Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Erhard O*****Pensionist, *****wider den Antragsgegner Christoph S*****, Immobilienmakler, *****vertreten durch Dr.Karl Kuprian, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen teilweiser Aufösung der nach § 16 WEG gebildeten Rücklage, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 21. August 1991, GZ R 443/91-12, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 14.Dezember 1990, GZ Msch 17/89-5, samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufgehoben und der Antrag des Antragstellers zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß dessen Ausspruch über die Zurückweisung des Antrages des Antragstellers durch den Auftrag an das Erstgericht, in der Sache selbst nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden, ersetzt wird.
Im übrigen wird der angefochtene Beschluß bestätigt.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist Fruchtgenußberechtigter an Miteigentumsanteilen seiner beiden Kinder an der Liegenschaft EZ*****des Grundbuches *****Mit diesen Miteigentumsanteilen ist Wohnungseigentum an der Wohnung Nr.11 bzw. 67 verbunden. Der Antragsgegner ist Verwalter dieser Liegenschaft.
Der Antragsteller begehrt die gänzliche oder zumindest teilweise Auflösung der im Jahre 1988 gebildeten Rücklage von ca. 400.000,- S im Verhältnis der mit seinem Fruchtgenußrecht belasteten Miteigentumsanteile. Er habe zwar am 4.4.1988 der Rücklagenbildung zugestimmt - allerdings ohne zu erklären, daß sich diese Zustimmung auf beide Miteigentumsanteile beziehe - , doch könne er im Hinblick auf seine triste Vermögenslage von seinem Individualrecht nach § 15 Abs.1 Z 2 WEG Gebrauch machen.
Als Antragsgegner bezeichnete der Antragsteller nach entsprechender Aufforderung durch das Erstgericht den Liegenschaftsverwalter; eine Einbeziehung der Miteigentümer der Liegenschaft ist bisher nicht erfolgt.
Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers mit der Begründung ab, er habe selbst der Rücklagenbildung zugestimmt, obgleich seine wirtschaftlich schwierige Lage auch schon zur Zeit der Abstimmung bestanden habe.
Das Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluß und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf, wies den Antrag des Antragstellers zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
Da dem Fruchtgenußberechtigten anstelle des Eigentümers das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse zukomme, sei der Antragsteller auch zur Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Rücklage nach § 16 WEG berechtigt, weil es sich dabei um eine typische Angelegenheit der Verwaltung der Liegenschaft handle.
Dem Liegenschaftsverwalter hingegen komme nur in den in § 26 Abs.1 Z 4 WEG genannten Streitigkeiten Parteistellung zu. Eine solche Streitigkeit liege aber dem Antrag des Antragstellers nicht zugrunde. Richtigerweise seien als Antragsgegner alle Miteigentümer dieser Liegenschaft zu behandeln. Da diesen bisher keine Möglichkeit zur Teilnahme am Verfahren gegeben war, seien der angefochtene Beschluß und das diesem vorausgegangene Verfahren aus Anlaß des zulässigen Rekurses von Amts wegen als nichtig aufzuheben.
Vom Minderheitenrecht des § 15 Abs.1 Z 2 WEG könne nur ein gegen die Rücklagenbildung votierender und von der Mehrheit überstimmter, nicht aber ein der Rücklagenbildung zustimmender Miteigentümer Gebrauch machen. Da der Antragsteller bei der Abstimmung schlichtweg und uneingeschränkt der Rücklagenbildung zugestimmt habe, gelte dies für alle von ihm vertretenen Anteile, auch wenn er diese nicht ziffernmäßig beigefügt habe. Es fehle daher dem Antragsteller die Antragslegitimation. Sein Antrag sei daher im Ergebnis zurückzuweisen. Damit erübrige sich die Sanierung des erstinstanzlichen Verfahrens durch Beiziehung der Miteigentümer.
Gemäß § 26 Abs.2 WEG iVm § 37 Abs.3 Z 18 MRG in der Fassung des Revisionsrekursanpassungsgesetzes, BGBl.1989/654, sei eine Bewertung des Verfahrensgegenstandes nicht erforderlich.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil weder zur Frage der Parteistellung eines Fruchtnießers im Verfahren nach § 26 WEG noch zur Antragslegitimation eines der Rücklagenbildung zustimmenden Mehrheitsbeteiligten auf angemessene Rücklagenminderung eine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und diesen Rechtsfragen Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die rekursgerichtliche Entscheidung aufzuheben und (unter anderem) seinem Antrag auf teilweise bzw. völlige Auflösung der Rücklage stattzugeben.
Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.
