TE Vfgh Erkenntnis 2001/12/5 B1216/00

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Veröffentlicht am 05.12.2001
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

EMRK Art3
PersFrSchG 1988 Art1 ff
VStG §35 Z1

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Unterlassung unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung durch Fesselung der Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Festnahme während einer straßenpolizeilichen Kontrolle; keine Verletzung im Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit durch die Festnahme zur Identitätsfeststellung; Befragung der Kinder der Beschwerdeführerin nicht möglich

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit damit ihre Beschwerde wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen die im Zuge der Festnahme erfolgte Anlegung der Handfesseln abgewiesen wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art3 EMRK verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Das Land Wien ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2143,85 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit dem vorliegenden Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (im folgenden: UVS), der am 14. März 2000 mündlich verkündet und dessen schriftliche Ausfertigung der Beschwerdeführerin am 29. Mai 2000 zugestellt wurde, wurde die Beschwerde der nunmehrigen Beschwerdeführerin wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, soweit sich diese gegen die am 17. August 1999 um

20.25 Uhr erfolgte Festnahme und die darauffolgende Anhaltung bis 20.45 Uhr bzw. soweit sich diese gegen das im Zuge der Festnahme erfolgte Anlegen der Handfesseln und der damit verbundenen Verletzung des Art3 EMRK richtete, als unbegründet abgewiesen.

1.2. Der UVS nahm dabei - nach Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, in welcher die Beschwerdeführerin, die Tochter und der Ehemann der Beschwerdeführerin, vier Sicherheitswachebeamte und ein weiterer Zeuge einvernommen wurden, folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

"Am 17.8.1999 wurde von Sicherheitswachebeamten ein Planquadrat in Wien 2., Praterstraße - Schrottgießergasse durchgeführt, dessen Schwerpunkt Rotlichtübertretungen von Radfahrern war, da die Kreuzung sehr unfallträchtig ist. Hptm. M und Insp. S standen im Bereich zwischen Schwenk des Radweges und an der Ecke der, der Praterstraße zugewandten, Glaswand des dortigen U-Bahn-Abganges. Insp. J stand in der Nähe der Glasvitrinen und GrI. A führte auf dem Radweg in der Nähe des Fahrbahnrandes Schrottgießergasse eine Amtshandlung durch.

Um ca. 20.23 Uhr fuhr die Beschwerdeführerin mit dem Fahrrad in Schrittgeschwindigkeit mit ihren beiden Kindern auf dem Radfahrstreifen der Praterstraße in Richtung 1. Bezirk. Ihr 5-jähriger Sohn T fuhr vor ihr und ihre 10-jährige Tochter P hinter ihr. Trotzdem die Ampel auf Rot geschalten hatte, überquerte die Beschwerdeführerin die Kreuzung in gerader Richtung.

Die Beschwerdeführerin wurde auf Höhe Onr. 29 angehalten und hielt sie ihr Fahrrad zwischen ihren Beinen fest. Ihre beiden Kinder blieben ca. fünf Meter nach dem U-Bahn-Abgang, im Bereich der dort befindlichen Glasvitrinen stehen. Die Beschwerdeführerin wurde von Hptm. M über die festgestellte Verwaltungsübertretung in Kenntnis gesetzt. Er teilte der Beschwerdeführerin mit, dass normalerweise pro Person ATS 500,--, also insgesamt ATS 1.500,--, zu zahlen sei. Da ihre Kinder jedoch strafunmündig seien, müsse die Beschwerdeführerin nur ATS 500,-- bezahlen. Die Beschwerdeführerin bestand jedoch darauf, dass sie bei Grünlicht die Fahrbahn zu überqueren begonnen habe; außerdem habe sie nur ATS 50,-- bei sich. Die Beschwerdeführerin wurde nunmehr darauf aufmerksam gemacht, dass sie mit einer Anzeige zu rechnen hätte, wenn sie das Organmandat nicht bezahlen würde und wurde aufgefordert, Name und Anschrift bekannt zu geben.

Die Beschwerdeführerin gab an, keinen Ausweis bei sich zu haben und weigerte sich auch grundsätzlich, Namen und Anschrift bekannt zu geben. Sie wurde von den Beamten wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass sie im Falle der Verweigerung vorläufig festgenommen werde. Da sie sich weiter unkooperativ zeigte und die gewünschten Daten nicht bekannt gab, wurde die Festnahme gemäß §35 Z1 VStG ausgesprochen.

Daraufhin rief die Beschwerdeführerin ihren Kindern zu, dass sie nach Hause fahren und ihren Vater verständigen sollten, woraufhin diese sofort wegfuhren.

Zugleich versetzte die Beschwerdeführerin Hptm. M mit beiden Händen einen Stoß gegen den Oberkörper - wobei ihr Fahrrad umfiel - und lief zum U-Bahn-Abgang, um sich dort mit beiden Händen am Außengeländer des Stiegenabganges fest zu halten. Sie verhielt sich nunmehr äußerst aggressiv und ungestüm mit der Zielsetzung, die Amtshandlung zu stören bzw. vollkommen zu verhindern. Schließlich ergriffen Hptm. M und Insp. S die Beschwerdeführerin an beiden Armen, um sie in der Folge am Rücken zu schließen.

