Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter St***** , vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagten Parteien 1.) Helmut St*****, und 2.) Rosa St*****, beide vertreten durch Dr.Maximilian Ganzert, Rechtsanwalt in Wels, wegen Leistung und Abgabe von Erklärungen (Streitwert S 350.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 16. März 1992 , GZ 4 R 21/91-16, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 15.November 1990, GZ 7 Cg 347/89-12, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der Beschluß des Rekursgerichtes dahin abgeändert, als daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 13.105,62 (darin S 2.184,27 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit S 15.723,18 (darin S 2.620,53 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Beklagten sind Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ *****, zu dessen Gutsbestand unter anderem das landwirtschaftlich genützte Grundstück Nr. 941 gehört. Der Erstbeklagte erwarb das Eigentum an dieser Liegenschaft aufgrund eines notariellen Übergabsvertrages vom 2.6.1982 von seinen Eltern. Punkt 4 dieses Vertrages lautet:
"Der Übernehmer verpflichtet sich über Anweisung der Übergeber, an deren weichende Kinder Walter St*****, und Josef St*****, zu deren Entfertigung, spätestens mit Erreichung des 25. Lebensjahres eines jeden Berechtigten, aus dem Gutsbestand der Übergabsliegenschaft je ein Baugrundstück im Ausmaß von rund 1.200 m2 mehr oder weniger unentgeltlich ins Eigentum zu übertragen und die dazu erforderliche einverleibungsfähige Urkunde zu unterfertigen. Die Auswahl des jeweiligen Baugrundstückes obliegt den Berechtigten, wobei es jedoch darauf ankommt, daß für dieses abzutretende Grundstück auch tatsächlich die Baubewilligung erteilt wird und daß die Berechtigten auf diesen Grundstücken auch tatsächlich jeweils ein Wohnhaus selbst zu bauen beabsichtigen. Für den Fall, daß beim Übergabsobjekt keine geeigneten Baugründe vorhanden sind, für welche die Baubewilligung erlangt werden sollte bzw, daß die Berechtigten die Abtretung des Baugrundes nicht begehren, hat der Übernehmer über Anweisung der Übergeber an deren weichende Kinder Walter und Josef St*****anstelle dieses Baugrundes je einen Betrag von S 100.000 spätestens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres eines jeden Berechtigten bar und abzugsfrei zu bezahlen, wobei Wertsicherung dieses Betrages vereinbart wird. ..."
Mit Ehepakt vom 8.5.1985 übertrug der Erstbeklagte der Zweitbeklagten das Hälfteeigentum an seiner Liegenschaft. Unstrittig ist, daß hinsichtlich der gesamten Liegenschaft der Beklagten bereits 1983 das Zusammenlegungsverfahrend "Brandstadt" eingeleitet wurde, das bis heute noch nicht abgeschlossen worden ist.
Unter Berufung auf die Bestimmung des Punktes 4 des zitierten Übergabsvertrages begehrt der Kläger mit seiner am 10.11.1989 eingebrachten Klage die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand,
1. auf ihre Kosten die Teilung des Grundstückes 941 der KG M*****(Verfassung eines entsprechenden Lageplanes durch einen befugten Zivilgeometer) zu veranlassen, weiters daß ein neues Grundstück im Ausmaß von ca 1200 m2 gebildet wird, welches annähernd quadratisch ist und an das öffentliche Gut 1133/1 Weg angrenzt;
2. gegenüber der zuständigen Baubehörde alle erforderlichen Erklärungen abzugeben und den Antrg zu stellen, auf Bewilligung der Grundteilung zur Schaffung des zu Z 1 des Urteilsbegehrens neu zu bildenden Grundstückes und auf Zuerkennung der Bauplatzeigenschaft für dieses;
3. ihre Einwilligung zu erteilen, zur lastenfreien Abschreibung des zu Z 1 des Urteilsbegehrens neu gebildeten Grundstückes aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ *****, Eröffnung einer neuen Grundbuchseinlage für dieses Grundstück in der KG M*****und Einverleibung des Eigentumsrechtes darob für den Kläger.
Das Zusammenlegungsverfahren habe bereits zu einer Zuweisung von Grundstücken geführt, die Parzelle 941 sei davon nicht unmittelbar berührt, die Agrarbezirksbehörde erhebe gegen die begehrte Grundteilung keinen Einwand. Abgesehen davon hindere das Zusammenlegungsverfahren nicht die Geltendmachung obligatorischer Ansprüche.
Die Beklagten wendeten ein, für ihre landwirtschaftlichen Gründe sei keine Umwidmung in Bauland möglich. Die Agrarbezirksbehörde Gmunden, welche ein Zusammenlegungsverfahren eingeleitet habe, sei nicht bereit, der Durchführung der im Übergabsvertrag getroffenen Vereinbarung zuzustimmen. Der Rechtsstreit falle im Hinblick auf das Zusammenlegungsverfahren gemäß § 102 OÖ. Flurverfassungslandesgesetz 1979 nicht in die Gerichtszuständigkeit.
Das Erstgericht hob das Verfahren ab Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Nach § 102 Abs 1 OÖ. FLG 1979 LGBl 1979/73 erstrecke sich die ausschließliche Zuständigkeit der Agrarbehörde, soferne nicht ausdrücklich eine andere Regelung vorgesehen sei, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zweck der Durchführung der Zusammenlegung, Flurbereinigung, Teilung oder Regulierung in das Verfahren miteinbezogen werden müssen, so insbesondere über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken. Die Klage richte sich primär auf eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse an einer in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Parzelle. Daran ändere nichts, daß sich der Kläger zur Begründung seines Anspruches auf eine schuldrechtliche Vereinbarung berufe. Was die geforderte Abgabe von Erklärungen und Antragstellungen betreffe, stelle dieser weitere Teil des Klagebegehrens nur die erforderlichen Maßnahmen zur Verwirklichung der anderen Klagspunkte dar.
