Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am ***** geborenen mj. R***** W*****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie für den 10. Bezirk, 1100 Wien, Van der Nüll-Gasse 20, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 19. Februar 1992, GZ 44 R 92/92-80, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 11.November 1991, GZ 8 P 113/87-76, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er lautet:
"Die Höhe der gewährten Unterhaltsvorschüsse wird ab 1.10.1991 auf S 1600 monatlich herabgesetzt. Gleichzeitig wird die Einbehaltung der durch diese rückwirkende Herabsetzung entstandenen Überzahlung in Monatsbeträgen von S 200 von den zur Auszahlung gelangenden Vorschüssen angeordnet."
Text
Begründung:
Der Minderjährige erhielt ab 1.6.1991 Unterhaltsvorschüsse von S 2200 monatlich.
Mit Beschluß vom 11.11.1991 setzte das Erstgericht die Höhe dieser Vorschüsse ab 1.10.1991 wegen Bezuges einer Lehrlingsentschädigung von S 4600 monatlich inklusive der anteiligen Sonderzahlungen auf S 1400 monatlich herab und ordnete die Einbehaltung des Überbezuges in Raten von S 200 monatlich an. Es erachtete einen Gesamtbetrag von S 6000 zur Deckung der finanziellen Bedürfnisse des Minderjährigen für ausreichend, zumal er noch Pflege und Betreuungsleistungen im Haushalt der Mutter erhalte.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Minderjährigen Folge, hob den angefochtenen Beschluß ersatzlos auf und ließ den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof im Hinblick auf die unterschiedliche oberstgerichtliche Judikatur zu. Auch bei einem Eigeneinkommen des Kindes seien Titelvorschüsse zu gewähren, solange die Summe aus Eigeneinkommen und Vorschuß den zur Selbsterhaltungsfähigkeit notwendigen Betrag nicht überstiegen. Diese werde im allgemeinen dann erreicht, wenn dem Kind ein Betrag etwa in Höhe des Mindestpensionsrichtsatzes zur Verfügung stehe. Dieser Betrag sei neben den Betreuungsleistungen im mütterlichen Haushalt erforderlich, da zu den Bedürfnissen eines heranwachsenden Jugendlichen auch die theoretische Gründbarkeit eines eigenen Haushaltes gehöre, die mit einem Gesamteinkommen in der Höhe der Mindestpension nicht zu finanzieren wäre. Da im vorliegenden Fall die Summe aus Eigeneinkommen und Titelvorschuß etwa in Höhe des Mindestpensionsrichtsatzes liege, sei der Beschluß des Erstgerichtes ersatzlos zu beheben gewesen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Bundes mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichtes dahingehend abzuändern, daß in bloß teilweiser Stattgebung des Rekurses die Höhe des Unterhaltsvorschusses ab 1.10.1991 auf S 1600 monatlich herabgesetzt und die Einbehaltung der durch diese rückwirkende Herabsetzung entstandenen Überzahlung in Monatsbeträgen von S 200 von den zur Auszahlung gelangenden Vorschüssen angeordnet werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
Nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, der sich auch der erkennende Senat bereits mehrfach angeschlossen hat (8 Ob 649/91, 8 Ob 541/92, 8 Ob 551/92), fällt auch die Lehrlingsentschädigung unter jene Einkünfte, die nach § 140 Abs 3 ABGB zu berücksichtigen sind. Sie ist, sofern sie nicht als Ausgleich für berufsbedingten Mehraufwand außer Betracht bleibt, Eigeneinkommen des Kindes. Eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten sind auf die von beiden Elternteilen gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen anzurechnen.
Die zur Unterhaltsbefreiung des nicht betreuenden Elternteils führende Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes ist bei einfachen Lebensverhältnissen unter Berücksichtigung des Umstandes, daß außer dem Geldunterhalt auch noch die Betreuung benötigt wird, erst bei einem Einkommen anzunehmen, das dem Richtsatz für die Gewährung der Ausgleichszulagen nach § 293 Abs 1 lit a/bb und lit b ASVG (1991 im Monatsdurchschnitt S 7000) entspricht.
Im vorliegenden Fall stehen dem Minderjährigen monatlich durchschnittlich S 4600 zur Verfügung. Unter Zugrundelegung von Unterhaltsbedürfnissen im Gesamtwert von S 7000 verbleibt ein nicht durch Eigeneinkommen gedeckter Unterhaltsbedarf von S 2400. Der geschuldete Betreuungsaufwand für einen 17jährigen Minderjährigen ist mit einem erheblich geringeren Geldbetrag zu veranschlagen als der zur Deckung der anderen Bedürfnisse erforderliche Geldbetrag. Ohne Verletzung der Rechte des Unterhaltspflichtigen kann von einem Verhältnis von 2 : 1 zu seinen Lasten ausgegangen werden. Unter diesen Prämissen errechnet sich ein Geldunterhalt von S 1600 monatlich.
Dem Revisionsrekurs des Bundes ist daher im Umfang der Anfechtung Folge zu geben.
Anmerkung
E29374European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00578.92.0625.000Dokumentnummer
JJT_19920625_OGH0002_0080OB00578_9200000_000