Die Beschwerdeführerin wurde von Insp. J und Insp. S in die Mitte genommen, lose an den Oberarmen gehalten und Richtung Wachzimmer Tempelgasse eskortiert. Hptm. M ist - das Fahrrad der Beschwerdeführerin schiebend - den Kollegen gefolgt.

Am Wachzimmer hatte sich die Beschwerdeführerin so weit beruhigt, dass man ihr die Handfesseln abnahm. Sie gab nunmehr Name, Anschrift, Geburtsdatum und Telefonnummer bekannt und wurde an der angegebenen Telefonnummer angerufen. Es meldete sich ein Kind, welches sagte, dass der Vater noch nicht zu Hause sei. Daraufhin gab die Beschwerdeführerin die Telefonnummer von der Arbeitsstätte des Ehegatten bekannt, wo jedoch niemand erreicht werden konnte.

Nachdem die Daten der Beschwerdeführerin im EKIS überprüft wurden und diese Abfrage negativ verlief, wurde die Beschwerdeführerin im Auftrag des Hptm. M von Insp. J und einem weiteren Sicherheitswachebeamten nach Hause gebracht, um dort in ein Ausweisdokument Einsicht zu nehmen.

Auf Höhe der Praterstraße - Aspernbrückengasse trafen sie auf den Ehemann der Beschwerdeführerin, welcher in Begleitung der beiden Kinder war. Der Sicherheitswachebeamte hat Einsicht in den Lichtbildausweis des Ehegatten der Beschwerdeführerin genommen, das Nationale aufgeschrieben und wurde sofort nach Bekanntgabe des Nationales des Ehegatten die Anhaltung der Beschwerdeführerin aufgehoben."

1.3. In rechtlicher Hinsicht hat der UVS folgendes erwogen:

"Zur behaupteten rechtswidrigen Festnahme:

Nach dem als erwiesen angenommenen Sachverhalt wurde die Beschwerdeführerin gemäß §35 Z1 VStG festgenommen.

Gemäß §35 Z1 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist.

Gemäß §38 Abs5 StVO gilt rotes Licht als Zeichen für 'Halt'. Bei diesem Zeichen haben die Lenker von Fahrzeugen unbeschadet der Bestimmungen des Abs7 und des §53 Z. 10a an den im Abs1 bezeichneten Stellen anzuhalten.

Nach dem als erwiesen angenommenen Sachverhalt stellte das - von den Sicherheitswachebeamten wahrgenommene - Verhalten der Beschwerdeführerin, nämlich, dass sie das Rotlicht der Verkehrsampel nicht beachtet hat, indem sie nicht vor der Kreuzung anhielt, sondern die Kreuzung überquerte, eine Verwaltungsübertretung nach §38 Abs5 StVO dar.

Da die Beschwerdeführerin trotz mehrmaliger Aufforderung ihre Identität nicht bekannt gab, obwohl sie über die Folgen einer derartigen Verweigerung mehrmals in Kenntnis gesetzt wurde und ihre Identität auch auf keine andere Weise feststellbar war, erfolgte die Festnahme gemäß §35 Z1 VStG zu Recht.

Dazu sei bemerkt, dass auch die Feststellung der Identität auf eine andere Art und Weise (arg. 'sonst nicht sofort feststellbar ist' - §35 Z1 VStG) nicht möglich war. Auch war dies nicht - wie in der Beschwerde angeführt - vor Ort durch Befragung ihrer Tochter und ihres Sohnes möglich, da sich die Beschwerdeführerin einerseits grundsätzlich weigerte, irgendwelche Daten - etwa Name oder Wohnanschrift - bekannt zu geben und diese Daten daher gar nicht durch Befragen der Kinder überprüft werden konnten, andererseits die Beschwerdeführerin die Kinder auch aufforderte, davon zu fahren, und somit auch deshalb eine Kontaktaufnahme zwischen den Sicherheitswacheorganen und den Kindern nicht möglich gewesen ist.

Auch ein weiteres gelinderes Mittel, etwa Einsicht in einen Ausweis in der Wohnung der Beschwerdeführerin war nicht anzuwenden, da eine Wohnanschrift vor Ort nicht bekannt gegeben wurde und die Ausführung in die Wohnung ohnehin aufgrund des aggressiven Verhaltens der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen wäre.

Zur behaupteten Rechtswidrigkeit des Anlegens der Handfesseln am Rücken:

Wie bereits dem als erwiesen angenommenen Sachverhalt entnommen werden konnte, hat die Beschwerdeführerin gegenüber den amtshandelnden Sicherheitswachebeamten ein äußerst aggressives Verhalten an den Tag gelegt, welches durch den gegen Hptm. M gerichteten Stoß seinen Höhepunkt fand. Um Verletzungen der eigenen Person zu vermeiden, war schon aus diesem Grunde das Anlegen der Handfesseln gerechtfertigt. Außerdem mussten die einschreitenden Sicherheitswachebeamten aufgrund des Verhaltens der Beschwerdeführerin mit weiteren Fluchtmaßnahmen rechnen und diente das Anlegen der Handfesseln auch zur Verhinderung weiterer solcher Tathandlungen. Letztlich war die Klammerung der Beschwerdeführerin am Außengeländer des U-Bahn-Abganges als Bestrebung zu werten, die Amtshandlung der Sicherheitswachebeamten und die Beendigung derselben zu verhindern, sodass auch unter dem Gesichtspunkt des letztgenannten Argumentes das Anlegen der Handfesseln als verhältnismäßig und nicht als gegen die Intentionen des Art3 EMRK widersprechend anzusehen war.

