TE OGH 1992/7/7 4Ob56/92

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Veröffentlicht am 07.07.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Egermann, Dr.Kodek und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutzverband *****, vertreten durch Dr.Walter Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1) "f***** Gesellschaft mbH & Co, *****;

2) F.M.Z*****gesellschaft mbH, *****; 3. Dkfm.Martin Z*****, alle vertreten durch Dr.Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 220.000 S) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 9. März 1992, GZ 5 R 275/91-23, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20.Juni 1991, GZ 28 Cg 317/89-18, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

Text

Begründung:

Eigentümerin der Grundstücke 506 und 509/1 KG E***** im Ausmaß von zusammen 8000 m2 ist die R***** Gesellschaft mbH & Co KG. Auf diesen Grundstücken - und zwar auf einer Fläche, für die keine Sonderwidmung für Einkaufszentren festgelegt worden ist - errichtete die P*****gesellschaft mbH letztlich auf Grund der mit Bescheid der Stadtgemeinde Sp***** vom 12.7.1989 geänderten Baubewilligung das Einkaufszentrum "D*****zentrum", bestehend aus zwei Geschäftseinheiten mit der Widmung "Unterhaltungselektronik" und "Schuhe". Im Mai 1989 hatte die Zweitbeklagte als damalige Komplementärin der Erstbeklagten einen Mietvertrag über beide Geschäftslokale des Einkaufszentrums abgeschlossen, in welchem bereits ausdrücklich die Errichtung eines Lebensmittelmarktes in einem Teil des Bestandobjektes vorgesehen war.

Im Süden des Einkaufszentrums befinden sich Kundenparkplätze sowie die offene Eingangshalle mit vier Säulen, aus der man links durch eine Eingangstüre in das 1125 m2 große Geschäftslokal Nr 1 und rechts durch eine Eingangstüre in das 1192,7 m2 große Geschäftslokal Nr 2 gelangt. Im Geschäftslokal Nr 1 führte die Erstbeklagte bis Dezember 1989 das Elektrogeschäft "M*****-S*****". Auf einer 600 m2 nicht übersteigenden und durch Stellagen, eine Kühlvitrine sowie auf Metallrahmen montierte Kunststoffplatten von der übrigen - als Lager genutzten - Fläche des Geschäftslokals Nr 2 abgetrennten Teilfläche eröffnete die Erstbeklagte am 9.8.1989 unter der Bezeichnung "f*****-Diskontmarkt" einen Lebensmittelmarkt.

Mit der Behauptung, die Beklagten betrieben den Lebensmittelmarkt entgegen den Baubewilligungen und ohne gewerberechtliche Betriebsanlagenbewilligung sowie unter bewußter Mißachtung der Kärntner Raumordnungsvorschriften und entgegen dem Untersagungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Sp***** vom 29.8.1989, womit sie auch gegen § 1 UWG verstoßen hätten, begehrt der klagende Wettbewerbsverband (§ 14 UWG), die Beklagten schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,

a) im Standort Sp*****, auf den Grundstücken Nr 506 und 509/1 der KG E***** ein Einzelhandelsgeschäft zu betreiben, in welchem Güter mehrerer Warengruppen einschließlich von Waren des täglichen Bedarfes auf einer wirtschaftlich zusammenhängenden Verkaufsfläche von mehr als 600 m2 angeboten werden;

b) in eventu: in diesem Standort den Einzelhandel mit Gütern mehrerer Warengruppen einschließlich von Waren des täglichen Bedarfs auf einer größeren, wirtschaftlich zusammenhängenden Verkaufsfläche als konkret abgegrenzten 600 m2 anzukündigen und/oder zu betreiben;

c) in eventu: an diesem Standort ein Verkaufslokal - Einzel- oder Großhandel - zu betreiben, solange die hiefür erforderliche Betriebsanlagengenehmigung noch nicht erteilt worden ist;

d) in eventu: an diesem Standort im geschäftlichen Verkehr mit Letztverbrauchern beim Einzelhandel mit Waren des täglichen Bedarfes insbesondere Lebensmittel und Genußmittel, Wasch- und Putzmittel, Drogerie- und Haushaltswaren zu verkaufen sowie solche Waren dort zum Zweck der Besichtigung und des Verkaufes durch bzw an Letztverbraucher auszustellen und Letztverbrauchern den Zutritt zu diesem Geschäftsgebäude zu gestatten.