1.) Zur Zulässigkeit:
Rechtliche Beurteilung
Zwar handelt es sich bei der Entscheidung des Rekursgerichtes um einen verfahrensrechtlichen Beschluß, für dessen Anfechtbarkeit nicht - wie das Rekursgericht ausführte - ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstandes § 37 Abs.3 Z 18 MRG idF des RRAG, BGBl.1989/654, maßgebend ist, doch ist der Revisionsrekurs wegen der nach § 37 Abs.3 Z 16 MRG gebotenen analogen Anwendung des § 519 Abs.1 Z 1 ZPO auf solche Entscheidungen des Rekursgerichtes (vgl. WoBl.1991, 238/145) ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstandes zulässig.
2.) Zur rekursgerichtlichen Entscheidung:
Der Antragsteller ist Fruchtgenußberechtigter zweier Miteigentumsanteile, mit denen Wohnungseigentum verbunden ist. Demnach kommt ihm ebenso wie im Falle schlichten Miteigentums - wie das Rekursgericht unter Hinweis auf MietSlg.28.044; SZ 25/233; Petrasch in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 509) zutreffend ausführte - anstelle des mit dem Fruchtgenuß belasteten Miteigentümers das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse zu. Zu den Verwaltungsrechten gehört aber zweifellos auch das Begehren auf Entscheidung über einen Antrag nach § 15 Abs.1 Z 2 WEG über die Bildung, Erhöhung oder Verminderung (wie hier) der Rücklage nach § 16 WEG. Der Fruchtgenußberechtigte an einem Miteigentumsanteil, mit dem Wohnungseigentum verbunden ist, ist mangels abweichender Vorschriften insofern nicht anders zu behandeln als der Fruchtgenußberechtigte an einem schlichten Miteigentumsanteil.
Der Antragsteller begehrt die Auflösung der bestehenden Rücklage. Zu einem solchen Begehren ist der Antragsteller nicht schon deswegen nicht legitimiert, weil er seinerzeit der Bildung der Rücklage zustimmte. § 15 Abs.1 Z 2 WEG sieht ausdrücklich das Verlangen auf Minderung der einmal beschlossenen Rücklage vor: Es soll eben nicht so sein, daß eine einmal beschlossene und gebildete Rücklage unabhängig von der Entwicklung der für die Rücklagenbildung maßgebenden tatsächlichen Umstände gleichsam "ewig" als Sondervermögen bestehen bleiben muß.Daraus folgt, daß zur Antragstellung auf Minderung der Rücklage auch diejenigen Miteigentümer (bzw. Fruchtgenußberechtigten) legitimiert sind, die seinerzeit der Bildung der Rücklage zustimmten. § 15 Abs.1 Z 2 WEG bildet sowohl die Rechtsgrundlage für überstimmte Miteigentümer, die die Bildung einer Rücklage überhaupt oder die Bildung der Rücklage in einer bestimmten Höhe, die gegen ihren Willen beschlossen wurde, bekämpfen wollen, als auch die Rechtsgrundlage für das Begehren jedes Miteigentümers auf Erhöhung oder (wie hier) Verminderung der einmal beschlossenen Rücklage. Daraus folgt, daß das Begehren des Antragstellers auf seine inhaltliche Berechtigung zu prüfen und sodann darüber mittels Sachbeschlusses zu entscheiden sein wird.
Zutreffend sind die Ausführungen des Rekursgerichtes darüber, daß in diesem Verfahren nicht dem Verwalter der Liegenschaft Parteistellung zukommt, weil es sich nicht um eine der im § 26 Abs.1 Z 4 WEG genannten Streitigkeiten handelt. Der Antrag des Antragstellers ist vielmehr als ein solcher gegen die anderen (nicht vom Fruchtgenußrecht des Antragstellers betroffenen) Miteigentümer der Liegenschaft zu behandeln. Diese werden im fortzusetzenden erstgerichtlichen Verfahren als Antragsgegner zu behandeln sein.
Zusammenfassend ergibt sich daher folgendes:
Der rekursgerichtliche Beschluß war, soweit er den angefochtenen erstgerichtlichen Beschluß und das diesem vorangegangene Verfahren mangels Beteiligung der anderen (nicht vom Fruchtgenußrecht des Antragstellers belasteten) Miteigentümer als nichtig aufhob, zu bestätigen, bezüglich des Ausspruches über die Zurückweisung des Antrages des Antragstellers jedoch dahin abzuändern, daß dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wird.
Anmerkung
E34065European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00125.91.0630.000Dokumentnummer
JJT_19920630_OGH0002_0050OB00125_9100000_000