Gemäß §2 Waffengebrauchsgesetz 1969 dürfen Organe der Bundespolizei, der Bundesgendarmerie und der Gemeindewachkörper in Ausübung des Dienstes nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes von Dienstwaffen Gebrauch machen:

1.

im Falle gerechter Notwehr,

2.

zur Überwindung eines auf die Vereitelung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes,

3.

zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme,

4.

zur Verhinderung des Entkommens einer rechtmäßig festgehaltenen Person und

5.

zur Abwehr einer von einer Sache drohenden Gefahr.

Gemäß §4 leg.cit ist der Waffengebrauch nur zulässig, wenn ungefährliche oder weniger gefährliche Maßnahmen, wie insbesondere die Aufforderung zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, die Androhung des Waffengebrauches, die Verfolgung eines Flüchtenden, die Anwendung von Körperkraft oder verfügbaren gelinderen Mitteln, wie insbesondere Handfesseln oder technische Sperren, ungeeignet scheinen oder sich als wirkungslos erwiesen haben.

Auf Grund des aggressiven Verhaltens der Beschwerdeführerin war ein Waffengebrauch gemäß §2 leg.cit. zulässig. Da die Beschwerdeführerin ihr aggressives Verhalten nicht einstellte und zuvor vom Fahrrad weglief und sich am U-Bahn-Außengeländer festklammerte, erscheint der erkennenden Behörde im gegenständlichen Fall das Anlegen der Handfesseln das gelindere Mittel, um den angestrebten Zweck - Feststellung der Identität und Verbringung auf das Wachzimmer - zu erreichen. In Anbetracht der Umstände, dass die Beschwerdeführerin ein unberechenbares Verhalten zeigte, erschien es jedenfalls ratsam, die Handfesseln bis zum Verbringen in das Wachzimmer anzulegen. Der Beschwerdeführerin wurden am Wachzimmer die Handfesseln abgenommen, sodass sie nur für den unbedingt notwendigen Zeitraum - Verbringung zum Wachzimmer - geschlossen war.

Die erkennende Behörde hält somit das Anlegen der Handfesseln als gerechtfertigt und ist sohin die Beschwerdeführerin durch das Anlegen der Handfesseln in keinem Recht verletzt.

Zur Dauer der Anhaltung von 20.25 Uhr bis 20.45 Uhr:

Aufgrund des Ermittlungsverfahrens ist als erwiesen anzusehen, dass die Festnahme, die den Beginn der Anhaltung darstellt, um 20.25 Uhr erfolgte.

Nach übereinstimmenden Aussagen (auch der Beschwerdeführerin) wurden im Wachzimmer Tempelgasse die Daten der Beschwerdeführerin mittels EKIS überprüft. Danach erging die Anweisung an zwei Sicherheitswachebeamte, die Beschwerdeführerin zu ihrer Wohnung zu begleiten, um dort Einsicht in einen Ausweis zu halten. Auf dem Weg begegnete man dem Ehegatten der Beschwerdeführerin und wurde in einen Ausweis von ihm Einsicht genommen. Nachdem die Daten des Ehegatten aufgenommen waren, wurde die Beschwerdeführerin um 20.45 Uhr aus der Haft entlassen.

Gemäß Art2 Abs1 Z3 PersFrG darf einem Menschen die Freiheit auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist.

Die gesamte Anhaltung der Beschwerdeführerin dauerte im gegenständlichen Fall, wie oben erwähnt, von 20.25 Uhr (Ausspruch der Festnahme) bis 20.45 Uhr, also nur zwanzig Minuten. Die Beschwerdeführerin wurde somit sogleich, als sich ergeben hat, dass kein weiterer Grund für ihre Anhaltung vorlag, freigelassen.

Die Anhaltedauer ist auch im Hinblick auf die Bestimmungen des PersFrG keineswegs zu lang, sondern verhältnismäßig; dies insbesondere deshalb, weil in diesen Zeitraum die Überstellung vom Tatort zum Wachzimmer Tempelgasse, die Überprüfung der Daten der Beschwerdeführerin und der Weg Richtung Wohnung der Beschwerdeführerin bis zum Zusammentreffen mit Herrn A, fiel.

