (vgl. zu dinglichen Bescheiden etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2004, Zl. 2001/03/0329, mwN).
Aus diesem Grund ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass für die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage bereits die zulässige höchstmögliche Frist gemäß § 82 Abs. 5 GewO 1994 gewährt wurde und eine weitere Fristerstreckung nicht in Betracht kommt.
4. Zuletzt bringt die Beschwerde vor, die Verordnung enthalte "aus sachlich nicht gerechtfertigten Gründen" weder Ausnahmen noch abweichende Bestimmungen und der Aufwand zur Erfüllung der Verordnung und der dadurch erzielte Nutzen für die durch die Verordnung zu schützenden Interessen sei unverhältnismäßig, sodass sich die Verordnung als gesetzwidrig erweise.
Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde nicht, im Hinblick auf den Schutzzweck dieser Verordnung (Schutz der Umwelt vor Treibstoffdampf, der beim Tankvorgang entweichen könnte; vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 17. März 1998) eine Gesetzwidrigkeit der Verordnung darzutun. Dem Vorbringen, die Verordnung enthalte weder Ausnahmen noch abweichende Bestimmungen, ist entgegen zu halten, dass sich entsprechende Bestimmungen (§§ 82 Abs. 3 bzw. 5 GewO 1994) bereits im Gesetz finden. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher auch nicht veranlasst, einen Antrag gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG zu stellen.
5. Da sich die Beschwerde sohin insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs.1 VwGG abzuweisen.
Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen, weil der Verwaltungsgerichtshof nach Stattfinden eines Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat, einem Tribunal im Sinne der MRK, angerufen wurde, und der Beschwerdeführer vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht verlangt hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. März 2001, 98/10/0401).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da nur der in der zitierten Verordnung enthaltene Pauschbetrag zuzusprechen war.
Wien, am 27. Jänner 2006
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003040160.X00Im RIS seit
23.02.2006Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008