TE OGH 1992/7/7 3Ob522/92

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Veröffentlicht am 07.07.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache 1. des Oliver P*****, und 2. der Michaela P*****, vertreten durch den Kollisionskurator Mag.Dr.Klaus R*****, dieser vertreten durch Dr.Berhard Fritzberg als Substitut des Dr.Werner Perscha, öffentlicher Notar in Graz, infolge Revisionsrekurses der Kinder gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 7.Jänner 1992, GZ 2 R 495/91-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 25. Oktober 1991, GZ 13 P 96/91-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Vater der pflegebefohlenen Kinder ist Gesellschafter einer am 8.1.1986 gegründeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Mit einem Vertrag, der am 27.8.1991 zwischen ihm und einem "ad hoc beigezogenen", bis dahin nicht bestellten Kurator geschlossen wurde, trat der Vater den Kindern seinen Geschäftsanteil in der Höhe der von ihm übernommenen, zur Hälfte eingezahlten Stammeinlage von 250.000 S "im Schenkungsweg" ohne jede Gegenleistung je zur Hälfte ab und diese nahmen die Abtretung an. Der Vater verpflichtete sich, die Geschenknehmer bis zur Erreichung ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit, mindestens bis zur Erreichung ihrer Volljährigkeit, hinsichtlich aller ihnen aus dem Gesellschaftsverhältnis entstehenden Abgaben und Kosten aller Art, insbesondere hinsichtlich der allfälligen Einforderung des restlichen Betrags auf die übernommenen Stammeinlagen, vollkommen klag- und schadlos zu halten. Ferner wurde vereinbart, daß allfällige Gewinnanteile für das Jahr 1991 ausschließlich den übernehmenden Gesellschaftern zustehen und daß die Kosten und Gebühren der Errichtung des Vertrages vom abtretenden Gesellschafter getragen werden. Am Tag der Vertragserrichtung fand auch eine Generalversammlung der Gesellschafter, darunter die durch den wieder "ad hoc beigezogenen" Kurator vertretenen Kinder, statt, in der unter anderem die Mutter der Kinder zur Geschäftsführerin der Gesellschaft bestellt und als Gegenstand des Unternehmens der "Handel mit Waren aller Art, insbesondere der Import und der Export, sowie der Betrieb einer Handelsagentur" festgelegt wurde. Es wurde festgehalten, daß das Stammkapital der Gesellschaft 500.000 S beträgt, wovon die Mutter der Kinder, die Kinder und ein weiterer Gesellschafter je eine Stammeinlage von 125.000 S übernommen und hierauf je die Hälfte bar eingezahlt haben. Über die Vertretung der Gesellschaft wurde bestimmt, daß diese einen oder mehrere Geschäftsführer hat, daß die Vertretungsbefugnis im jeweiligen Bestellungsbeschluß geregelt wird, wenn zwei oder mehr Geschäftsführer bestellt werden, und daß Weisungen an die Geschäftsführer gemäß § 20 GmbHG von Gesellschaftern mit einer Mehrheit von mindestens 80 % des Stammkapitals erteilt werden können.

Der für die Kinder beigezogene Kurator beantragte (offensichtlich in deren Namen) die Genehmigung des Abtretungsvertrages und des Protokolls über die Generalversammlung der Gesellschaft. Über Auftrag des Erstgerichtes legte er fünf Grundbuchsabschriften sowie den Jahresabschluß der Gesellschaft zum 31.12.1990 und die Zwischenbilanz zum 31.7.1991 vor. Aus den Grundbuchsabschriften ergibt sich, daß der Vater der Kinder zum Teil Alleineigentümer, zum Teil Miteigentümer mehrerer Liegenschaften ist, die mit einer Ausnahme unbelastet sind; auf einer Liegenschaft ist eine Dienstbarkeit und ein Veräußerungs- und Belastungsverbot eingetragen. Aus dem Jahresabschluß der Gesellschaft zum 31.12.1990 geht hervor, daß die Gesellschaft über Aktiven von 507.569,60 S verfügte, wovon 250.000 S auf die Forderung auf Einzahlung des noch aushaftenden Teils der Stammeinlagen und 255.869,60 S auf ein Guthaben bei einem Kreditinstitut entfielen. Für das Jahr 1990 wurden ein Gewinnvortrag von 6.503,36 S und ein Verlust von 5.623,76 S ausgewiesen. In der Zwischenbilanz zum 31.7.1991 scheinen Aktiven von 498.636,60 S auf, wovon wieder 250.000 S auf die nicht eingezahlten Stammeinlagen und 244.536,60 S auf das Guthaben bei dem Kreditinstitut entfallen. Außerdem sind darin ein Gewinnvortrag von 879,60 S und ein vorläufiger Jahresverlust von 3.243 S ausgewiesen.