Die Beschwerdeführerin wurde daher durch die Anhaltung von 20.25 Uhr bis 20.45 Uhr in keinem Recht verletzt. Somit war die Beschwerde auch in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt sei bemerkt, dass das gesamte Verhalten der Beschwerdeführerin als äußerst verantwortungslos anzusehen ist und sich die Beschwerdeführerin auch während des gesamten Verfahrens uneinsichtig hinsichtlich dieses Verhaltens zeigte. Das sehr umfangreiche Ermittlungsverfahren hat nicht erkennen lassen, dass die Beamten - wie in den offensichtlich einseitig informierten Medien dargestellt - überschießend gehandelt haben, oder dass seitens der einschreitenden Beamten auch nur irgendeine Handlung gesetzt wurde, welche geeignet war, die Beschwerdeführerin zu provozieren. Vielmehr war das Verhalten der Beschwerdeführerin uneinsichtig und wäre seinerseits geeignet gewesen, die Beamten zu provozieren, was jedoch gegenständlich nicht gelungen ist. Es mag auch das gesamte Vorgehen für die Beschwerdeführerin unangenehm gewesen sein, jedoch war das Einschreiten der Sicherheitswachebeamten nicht nur zum Zwecke der Durchsetzung (straßenverkehrs-)rechtlicher Bestimmungen geboten, sondern diente auch der Verfolgung des Interesses der Sicherheit der Kinder. Dies hat die Beschwerdeführerin nicht zu erkennen vermocht und hat auch das durchgeführte Verfahren dies offensichtlich nicht bewirken können."

2. Gegen den die Amtshandlung leitenden Beamten wurde wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach §302 Abs1 StGB ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet. Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. Mai 2000 schuldig erkannt, am 17. August 1999 in Wien als Sicherheitswachebeamter mit dem Vorsatz, dadurch andere in ihren Rechten zu schädigen, nämlich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf persönliche Freiheit und Beaufsichtigung ihrer unmündigen Kinder durch die Behörde, nach dem sie selbst festgenommen worden war, sowie die Republik Österreich in ihrem Recht auf Ausschluß von Kindern unter zwölf Jahren ohne Aufsichtsperson als Radfahrer vom öffentlichen Verkehr, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht zu haben, indem er die Beschwerdeführerin, die gemeinsam mit ihrer 10-jährigen Tochter und ihrem 6-jährigen Sohn mit Fahrrädern unterwegs war, festnahm, ihr Handschellen anlegen ließ sowie zu einem Wachzimmer bringen ließ und es zuließ, daß die beiden Kinder nun unbeaufsichtigt am öffentlichen Verkehr teilnahmen. Der die Amtshandlung leitende Sicherheitswachebeamte wurde deshalb unter Anwendung des §41 und des §37 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von S 40.000,-

(Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 100 Tagen) sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

3. Der Oberste Gerichtshof verwarf mit Urteil vom 12. Dezember 2000 die auf die Gründe der Z5 und 9 lita des §281 Abs1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde und gab der Berufung des Angeklagten dahin Folge, daß gemäß §43a Abs1 StGB ein Teil der Geldstrafe im Ausmaß der Hälfte (im Uneinbringlichkeitsfall die Hälfte der Ersatzfreiheitsstrafe) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Im übrigen wurde der Berufung nicht Folge gegeben.

4. Gegen den Bescheid des UVS richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Schutz der persönlichen Freiheit und darauf, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall einer Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde die Abtretung gemäß Art144 Abs3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof sowie die Feststellungen, daß die Beschwerdeführerin durch die am 17. August 1999 um 20.25 Uhr erfolgte Festnahme und darauffolgende Anhaltung bis 20.45 Uhr in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit sowie durch das im Zuge der Festnahme erfolgte Anlegen der Handfesseln und Belassen der Handfesseln bis zum Erreichen des Wachzimmers in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt wurde, beantragt wird.

Die Beschwerdeführerin entnimmt die Darstellung des Sachverhalts - wie sie in der Beschwerde anführt - im wesentlichen wortgleich den Feststellungen im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. Mai 2000, nämlich:

"Am 17.08.1999 habe ich mit meinem beiden Kindern P, geb 28.03.1989 und T, geb 18.07.1994, von meiner Wohnung aus in Wien 2., ..., einen Radausflug in den Prater gemacht. Ich bin mit meinen beiden Kindern über den Radweg zur Prater Hauptallee gefahren und etwa gegen 20.30 Uhr von dort über die Praterstraße wieder zurück zu meiner Wohnung. Ich befuhr dabei den Radweg der Praterstraße in Richtung Schwedenbrücke, wobei mein fünfjähriger Sohn T an erster Stelle fuhr, danach ich und zuletzt meine zehnjährige Tochter P. Wir näherten uns der Kreuzung Praterstraße/Nestroyplatz an und fuhren sodann bei Grünlicht in diese Kreuzung ein. Während des Überquerens, als ich mich auf der Höhe einer Verkehrsinsel befand, sprang jedoch die Ampel auf Rot. Über meine Anweisung fuhren die Kinder und auch ich trotzdem, dh bei Rot weiter und erreichten die andere Fahrbahnseite somit ebenfalls bei Rotlicht.

Zu dieser Zeit führten Beamte der Bundespolizeidirektion Wien, Hauptmann W M als Vorgesetzter und drei weitere Beamte auf der Kreuzung ein Planquadrat durch mit dem Ziel, bei Rotlicht die Kreuzung überquerende Fußgänger und Radfahrer anzuhalten und allenfalls zu bestrafen.