Außerdem verlangte der Kläger - soweit für das vorliegende Rekursverfahren noch von Interesse - die Ermächtigung zur Veröffentlichung des Urteils in den Samstagausgaben dreier Kärntner Tageszeitungen.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Als bloße Mieter der Geschäftslokale seien sie von den baurechtlichen Fragen nicht betroffen. Zwar hätten die Gewerbebehörden beider Instanzen ihre Gewerbeanmeldung für den Standort nicht zur Kenntnis genommen; gegen diesen Bescheid des Kärntner Landeshauptmannes werde aber fristgerecht Beschwerde an zumindest einen der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes eingebracht und damit ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden werden. Nach der Einstellung der Verkaufstätigkeit des "M*****-S*****"-Geschäftes werde jetzt nur noch der Lebensmittelmarkt weiterbetrieben, dessen Verkaufsfläche jedoch keineswegs die "magische Grenze" von 600 m2 überschreite; deshalb habe auch eine neuerliche Gewerbeanmeldung stattgefunden, welche bisher noch nicht untersagt worden sei. Die Rechtsauffassung der Beklagten, es könne auch ohne Sonderflächenwidmung im Einkaufszentrum ein Elektro- und ein Lebensmittelmarkt gleichzeitig betrieben werden, sei zumindest bis zum Abschluß des Gewerbeverfahrens vertretbar. Durch die Schließung des "M*****-S*****"-Marktes sei die Wiederholungsgefahr weggefallen.

In der Folge versäumten die Beklagten die Streitverhandlung vom 28.6.1990, worauf der Kläger bei dieser Tagsatzung die Fällung eines Versäumungsurteils beantragte (ON 12 S 69). In der Tagsatzung vom 4.10.1990 erklärte das Erstgericht den "Schluß der Verhandlung gemäß § 193 ZPO zur Beischaffung des Aktes 3499/4/89 (Gewerbeakt der Bezirkshauptmannschaft Sp*****)" (ON 16 S 93).

Das Erstgericht gab - ohne im Spruch oder in den Entscheidungsgründen auch nur im geringsten auf das Haupt- und die vom Kläger vorangereihten Eventualbegehren einzugehen - dem letzten Eventualbegehren statt und ermächtigte den Kläger zur Urteilsveröffentlichung in je einer Samstagausgabe dreier Kärntner Tageszeitungen. Es traf aus dem offenbar erst jetzt eingelangten Gewerbeakt der Bezirkshauptmannschaft Sp***** (ua) die Feststellung, daß der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27.11.1990, Zl.89/04/0240, die von der Erstbeklagten erhobene Beschwerde gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 28.9.1989, Zl.Gew-1603/1/89, mit welchem auf Grund der am 7.8.1989 erstatteten Anzeige festgestellt worden war, daß an dem in Aussicht genommenen Standort in Sp*****, gemäß § 15 Z 1 GewO 1973 iVm § 5 Abs 4 und 5 Krnt GemeindeplanungsG 1982, LGBl Nr 51, die gesetzlich geforderten Voraussetzungen (Sonderwidmung) für die Ausübung des Handelsgewerbes, beschränkt auf Waren des täglichen Bedarfs, nicht gegeben seien und der Erstbeklagten die Ausübung des Handelsgewerbes, eingeschränkt auf den Einzelhandel in der weiteren Betriebsstätte mit dem genannten Standort gemäß § 46 Abs 2 iVm § 345 Abs 9 GewO 1973 untersagt worden war, als unbegründet abgewiesen hat.

Das Berufungsgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das erstgerichtliche Verfahren sei in zweifacher Hinsicht mangelhaft geblieben: einerseits sei unter völliger Übergehung des Hauptbegehrens und der beiden vorangereihten Eventualbegehren sofort über das dritte und letztgereihte Eventualbegehren des Klägers entschieden worden, welches aber schon zufolge seiner allgemeinen und am weitesten gehenden Fassung die Beklagten am meisten beschwere; andererseits sei die gemäß § 193 Abs 3 ZPO geschlossene Verhandlung nicht wiedereröffent worden, obwohl sich nach dem Einlangen der beigeschafften Gewerbeakten eine Ergänzung der Verhandlung schon im Hinblick auf die zwischenzeitig ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes als notwendig erwiesen hätte, sei doch in diesem Erkenntnis nicht nur eine für das vorliegende Verfahren wesentliche Rechtsfrage, sondern auch der entscheidungswesentliche Sachverhalt behandelt worden. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren nach neuerlicher Beischaffung des Gewerbeaktes dessen in der Zwischenzeit erweiterten Inhalt mit den Parteien zu erörtern und sodann neuerlich unter Bedachtnahme auf das Vorliegen eines Hauptbegehrens und mehrerer Eventualbegehren zu entscheiden haben.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils.

