Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei M***** H*****, vertreten durch Dr.Albert M.Sauer-Nordendorf, Rechtsanwalt in Pöllau, wegen S 3,330.000, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 18.März 1992, GZ 1 R 45, 60/92-22, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil und den in dieses aufgenommenen Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 4. Juli 1991, GZ 12 Cg 318/90-15, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17.Oktober 1991, GZ 12 Cg 318/90-17, zurückgewiesen wurde, den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird ersatzlos aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Die klagende Genossenschaftsbank begehrte in ihrer Hypothekarklage von der Beklagten die Zahlung von S 3,330.000 bei sonstiger Exekution in eine der Beklagten gehörende, namentlich genannte Liegenschaft. Diese Liegenschaft sei für den Sohn der Beklagten eingeräumte Kredite bis zum Höchstbetrag von S 3,330.000 grundbücherlich verpfändet worden.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ua ein, daß sie bloß eine "Ausfallshaftung" übernommen habe; die Klageführung widerspreche der mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, ohne die Beschränkung auf die Sachhaftung der Beklagten in den Spruch aufzunehmen. Eine Ausfertigung dieser Entscheidung wurde dem Beklagtenvertreter am 24.9.1991 zugestellt.
Mit Beschluß vom 17.10.1991 berichtigte das Erstgericht von Amts wegen den Spruch seines Urteils durch Einfügung der die Sachhaftung der Beklagten aussprechenden Worte. Dem Beklagtenvertreter wurde eine Ausfertigung dieses Beschlusses am 24.10.1991 und die berichtigte Urteilsausfertigung am 16.11.1991 zugestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte erhob mit dem am 11.12.1991 bei Gericht überreichten Schriftsatz Berufung, die das Berufungsgericht als verspätet zurückwies; durch die Berichtigung sei kein neuer Fristenlauf eingetreten, weil die Beklagte auch ohne Berichtigung über den Inhalt der Entscheidung nicht im Zweifel sein konnte.
Der gegen den Zurückweisungsbeschluß erhobene Rekurs ist jedenfalls gemäß § 519 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ZPO zulässig und auch berechtigt.
Gemäß § 419 Abs 1 ZPO kann das Gericht, das das Urteil gefällt hat, jederzeit Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten im Urteil oder dessen Ausfertigungen oder Abweichungen der Ausfertigung von der gefällten Entscheidung berichtigen. Der Irrtum muß sich aus dem gesamten Zusammenhang für das Gericht und die Parteien ohne weiteres ergeben, sodaß schon nach dem Inhalt der Entscheidung offenkundig ist, daß das, was ausgesprochen wurde, dem Willen des Gerichtes zur Zeit der Fällung der Entscheidung nicht entsprochen hat. Grundsätzlich beginnt - wie das Berufungsgericht an sich richtig erkannt hat - die Rechtsmittelfrist im Fall der Berichtigung eines Urteils erst mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung zu laufen, doch setzt, um die Möglichkeit einer mißbräuchlichen Verlängerung der Rechtsmittelfrist auszuschließen, kein neuer Fristenlauf ein, wenn der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigung über den Inhalt der Entscheidung nicht in Zweifel sein konnte (SZ 27/16; EvBl 1975/224 uva).
Das war hier nicht der Fall. Das Gericht berichtigte keinen offenkundigen Schreib- oder Rechenfehler und auch nicht die Kostenentscheidung, sondern änderte den Spruch in einem wesentlichen Punkt ab, indem es die Exekutionsführung auf die Sachhaftung einer der Beklagten gehörigen Liegenschaft beschränkte. Es trifft zwar zu, daß das erstgerichtliche Urteil jedenfalls in diesem Sinn zu berichtigen war, weil nur dies dem Klagebegehren entsprach, und daß eine Berufung in diesem Punkt jedenfalls Erfolg gehabt haben müßte; da auch andere Berichtigungen denkbar gewesen wären, kann nicht gesagt werden, daß die durch das Urteil beschwerte Beklagte keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des Titels haben konnte und nur rechtsmißbräuchlich ihre Berufung erst nach Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung erhoben hat.
Hieraus folgt, daß die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung zu laufen begann, die Berufung daher als rechtzeitig anzusehen und demgemäß spruchgemäß zu entscheiden war.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E29375European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00576.92.0625.000Dokumentnummer
JJT_19920625_OGH0002_0080OB00576_9200000_000