Auf der anderen Seite der Kreuzung angekommen wurde ich mit meinen Kindern von den Beamten angehalten und von mir (ohne mir vorher das Unrechtmäßige des Mißachtens des Rotlichtes, noch dazu mit zwei Kindern, vorzuhalten oder mich vielleicht abzumahnen) ohne weitere Diskussion ATS 1.500,-- (offenbar Strafe für das Überqueren der Fahrbahn bei Rotlicht) verlangt. Ich war über die Höhe dieses Betrages ganz geschockt, zumal ich mich auch noch zu Unrecht bestraft fühlte, da ich ja bei Grün in die Kreuzung eingefahren war und die Kreuzung nur bei Rotlicht verlassen, also geräumt hatte. Ich fragte:

'Warum ATS 1.500, --?', worauf mir geantwortet wurde: 'Sie sind da gerade bei Rot über die Kreuzung gefahren.' Ich bestritt nun, bei Rot eingefahren zu sein, worauf mir vom leitenden Beamten erwidert wurde, er habe gesehen, daß ich bei Rot eingefahren sei. Ich weigerte mich nun zu zahlen, da ich mich im Recht fühlte und darüber hinaus gar nicht so viel Geld bei mir hatte, da ich mit meinen Kindern nur auf einem Radausflug gewesen war. Ich bezeichnete die Forderung als unglaublich und sagte, daß ich nicht zahlen werde. Der leitende Beamte erwiderte darauf, daß er mich dann anzeigen werde und verlangte von mir (ohne auch nur meinen Namen zu erfragen) einen Ausweis. Ich antwortete, daß ich keinen Ausweis bei mir habe, da ich ja nur auf einem Spielplatz gewesen sei. Ich sagte, daß ich kein Geld und keinen Ausweis mithabe und mit den Kindern nach Hause fahre; dabei wurde ich immer aufgeregter und lauter und protestierte lautstark gegen die Amtshandlung.

Die Beamten hätten nun die Möglichkeit gehabt, mich nach meinem Namen und meiner Adresse zu fragen oder sich bei meinen Kindern danach zu erkundigen (die aufgrund ihres Alters auf die Frage 'Wie heißt Du denn und wo wohnst Du?' zweifellos wahrheitsgemäß geantwortet hätten) oder auch mich nach Hause, nur wenige hundert Meter weiter zu begleiten oder begleiten zu lassen, um meine Identität durch einen Ausweis festzustellen. Da der die Amtshandlung leitende Beamte als Vorgesetzter vor seinen drei Untergebenen und auch vor bereits durch den Tumult aufmerksam gewordenen und stehengebliebenen Passanten nicht 'das Gesicht verlieren' und als 'lächerlich' dastehen wollte, wenn er sich gegen eine zierliche, wenn auch schreiende Frau nicht durchsetzen konnte und sie einfach - ohne Geld und Ausweis von ihr zu bekommen - ziehen ließ, entschloß er sich, mich festzunehmen. Dies tat er mit den Worten: 'Sie sind vorübergehend festgenommen. Kommen Sie runter vom Rad. Kommen Sie auf's Wachzimmer.' Die Festnahme erfolgte, obwohl ich weder geflüchtet war, noch die Beamten angriff. Es bestand weder Fluchtgefahr noch eine Gefährdung der Beamten.

Ich konnte nicht glauben, daß man mich wegen eines Rotlichtüberfahrens festnehmen wollte und das auch noch vor meinen Kindern und protestierte weiter lautstark, worauf der leitende Beamte wieder, um 'sein Gesicht zu wahren', zu zwei anderen Beamten sagte:

'Holts'es runter vom Radl.' Zwei Beamte erfaßten mich daraufhin an den Oberarmen rechts und links und zogen mich vom Rad, worauf das Rad umfiel. Ich schrie nun:'Laßt's mich los, was macht's da!' und versuchte, die Beamten abzuschütteln, worauf der leitende Beamte wieder sagte: 'Gebt's ihr gleich die Handschellen aufe, damit's keine Mucken macht.', mich also in Handschellen legen ließ. Tatsächlich legten die Beamten mir hinten die Handschellen an und zogen mich zwei bis drei Meter weg vom umgefallenen Rad zum U-Bahn-Abgang. Als ich fassunglos fragte, ob die Beamten mir überhaupt Handschellen anlegen dürften, sagte der leitende Beamte: 'Sie glauben gar nicht, was wir alles dürfen.' Ich protestierte nun weiter und rief aufmerksam gewordenen Passanten zu: 'So schaut Dein Freund und Helfer aus!', worauf der leitende Beamte, um weiteres Aufsehen zu vermeiden, sagte:

'So, gehen wir schnell weg von da.' Zwei Beamte ergriffen mich daraufhin an beiden Oberarmen und eskortierten mich in Richtung Wachzimmer Tempelgasse.

Im Weggehen rief ich zwischen den Polizisten meinen Kindern, die ca 7 bis 10 Meter entfernt standen und den ganzen Vorfall beobachtet hatten und schon verschreckt und verstört waren zu, sie sollten nach Hause fahren und schauen, ob der Papa da ist, worauf die Kinder mit ihren Rädern wegfuhren. Keiner der Beamten hielt meine Kinder zurück, noch wurden sie nach Hause begleitet.