Die Beklagten stellen den Antrag, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zwar in der Sache berechtigt; formal kann ihm jedoch schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil der Kläger nur den einen vom Berufungsgericht angenommenen Aufhebungsgrund wegen unterlassener Wiedereröffnung des Verfahrens bekämpft, den zweiten Aufhebungsgrund - Übergehung des Hauptbegehrens und der beiden vorangereihten Eventualbegehren - aber mit keinem Wort in Zweifel zieht. Dem Obersten Gerichtshof ist daher eine Prüfung des letztgenannten Mangels des erstgerichtlichen Verfahrens und der daraus resultierenden Aufhebung des Ersturteils verwehrt. Bei Aufhebung eines Urteils gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO steht aber den Parteien ein Rechtsmittel auch dann zu, wenn sie damit nur die Richtigkeit der bindenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes und die daraus abgeleiteten Aufträge an das Erstgericht bekämpfen (JBl 1953, 161; JBl 1954, 359). Insoweit wendet sich der Kläger demnach zutreffend gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, das Erstgericht hätte die gemäß § 193 Abs 3 ZPO geschlossene Verhandlung wiedereröffnen müssen, weil sich aus dem beigeschafften Gewerbeakt ergeben habe, daß erst danach ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gefällt wurde, auf welches sich die Parteien bisher nicht beziehen konnten:

Gemäß § 406 ZPO im Zusammenhang mit § 179 ZPO ist der Zeitpunkt, auf den sich die Entscheidung zu beziehen hat, der Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz - hier der 4.10.1990. Der Entscheidung des Gerichtes sind das Parteivorbringen, wie es sich auf Grund von (zulässigen) Änderungen und Ergänzungen in diesem Zeitpunkt darstellt, und die Sachlage, wie sie in diesem Zeitpunkt feststeht, zugrunde zu legen (Fasching III 659; SZ 61/257); das gilt auch bei Unterlassungsansprüchen nach dem UWG (SZ 50/20; ÖBl 1981, 102). So gesehen, sind daher das erst nach Schluß der Verhandlung ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.11.1990, Zl.89/04/0240, und dessen am selben Tag gefälltes, im Ergebnis jedoch gegenteiliges Erkenntnis Zl.90/04/0045 unbeachtlich. Die Frage, ob die Erkenntnisse als Bestandteil des nach vorzeitigem Schluß der Verhandlung gemäß § 193 Abs 3 ZPO beigeschafften Gewerbeaktes eine Erörterung der Sache zwischen Gericht und Parteien erforderlich gemacht und daher eine Wiedereröffnung des Verfahrens bedingt hätten (vgl Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 796), stellt sich im vorliegenden Fall entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes schon deshalb nicht, weil der Kläger am 28.6.1990 einen Säumnisantrag gemäß § 399 ZPO erhoben hat; nicht nur die Beklagten, sondern auch der Kläger selbst sind daher seither vom neuen tatsächlichen Vorbringen ausgeschlossen. Zumindest in einem solchen Fall kann aber eine Wiedereröffnung der Verhandlung, um etwa dem Kläger vorerst Gelegenheit zu geben, seinen Säumnisantrag zurückzuziehen (vgl RZ 1954, 31), von vornherein nicht in Betracht kommen.

Die neuerliche Beischaffung des Gewerbeaktes und dessen Erörterung mit den Parteien sind daher entbehrlich; es bleibt vielmehr dem Erstgericht vorbehalten, ob es sofort oder erst nach Durchführung einer ergänzenden Verhandlung ein neuerliches Urteil schöpft. Hiebei wird jedenfalls auch zu beachten sein, daß mit der bereits am 22.6.1990 in Kraft getretenen Novelle LGBl 1990/30 die Bestimmungen des § 5 Abs 4 und 5 Krnt GemeindeplanungsG 1982 geändert worden sind, so daß zumindest die noch auf der alten Rechtslage fußenden Formulierungen des Haupt- und des ersten Eventualbegehrens einer Anpassung an die neue Rechtslage bedürfen.

Da es aber aus den oben angeführten Gründen bei der Aufhebung des Ersturteils zu verbleiben hatte, konnte dem Rekurs des Klägers nicht Folge gegeben werden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E29271

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00056.92.0707.000

Dokumentnummer

JJT_19920707_OGH0002_0040OB00056_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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