Das Erstgericht bestellte die für die Kinder beim Abschluß des Abtretungsvertrags und in der Generalversammlung einschreitende Person zu deren "Widerstreitsachwalter" und wies dessen Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Abtretungsvertrages und des Protokolls über die Generalversammlung ab. Auf Grund der vorgelegten Bilanzen könne die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft nicht abschließend beurteilt und nicht ausgeschlossen werden, daß sie überschuldet sei. Es könne aber nicht zum Wohl der Kinder sein, in eine allenfalls überschuldete Gesellschaft einzutreten. Überdies könnten sie nach dem Inhalt des bei der Generalversammlung vom 27.8.1991 geschlossenen Gesellschaftsvertrages auf die Geschäftsführung durch ihre Mutter kaum Einfluß nehmen. Es könne daher nicht gesagt werden, daß die zur Genehmigung vorgelegten Verträge dem Wohl der Kinder entsprechen.

Das Rekursgericht gab dem vom Kurator (gemeint wohl: von den von diesem vertretenen Kindern) gegen den Beschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die zur Verfügung gestellten Unterlagen seien nicht ausreichend, um verläßlich beurteilen zu können, ob die beabsichtigte Beteiligung der Kinder am Gesellschaftsverhältnis für sie wirtschaftlich günstig sei. Es könne nicht angenommen werden, daß das Unternehmen, das gemäß einer Mitteilung des Vertreters des Kurators seit 1 1/2 Jahren keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltet habe, in absehbarer Zeit einen Gewinn erzielen werde. Wegen dieser besonderen Verhältnisse sei auch die Einholung des Gutachtens eines Buchsachverständigen nicht zielführend, weil dieses bloß für bereits abgelaufene Geschäftsperioden Aussagewert hätte. Es könne auch die Einforderung der noch aushaftenden Teile der Stammeinlagen nicht ausgeschlossen werden. Die hiefür übernommene Haftung des Vaters sei zeitlich beschränkt; später müßten die Kinder selbst für die Zahlungen aufkommen. Wenn man die derzeit wenig wahrscheinliche Gewinnbeteiligung der Kinder dem Risiko im Fall der Einforderung der noch aushaftenden Stammeinlagen gegenüberstelle, so müsse vom Überwiegen der Nachteile für die Kinder ausgegangen werden. Überdies sei es zum Nachteil der Kinder, daß die Befugnis zur Geschäftsführung nur einem Gesellschafter zustehe und die übrigen hierauf nicht Einfluß nehmen könnten, weil sie nur mit 75 % am Stammkapital beteiligt seien.

Der von den Kindern gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 154 Abs 3 ABGB bedarf ua die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung zu ihrer Rechtswirksamkeit sowohl der Zustimmung des anderen Elternteils als auch der Genehmigung des Gerichtes, sofern sie nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Ist aber die Zustimmung des anderen Elternteils notwendig, so darf ein Rechtsgeschäft oder eine rechtsgeschäftliche Erklärung nur genehmigt werden, wenn dem Pflegschaftsgericht die Zustimmung nachgewiesen wird. Das Pflegschaftsgericht ist andernfalls allerdings gemäß § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG verpflichtet, die Frage der Zustimmung des anderen Elternteils zu klären.

Hier steht der begehrten pflegschaftsbehördlichen Genehmigung daher schon entgegen, daß die Zustimmung der Mutter der Kinder nicht vorliegt. Es erübrigt sich aber aus folgenden Gründen, die Mutter über die Zustimmung zu vernehmen:

Ein Rechtsgeschäft darf durch das Pflegschaftsgericht nur genehmigt werden, wenn der Abschluß im Interesse des Pflegebefohlenen liegt (vgl Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen 99) und somit dem Wohl des Pflegebefohlenen entspricht. Dies ist der Fall, wenn das Vermögen des Pflegebefohlenen vermehrt wird (vgl § 149 Abs 1 ABGB). Die angeführte Voraussetzung ist aber nicht erfüllt, wenn eine Verminderung des Vermögens des Pflegebefohlenen nicht ausgeschlossen werden kann.