Obwohl ich mich am Weg zum Wachzimmer beruhigte, wurden mir die Handschellen nicht abgenommen. Erst auf dem Wachzimmer geschah dies und wurde ich nach meinen Generalien befragt, welche ich auch angab.

Der leitende Beamte forderte dann einen offenbar untergebenen anderen Beamten auf, in meiner Wohnung anzurufen und meine Tochter aufzufordern, einen Ausweis von mir auf das Wachzimmer zu bringen. Ich habe heftig dagegen protestiert, da meine Wohnung im dritten Stock liegt und ich bei Verlassen der Wohnung mit den Kindern die Fenster offen gelassen hatte. Ich wollte jedenfalls verhindern, daß mein fünfjähriger Sohn alleine bei geöffneten Fenstern in der Wohnung im dritten Stock zu Hause bleibt. Als einer der Beamten dem Vorgesetzten erklärte, 'Das können wir wirklich nicht machen.' wurde von diesem Versuch wieder Abstand genommen. Daraufhin wurde bei meinem Gatten in der Arbeit angerufen, doch war dieser nicht mehr dort. In weiterer Folge wurde ich zwar ohne Handschellen, aber von zwei Beamten in Richtung meiner Wohnung eskortiert, damit die Beamten dort in meinen Ausweis Einsicht nehmen und die Identität überprüfen konnten. Zwischenzeitig war mein Mann nach Hause gekommen und von den verstörten und weinenden Kindern über den Vorfall informiert worden, worauf er sofort mit den Kinder in Richtung Wachzimmer aufgebrochen war und auf dem Weg nun auf mich und die eskortierenden Beamten traf. Nachdem mein Mann einem Beamten seinen Ausweis zeigte, wurden seine Daten aufgeschrieben und durfte ich sodann mit meiner Familie nach Hause gehen.

Ich habe den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, die ein gerichtliches Strafverfahren gegen den, die Amtshandlung leitenden Beamten eingeleitet hat. Dieser wurde mit erstinstanzlichem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.05.2000 zu GZ ..., wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem §302 Abs1 StGB verurteilt. Nicht unerwähnt sei, daß die vorangestellte Sachverhaltsdarstellung - welche mit meiner bisherigen Verantwortung im Verfahren übereinstimmt - im wesentlichen wortgleich den Feststellungen des zitierten Gerichtsurteils entnommen ist."

Zur Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Schutz der persönliche Freiheit führt die Beschwerdeführerin vor allem aus:

"Die relevante Bestimmung des §35 Z1 VStG 1991 setzt jedenfalls voraus, daß die Person 'auf frischer Tat betreten' wird, das heißt, daß sie eine als Verwaltungsübertretung strafbare Handlung begeht und bei Begehung der Tat betreten wird. In ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes wird nicht gefordert, daß die vorzunehmende rechtliche Beurteilung der Tat richtig ist, sehr wohl aber, daß sie vertretbar ist.

Dies lag jedoch nicht vor und konnten die Organe keinesfalls mit gutem Grund annehmen, daß mir eine Verwaltungsübertretung zur Last gefallen sei. Nach dem klaren Wortlaut des §38 Abs8 iVm Abs1 bis 7 StVO, dem Willen des Gesetzgebers wie er in RV 82 zu §38 StVO und überdies der ständigen Judikatur der Höchstgerichte hervorgeht, war ich, da ich bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren war, berechtigt und nach einigen Judikaten auch verpflichtet, die Kreuzung zu räumen. Dies würde selbst dann gelten, wenn ich bei blinkendem grünen Licht in die Kreuzung eingefahren wäre, da der Lenker eines Fahrzeuges, der bei blinkendem grünen Licht noch die Kreuzung übersetzt, sich ebenfalls keiner Verwaltungsübertretung schuldig macht.

Da die Beurteilung meines Verhaltens als Verwaltungsübertretung unvertretbar war, konnten Festnehmungsgründe gem §35 VStG 1991 nicht in Betracht kommen, weshalb meine Festnahme, die Anlegung von Handfesseln und die anschließende Anhaltung folglich gesetzwidrig waren.

Selbst für den Fall, daß ich bereits bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren wäre, hätte der Verwaltungsakt meine verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte verletzt, da gem Art2 Abs1 Z3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung erforderlich sein muß. Selbst wenn ich also auf frischer Tat betreten worden wäre, wäre eine Festnahme zum Zweck der Vorführung vor die Behörde nach §35 Z1 nur zulässig, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist. Da ich mich auf der Rückfahrt eines kurzen Radausfluges mit meinen Kindern befand, hatte ich tatsächlich keinen Ausweis bei mir. Die einschreitenden Beamten haben jedoch nicht einmal versucht, anders als durch Ausweisleistung meine Identität festzustellen, sie haben mich auch nicht nach meiner Wohnadresse gefragt und wäre es, statt mich auf das Wachzimmer zu bringen, ein leichtes gewesen, mit mir in meine, in unmittelbarer Nähe befindliche Wohnung zu kommen und mich dort meine Identität nachweisen zu lassen. Auch wäre meine Identität und meine Adresse leicht durch Fragen an meine Kinder feststellbar gewesen, zumal eine Zehnjährige und ein Fünfjähriger auf die Frage eines Polizisten 'Wie heißt du denn und wo wohnst du?' zweifellos wahrheitsgemäß geantwortet hätten. Der Verwaltungsakt verstieß daher gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Art1 Abs3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit wie er in §35 Z1 VStG 1991 ausgeführt ist."

