Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika T*****, vertreten durch Dr. Norbert Margreiter, Rechtsanwalt in Bezau, wider die beklagte Partei Richard Ernst H*****, vertreten durch Dr. Bertram Grass, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Unterlassung (Streitwert S 100.000,-) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 17. Februar 1992, GZ 1 R 34/92-10, den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs. 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Antrag des Revisionsgegners auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird gemäß § 508 a Abs 2 Satz 3 ZPO abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Begründung:
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes als Widmungsänderung iSd § 13 Abs 2 WEG sei auch die Änderung des Gegenstandes und der Betriebsform des im Wohnungseigentumsobjekt geführten Unternehmens zu verstehen, weil dadurch Rechte und rechtlich geschützte Interessen sowohl der Gemeinschaft als auch jedes einzelnen Wohnungseigentümers berührt werden können, ist durch die Judikatur gedeckt (MietSlg. 40/16). Der in § 13 Abs 2 WEG verwendete Begriff "Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen)" ist nämlich sehr weit auszulegen (Faistenberger-Barta-Call, Kommentar zum WEG, Rz 6 zu § 13).
Eine derartige Widmungsänderung verletzt nicht bloß obligatorische Rechte der anderen Wohnungseigentümer. Die Bindung an die in § 13 Abs 2 WEG angeführten Voraussetzungen, die der Überprüfung durch den Außerstreitrichter unterliegen (§ 26 Abs 1 Z 2 WEG), macht deutlich, daß es um Eingriffe in dinglich geschützte Rechtspositionen geht. Zur Abwehr eigenmächtiger Änderungen am Wohnungseigentumsobjekt steht daher jeden einzelnen Wohnungseigentümer ein im streitigen Rechtsweg durchzusetzender Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch zu (MietSlg 33/19; MietSlg 39.615 ua). Auch zum vergleichbaren Problem der Abwehr eigenmächtiger Benützungsänderungen im Mietrechtsverhältnis wurde judiziert, daß der Unterlassungsanspruch des Vermieters in seinen Eigentümerbefugnissen wurzelt (MietSlg 30.192).
Damit hat das Berufungsgericht dem Einwand des Beklagten, als Einzelrechtsnachfolger seiner geschiedenen Ehegattin im Wohnungseigentum am fraglichen Geschäftslokal nicht an die im seinerzeitigen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag festgelegte Widmung gebunden zu sein (obwohl er sie kannte), zu Recht keine Beachtung geschenkt. Es ist auch unerheblich, ob diese Widmung im Nutzwertfeststellungsbescheid aufscheint, weil bei der Veräußerung von Wohnungseigentum immer nur die konkreten dinglichen Befugnisse übergehen können. Die Lehre nimmt sogar eine Bindung des Einzelrechtsnachfolgers an die in der Hausordnung festgelegten Nachbarschaftspflichten an, weil deren Geltungsgrund außerhalb der rein obligatorischen Vertragsbeziehung zwischen den Wohnungseigentümern liegt (Faistenberger-Barta-Call aaO, Rz 63 zu § 14; vgl. Bärmann-Pick-Merle, WEG5, Rz 87 zu § 21).
Auch die vom Rechtsmittelwerber geäußerten Zweifel an der vom Berufungsgericht angenommenen Änderung des Unternehmensgegenstandes und der Betriebsform geben keinen Anlaß, die Revision zuzulassen. Ob aus einem Tagescafe ein Nachtcafe gemacht wurde oder "lediglich" die strikte Speerstundenregelung gefallen ist, macht keinen qualitativen, sondern nur einen quantitativen Unterschied, der mangels erheblicher Rechtsfrage keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegt. Darum ist auch der Rüge nicht weiter nachzugehen, das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung Feststellungen zugrunde gelegt, die im Urteil der ersten Instanz gar nicht enthalten waren. Schon das Erstgericht hat nämlich festgestellt, daß sich der Beklagte an die im Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 22. 3. 1977 festgelegte Speerstundenregelung nicht gebunden erachtet (S 5 des Urteils ON 6). Das heißt nichts anderes, als daß der Beklagte ein Recht auf unbeschränktes Offenhalten seines Cafes beansprucht, obwohl seiner Rechtsvorgängerin die (sogar exekutiv erzwungene) Pflicht auferlegt war, den Betrieb um 20 Uhr zu schließen und für ein Verlassen der Gäste bis spätestens 21 Uhr zu sorgen. Die daran geknüpfte rechtliche Überlegung, es handle sich um eine dem § 13 Abs 2 WEG zu unterstellende Widmungsänderung, ist durchaus vertretbar.
Schließlich ist nicht zu beanstanden, daß es die Vorinstanzen - dem Klagebegehren folgend - nicht bei einem bloßen Verbot des Offenhaltens des Geschäftslokals nach 20 Uhr bewenden ließen, sondern dem Beklagten auftrugen, "den Betrieb des Cafes täglich spätestens um 20 Uhr einzustellen und dafür Sorge zu tragen, daß der letzte Gast spätestens um 21 Uhr das Lokal verlassen hat". Wie bereits erwähnt, steht nämlich dem durch eine eigenmächtige Widmungsänderung beeinträchtigten Wohnungseigentümer - je nachdem, wie weit die Eingriffshandlung gediehen ist - ein Unterlassungs- und/oder ein Beseitigungsanspruch zu (MietSlg 33/19; MietSlg 39.615 ua). Die korrespondierende Pflicht zur Bewahrung und (Wieder-)Herstellung des gesetzlichen Zustandes kann im Einzelfall also auch ein Tätigwerden des rechtswidrig Handelnden erfordern. Genau das drücken die Urteile der Vorinstanzen durch die Bezugnahme auf die im Wohnungseigentumsvertrag festgelegten Pflichten des Beklagten aus.
Anmerkung
E29316European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB01028.92.0630.000Dokumentnummer
JJT_19920630_OGH0002_0050OB01028_9200000_000