Das Rekursgericht verwarf über Rekurs des Klägers die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und trug dem Erstgericht die Verfahrensfortsetzung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es bewertete den Wert des Streitgegenstandes mit S 50.000 übersteigend und ließ den Revisionsrekurs zu. Es ging davon aus, daß sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde nicht auf wie hier geltend gemachte obligatorische Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück erstrecke. Trotz der im § 6 OÖ. FLG normierten Eigentumsbeschränkungen seien rechtsgeschäftliche Verfügungen über das Eigentum an in das Verfahren einbezogenen Grundstücken nach § 91 Abs 2 leg cit zulässig. Lediglich deren grundbücherliche Durchführung sei von der Zustimmung der Agrarbehörde abhängig.
Der von den Beklagten dagegen erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 102 Abs 1 OÖ. FLG erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde von der Einleitung eines Zusammenlgungs- oder Flurbereinigungsverfahrens an - die Ausnahmebestimmungen des Abs 4 kommen im vorliegenden Fall nicht in Betracht - auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zweck der Durchführung der Zusammenlegung oder Flurbereinigung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungsbereich diese Angelegenheiten sonst gehören. Nach Abs 2 lit a der Bestimmung erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde insbesondere auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ist im vorliegenden Fall die Zuständigkeit der Agrarbehörde sowohl nach § 102 Abs 1 als auch nach Abs 2 lit a OÖ. FLG gegeben. Der Oberste Gerichtshof hat in Anlehnung an die Entscheidung des VfGH vom 11.10.1960, K I-3/60 (= JBl 1961, 412 = VfGHSlg 3798) bereits mehrfach ausgesprochen, daß es sich bei den zu § 102 OÖ. FLG gleichgelagerten Bestimmungen der anderen Bundesländer (so zB § 72 Abs 5 TFLG 1978, § 50 StZLG 1982) um Sonderbestimmungen handelt, mit denen der Gesetzgeber beabsichtigte, das Zusammenlegungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Diese Absicht wäre gefährdet, wenn in jedem Fall strittiger Eigentums- und Besitzverhältnisse erst zu prüfen wäre, ob der entstandene Streit in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Zusammenlegung steht, weil die Zuständigkeit je nach dem Ergebnis der keineswegs immer leichten Entscheidung verschieden wäre. Die Gerichte wären auch kaum in der Lage, verläßlich zu beurteilen, ob die Lösung eines einzelnen Rechtsstreites eine Voraussetzung für die Durchführung der Zusammenlegung bildet und demnach der Agrarbehörde überlassen werden muß oder nicht (vgl SZ 49/128 und SZ 59/212). Hintergrund dieser die Zuständigkeit der Zivilgerichte einschränkenden Regelung ist, daß sich bei der Durchführung von Bodenreformmaßnahmen die Notwendigkeit ergibt, die damit betrauten Behörden mit einer konzentrierten Entscheidungsbefugnis auszustatten, da Vorschriften sowohl des öffentlichen als auch des privaten Rechtes zur Anwendung kommen, die sonst in die Zuständigkeit verschiedener Verwaltungsbehörden und Gerichte fielen. Zu § 102 OÖ. FLG sprach der Oberste Gerichtshof aus, daß das Begehren auf Rückerhalt eines Grundstückes, das im Zuge der Zusammenlegung an einen anderen Eigentümer fiel, in die Zuständigkeit der Agrarbehörde falle. Die früher zu JBl 1971, 427 vertretene Rechtsmeinung wurde in dieser Entscheidung ausdrücklich nicht aufrecht erhalten (SZ 59/108).
Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes vermag der Oberste Gerichtshof in der Bestimmung des § 102 OÖ. FLG keine Beschränkung der Zuständigkeit der Agrarbehörde auf Streitigkeiten aus Eigentums- und Besitzansprüchen, die ausschließlich aus einem dinglichen Recht abgeleitet werden, erkennen. Auch der Hinweis des Rekursgerichtes auf § 91 Abs 2 des OÖ. FLG 1979 überzeugt nicht. Nach § 90 Abs 4 leg cit bedürfen die zur Ordnung rechtlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken abgeschlossenen Parteienübereinkommen der Genehmigung der Agrarbehörde. Nach § 91 Abs 1 leg cit kann die Agrarbehörde aus wirtschaftlichen Gründen gebotene Verfügungen treffen, um einen angemessenen Übergang in die neue Gestaltung des Grundbesitzes zu erzielen. Nach Abs 2 wird "im übrigen" die Rechtsausübung während eines Verfahrens nicht behindert, sofern nicht Eigentumsbeschränkungen (§ 6) entgegenstehen... Gerade der Umstand, daß solchen rechtsgeschäftlichen Verfügungen die grundbücherliche Verwirklichung durch die Agrarbehörde versagt werden, sohin ihre Verdinglichung verhindert werden kann, zeigt, daß die Wirksamkeit solcher Rechtsgeschäfte von der Zustimmung der Agrarbehörde abhängig ist.
Dem Revisionsrekurs der Beklagten war daher Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens und des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E30578European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00558.92.0625.000Dokumentnummer
JJT_19920625_OGH0002_0070OB00558_9200000_000