Zur Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden:

"Zweck der Anhaltung war die Feststellung meiner Identität nach einer vermeintlichen Rotlichtüberquerung. Weder war die erfolgte Handfesselung zur Erreichung dieses Zwecks angemessen noch war sie zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort notwendig. Vor Ort befanden sich 4 Polizeibeamte, sodaß von meiner Person - ich bin eine zierliche Frau mit 1,69m Körpergröße und 50kg Gewicht - keinerlei irgendwie ernstzunehmende Gefahr für Sicherheit und Ordnung ausgehen konnte bzw einer solchen Gefahr durch schlichtes körperliches Festhalten begegnet hätte werden können, wozu die Beamten wohl in der Lage gewesen wären. Das Anlegen der Handfesseln in der konkreten Situation war sohin eine überschießende und unverhältnismäßige Maßnahme, zumal in Anbetracht des Zweckes der Amtshandlung.

Im Rahmen des angefochtenen Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien nimmt dieser auf das Waffengebrauchsgesetz 1969 Bezug und führt aus, daß gem §2 leg cit aufgrund aggressiven Verhaltens meinerseits selbst ein Waffengebrauch zulässig gewesen wäre und verkennt damit die Rechtslage. Sämtliche der Tatbestände der genannten Bestimmung setzen eine Rechtmäßigkeit der Amtshandlung voraus, welche, wie zum ersten Beschwerdepunkt ausgeführt, nicht vorlag.

Entgegen den Bescheidausführungen habe ich auch weder ein äußerst aggressives Verhalten an den Tag gelegt noch zu flüchten versucht noch versucht, die Amtshandlung durch Klammerung am Außengeländer des U-Bahnabganges zu verhindern. Der angefochtene Bescheid nimmt insoweit auch überhaupt nicht darauf Bedacht, daß mir in der konkreten Situation eine Flucht überhaupt nicht möglich gewesen wäre, da ich in diesem Fall nicht nur die Räder sondern auch meine Kinder hätte zurücklassen müssen.

Selbst wenn man davon ausginge, daß ich mich am Geländer des U-Bahnabganges angeklammert hätte, wäre es, um mir die Handfesseln anzulegen, erforderlich gewesen, die Hände vom Geländer zu lösen und hätte es in weiterer Folge ausgereicht, mich durch Anwendung körperlicher Gewalt festzuhalten, eine Fesselung wäre sodann nicht notwendig gewesen und hätte quasi allein der Bequemlichkeit der Beamten bei meiner Abführung gedient.

Selbst wenn man davon ausginge, daß ein Anlegen der Handfesseln ursprünglich angemessen und notwendig war, so wäre das Erfordernis, sobald ich mich beruhigt hatte, weggefallen. Diesbezüglich kam auch das LG für Strafssachen Wien zu der Feststellung, daß ich mich bereits am Weg zum Wachzimmer beruhigte, weshalb ein weiteres Belassen der Fesseln an meinen Handgelenken ab diesem Zeitpunkt jedenfalls keine Rechtfertigung mehr fand.

Insoweit die Anlegung der Handfesseln am Rücken vor meinen kleinen Kindern, obwohl ich keinerlei Widerstand geleistet hatte, erfolgte, stellte sie insgesamt auch eine unmenschliche Behandlung iSd Art3 EMRK dar."

5. Der UVS legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er seinen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin erachtet das Anlegen der Handfesseln in der konkreten Situation als eine überschießende und unverhältnismäßige Maßnahme und fühlt sich hiedurch in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, verletzt.

Das gemäß Art3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, wird durch den Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates verletzt, wenn er eine in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgte Verletzung desselben nicht wahrnimmt. Ein solcher verfassungswidriger Eingriff liegt aber auch vor, wenn ein Bescheid in Anwendung eines der genannten Verfassungsvorschrift widersprechenden Gesetzes ergangen ist, wenn er auf einer dem genannten Grundrecht widersprechenden Auslegung des Gesetzes beruht oder wenn der Behörde grobe Verfahrensfehler unterlaufen sind (VfSlg. 13837/1994, 13897/1994, 15026/1997, 15372/1998).

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung wiederholt festgestellt, daß eine Fesselung mit Handschellen eine "unmenschliche oder erniedrigende Behandlung" im Sinne des Art3 EMRK darstellen kann (vgl. VfSlg. 7081/1973, 8146/1977, 10018/1984, 11327/1987, 12979/1992, 13044/1992, 13154/1992, 15026/1997, 15109/1998).

Nicht jedes unzulässige Anlegen von Handfesseln verstößt aber - zwingend - gegen Art3 EMRK. Physische Zwangsakte verletzen das in Art3 EMRK enthaltene Verbot "unmenschlicher und erniedrigender Behandlung" vielmehr nur dann, wenn qualifizierend hinzutritt, daß ihnen eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zu eigen ist (vgl. VfSlg. 8654/1979, 9231/1981, 9385/1982, 10546/1985, 11422/1987, 11692/1988, 11809/1988, 13154/1992).

Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, sie sei durch das Anlegen der Handfesseln am Rücken - vor den Augen ihrer Kinder - einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art3 EMRK unterzogen worden, wiegt schwer. Dieser Vorwurf verlangt eine sorgfältige Überprüfung der Angelegenheit, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Umstand zu berücksichtigen ist, daß die gegen die Beschwerdeführerin durchgeführte Amtshandlung von vier Sicherheitswachebeamten vorgenommen wurde und es sich - nach dem Beschwerdevorbringen - bei der Beschwerdeführerin um eine zierliche Frau mit einer Körpergröße von 1,69 m und einem Körpergewicht von etwa 50 kg handelt.

Demgegenüber begründet die belangte Behörde die Rechtmäßigkeit des Anlegens der Handfesseln am Rücken der Beschwerdeführerin einerseits mit dem von ihr "an den Tag gelegten äußerst aggressiven Verhalten", das durch einen gegen den Leiter der Amtshandlung gerichteten Stoß seinen Höhepunkt gefunden habe, weiters mit dem Versuch der Beamten, Eigenverletzungen sowie weitere Fluchtmaßnahmen der Beschwerdeführerin zu unterbinden, und andererseits damit, das Klammern der Beschwerdeführerin an das Außengeländer des U-Bahn-Abganges zu verhindern. Letzteres deutet die belangte Behörde als Bestreben der Beschwerdeführerin, die Amtshandlung und deren Beendigung zu stören. Der angefochtene Bescheid setzt sich aber mit keinem Wort mit der Frage auseinander, ob es den amtshandelnden Sicherheitswachebeamten nicht auf eine maßvollere - im Sinne des Art3 EMRK sohin verhältnismäßige - Weise als durch Anlegen von Handfesseln möglich gewesen wäre, dem Widerstand der Beschwerdeführerin zu begegnen; dies gerade auch im Hinblick darauf, daß sich die Beschwerdeführerin in Begleitung ihrer beiden Kinder befand.

Angesichts des festgestellten Sachverhalts läßt der vorliegende Bescheid eine hinreichende Begründung dahingehend vermissen, daß das Vorgehen der Sicherheitswachebeamten unter den geschilderten Umständen notwendig und maßhaltend war. Soweit daher der angefochtene Bescheid das Anlegen der Handfesseln am Rücken der Beschwerdeführerin als verhältnismäßig und nicht gegen die Intention des Art3 EMRK widersprechend erachtet, ist ihm ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler anzulasten, denn er hat eine in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgte Verletzung des Art3 EMRK nicht aufgegriffen.

Die behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, hat sohin stattgefunden. Der Bescheid war in diesem Umfang aufzuheben.

2. Die Beschwerdeführerin behauptet weiters die Verletzung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit.

Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde, mit dem darüber entschieden wird, ob eine Festnahme oder Anhaltung einer Person rechtmäßig war oder ist, verletzt das durch Art1 ff. des B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit und durch Art5 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit), wenn er gegen die verfassungsgesetzlich festgelegten Erfordernisse der Festnahme bzw. Anhaltung verstößt, wenn er in Anwendung eines verfassungswidrigen, insbesondere den genannten Verfassungsvorschriften widersprechenden Gesetzes, wenn er gesetzlos oder in denkunmöglicher Anwendung einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsgrundlage ergangen ist - ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 13708/1994, 13913/1994, 13934/1994, 15109/1998).

Der UVS stützt seine Feststellung, die bei ihm bekämpfte Festnahme der Beschwerdeführerin sei rechtmäßig gewesen, auf §35 Z1 VStG, nämlich darauf, daß die Feststellung der Identität der Beschwerdeführerin auf eine andere Art und Weise nicht möglich gewesen wäre (arg. "sonst nicht sofort feststellbar ist").

Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit dieser Normen (vgl. VfSlg. 11229/1987, 11930/1988, 14307/1995, 14761/1997, 15109/1998) könnte einer Verletzung des angeführten Grundrechtes nur bei einer denkunmöglichen Gesetzeshandhabung erfolgt sein. Ein solcher Vorwurf ist dem UVS jedoch nicht zu machen.

Dazu ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß es den amtshandelnden Sicherheitswachebeamten - anders als die Beschwerdeführerin vermeint - gerade nicht möglich gewesen wäre, die Identität der Beschwerdeführerin durch Befragen ihrer Kinder festzustellen. Wie die Beschwerdeführerin selbst vorbringt, waren ihre Kinder in Anbetracht der Situation äußerst verschreckt, es kann daher nicht angehen, daß in einer solchen, für Kinder dieses Alters sicherlich sehr belastenden Situation die Identitätsfeststellung der Beschwerdeführerin ausschließlich über die Befragung der Kinder durchzuführen gewesen wäre.

Die behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit hat sohin nicht stattgefunden.

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in weiteren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre. Die Beschwerde war daher im übrigen abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in Höhe von € 327,03 enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Verwaltungsstrafrecht, Festnehmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1216.2000

Dokumentnummer

JFT_09988795_00B01216_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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