TE OGH 1992/6/30 14Os79/92

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Veröffentlicht am 30.06.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Juni 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Liener als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter T***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Berufungen des Angeklagten und der Privatbeteiligten Andrea H***** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 6.Februar 1992, GZ 12 Vr 482/91-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten Walter T***** und des Verteidigers Dr. Ponschab und des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Iglitsch zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil im Schuldspruch (Punkt 2) wegen des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Walter T***** wird für das ihm weiterhin zur Last liegende Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB (Schuldspruch 1) zu einer Freiheitsstrafe von

zweieinhalb Monaten

verurteilt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit seiner Strafberufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung der Privatbeteiligten wird Folge gegeben und ihre Verweisung auf den Zivilrechtsweg aufgehoben. Gemäß § 369 Abs. 1 StPO hat der Angeklagte Walter T***** der Privatbeteiligten Andrea H***** den Betrag von 500 S zu bezahlen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Walter T***** wurde der in Tateinheit begangenen Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB (Schuldspruch 1) und des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB (Schuldspruch 2) schuldig erkannt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er am 20.September 1991 in W***** dadurch, daß er in seiner Eigenschaft als Fahrlehrer die am 22. September 1973 geborene Fahrschülerin Andrea H***** während einer Übungsstunde gewaltsam über der Kleidung im Brust- und Genitalbereich abtastete, ihre Hand erfaßte und zu seinem Geschlechtsteil führte,

1. außer den Fällen des § 201 StGB eine Person mit Gewalt zur Vornahme und Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt und

2. unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Ausbildung unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht mißbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Schuldberufung des Angeklagten, die sich nur gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB richteten, wurden in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen. Dabei hat sich der Oberste Gerichtshof die Ausübung der ihm nach § 290 Abs. 1 StPO zustehenden Befugnis für einen Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vorbehalten.

Das Urteil ist mit dem vom Angeklagten nicht geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO behaftet, weil im vorliegenden Fall zu Unrecht das Verhalten des Angeklagten auch dem Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB unterstellt wurde.

Der Tatbestand des § 212 Abs. 1 StGB erfaßt nämlich nur den Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses durch Unzuchtshandlungen in bezug auf - der Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht ähnlich einem Eltern-Kind-Verhältnis unterstehende, also - abhängige Minderjährige. Durch die bloße Fahrausbildung wurde aber vorliegend kein tatbildmäßiges Subordinations- bzw. Autoritätsverhältnis begründet, sondern lag lediglich ein Gelegenheitsverhältnis vor, das der Angeklagte zum sexuellen Mißbrauch der Fahrschülerin ausnützte (Leukauf-Steininger Komm.3 § 212 RN 7). Dem Erstgericht unerlief demnach durch die Unterstellung der Tat auch unter § 212 Abs. 1 StGB ein den Angeklagten benachteiligender Rechtsirrtum.

Der Schuldspruch wegen des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB war daher ebenso wie der damit verbundene Strafausspruch aufzuheben.

Bei der vorzunehmenden Strafneubemessung fiel kein besonderer Erschwerungsgrund ins Gewicht, mildernd waren hingegen, daß der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht. Die verhängte Freiheitsstrafe ist tat- und tätergerecht.

Die Gewährung bedingter Strafnachsicht ergibt sich allein schon aus dem Gebot des § 290 Abs. 2 StPO.

Mit seiner wohl angemeldeten, aber nicht ausgeführten Strafberufung (S 137) war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Privatbeteiligte hat im erstinstanzlichen Verfahren einen Zuspruch von 500 S für Schmerzen beantragt. Sie wurde jedoch gemäß § 366 Abs. 1 StPO mit ihrem Anspruch auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Zu Recht bekämpft die Privatbeteiligte diese Verweisung, weil - entgegen der Annahme des Erstgerichts - die durchgeführten einfachen Erhebungen und die Feststellungen des Ersturteils eine verläßliche Beurteilung des Schmerzengeldanspruches in der beantragten Höhe zulassen. Denn nach den Urteilskonstatierungen hat Andrea H***** durch das gewaltame Vorgehen des Angeklagten (und nicht wie in der Gegenausführung zur Berufung der Privatbeteiligten vom Angeklagten behauptet, durch bloße leichte Kontaktnahme) Hämatome im Oberarmbereich erlitten. Ein Betrag von 500 S Schmerzengeld ist nicht zu hoch bemessen.

Es war daher dieser begehrte Betrag der Privatbeteiligten aus dem Titel des Schmerzengeldes zuzusprechen; weitere auf anderen Grundlagen beruhende Ansprüche der Privatbeteiligten, wie sie erstmals in ihrem Rechtsmittel geltend gemacht wurden, hatten dabei unberücksichtigt zu bleiben.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E30050

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00079.920001.0630.000

Dokumentnummer

JJT_19920630_OGH0002_0140OS00079_9200010_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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