Die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung wird im allgemeinen nur dann dem Kindeswohl entsprechen, wenn der Wert der geschenkten Sache die Belastungen eindeutig übersteigt. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Da die von den Gesellschaftern übernommenen Stammeinlagen noch nicht zur Gänze eingezahlt worden sind, können die Gesellschafter zur Einzahlung der auf sie entfallenden Stammeinlage und darüber hinaus gemäß § 70 GmbHG allenfalls auch zur Aufbringung der von einem anderen Gesellschafter nicht voll eingezahlten Stammeinlage herangezogen werden. Diese Verpflichtung wird entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung nicht dadurch ausgeglichen, daß die Gesellschaft nach dem dem Erstgericht vorgelegten Jahresabschluß zum 31.12.1990 und der ihm vorgelegten Zwischenbilanz zum 31.7.1991 außer über die Forderung auf Einzahlung der Stammeinlagen noch über ein Reinvermögen von etwa 250.000 S verfügt. Es kann durchaus sein, daß bei einem schlechten Geschäftsgang das Vermögen der Kinder infolge der sie treffenden Zahlungspflicht vermindert wird. Auf das erstmals im Revisionsrekurs erstattete Vorbringen, wonach für das Jahr 1992 mit einem Gewinn von 650.000 S zu rechnen sei, kann wegen des Neuerungsverbotes (vgl EFSlg 44.516, 52.617, 55.474 uva) nicht Bedacht genommen werden.

Nicht ausreichend ist die vom Geschenkgeber im Schenkungsvertrag übernommene Verpflichtung zur Klag- und Schadloshaltung der Geschenknehmer. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Rechtsgeschäft dem Wohl des Pflegebefohlenen entspricht, kann nicht bloß die Zeit der fehlenden Eigenberechtigung berücksichtigt werden. Es darf daher ein Rechtsgeschäft auch dann nicht genehmigt werden, wenn Nachteile für den Pflegebefohlenen für die Folgezeit ihrer Eigenberechtigung nicht auszuschließen sind. Die Haftungserklärung des Geschenkgebers hätte sich daher auf diesen Zeitraum erstrecken müssen.

Hier ist überdies nicht dargetan, daß der Anspruch auf Schadloshaltung gegebenenfalls mit Erfolg durchgesetzt werden könnte. Selbst wenn man davon ausginge, durch die vorgelegten Grundbuchsabschriften sei nachgewiesen, daß der Geschenkgeber über ein ausreichendes Vermögen verfügt, würde dies nur für die Gegenwart gelten und daher über die Einbringlichkeit einer später entstehenden Forderung der Geschenknehmer nichts sagen, zumal der Geschenknehmer die Liegenschaften in der Zwischenzeit veräußern oder belasten kann. Eine ausreichende Sicherheit könnte etwa angenommen werden, wenn eine Höchstbetragshypothek in angemessener Höhe bestellt und nachgewiesen würde, daß sie mit dem im § 230c ABGB für die Anlegung von Mündelgeldern festgelegten Grundsätzen übereinstimmt.

Die Vorinstanzen haben daher dem Schenkungsvertrag zutreffend die Genehmigung versagt. Damit fehlen aber auch die Voraussetzungen für die Genehmigung der Änderung des Gesellschaftsvertrages. Solange der Schenkungsvertrag nicht gültig zustande gekommen ist, sind die Kinder nicht Gesellschafter. Da die von ihnen in der Generalversammlung abgegebenen Erklärungen nur und erst Bedeutung haben, wenn sie Gesellschafter sind, besteht für eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Erklärungen weder eine Notwendigkeit noch eine Möglichkeit, zumal nicht feststeht, ob sie Gesellschafter sein werden. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher zu weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang nicht veranlaßt.

Anmerkung

E29217

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00522.92.0707.000

Dokumentnummer

JJT_19920707_OGH0002_0030OB00522_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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