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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §61a;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/17/0013Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, 1. über den Antrag der IP in G, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwaltssozietät in 8010 Graz, Hilmgasse 10, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 25. Oktober 2005, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/1032-I/7/2005, betreffend Kulturpflanzenflächenzahlung der Ernte 2004, sowie 2. in der Beschwerdesache gegen den eben genannten Bescheid, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abgewiesen.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der AMA vom 3. November 2004 wurde ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Kulturpflanzenflächenzahlung für die Ernte 2004 abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Oktober 2005 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid enthält folgende Rechtsmittelbelehrung:
"Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel
zulässig.
Hinweis
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen nach seiner Zustellung Beschwerde an den Verwaltungs- und ebenso an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Bei der Einbringung einer solchen Beschwerde ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten."
Nach den Beschwerdebehauptungen erfolgte die Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdeführerin durch Hinterlegung am 28. Oktober 2005, wobei die postalische Behebung desselben am 14. November 2005 erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist verbundene, am 11. Jänner 2006 zur Post gegebene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
In der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird ausgeführt, nach Behebung des Bescheides durch die Beschwerdeführerin am 14. November 2005 habe ihr (kirchlich getrauter) Ehegatte und Lebensgefährte, Herr K, den genannten Bescheid - offenbar von der Beschwerdeführerin - erhalten. Sodann heißt es:
"K hat sich nach Erhalt meines Bescheides und eines weiteren an ihn ergangenen Bescheides des BMLFUW vom 28.10.2005, ..., dann Mitte November 2005 bei der Bezirkskammer Leibnitz erkundigt, ob ich und K etwas gegen die oben genannten Bescheide unternehmen können. K erhielt darauf hin von einem ihm namentlich nicht mehr bekannten Mitarbeiter der Bezirkskammer der Landwirtschaftskammer Steiermark, glaublich T, die Auskunft, dass wir etwas unternehmen können, dass das aber nicht eilig sei und auch 'noch im nächsten Jahr erledigt werden könne'.
Erwähnen möchte ich ferner, dass ich und K auch bis Mitte Dezember 2005 mit der Einholung der restlichen Maisernte beschäftigt waren und ich mich vorher auch deshalb dieser Angelegenheit nicht widmen konnte.
Am 29.12.2005 hat sich K in seinem Namen und auch in meinem Namen zur Landwirtschaftskammer nach Graz begeben und mit Herrn Dr. B gesprochen, der ihn auf die Fristproblematik und das Zustellgesetz hingewiesen hat. Dadurch wurde K und mir erstmals bewusst, dass gegen den Bescheid des BMLFUW eine weitere Beschwerde möglich ist und dass diese einer Frist von 6 Wochen unterliegt, sowie dass ich für eine solche Beschwerde einen Rechtsanwalt benötige. Daraufhin hat sich K in seinem und meinem Namen noch am 29.12.2005 zur Rechtsanwaltskanzlei E begeben und diese mit der Verfassung von Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof gegen die zwei genannten Bescheide des BMLFUW beauftragt.
Ich beantrage daher auf Grund des geschilderten Sachverhaltes die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 46 Abs. 1 VwGG. Diesen Antrag begründe ich einerseits mit der unrichtigen Auskunft, die K in seinem und meinem Namen, bei der Bezirkskammer Leibnitz der Landwirtschaftskammer Steiermark erhalten hat. Weiters führe ich an, dass mir der Bescheid wegen der Hinterlegung erst am 14.11.2005 zugegangen ist und ich ferner bis Mitte Dezember 2005 mit restlichen Erntearbeiten beschäftigt war. Erst durch die Auskunft von Herrn Dr. B wurde mir bewusst, dass die Beschwerdemöglichkeit an den Verwaltungsgerichtshof besteht, worauf sich K noch am 29.12.2005 zu der bevollmächtigten Rechtsanwaltskanzlei begeben hat. Zur Darlegung des Sachverhaltes lege ich eine an Eides statt abgegebene Erklärung vor und füge der Beschwerde die Originalbescheide mit den Originalrückscheinkuverts bei."
§ 46 Abs. 1 VwGG lautet:
"§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."
Die Beschwerdeführerin stützt ihren Wiedereinsetzungsantrag primär auf eine unrichtige Auskunft der Bezirkskammer der Landwirtschaftskammer Steiermark, welche Mitte November 2005 erteilt worden sei und der zufolge noch im Jahr 2006 gegen den angefochtenen Bescheid "etwas unternommen werden könne".
Dieser Auskunft stand jedoch der im angefochtenen Bescheid enthaltene Hinweis entgegen, wonach zur Erhebung einer dagegen gerichteten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eine Frist von sechs Wochen nach Bescheidzustellung offen steht.
Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag enthält - in Verletzung der Obliegenheit des Antragstellers den maßgeblichen Sachverhalt vollständig und entsprechend detailliert zu behaupten (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 20. Juni 1999, Zl. 94/05/0212, und vom 2. Oktober 2000, Zl. 98/19/0198) - keine diesem Gebot entsprechenden Angaben darüber, inwieweit die Beschwerdeführerin (oder in deren Auftrag K) nach der postalischen Behebung den angefochtenen Bescheid überhaupt gelesen und zur Kenntnis genommen hat. Die Behauptung, die Beschwerdemöglichkeit an den Verwaltungsgerichtshof und die diesbezügliche Frist sei erst durch das Gespräch mit Dr. B bewusst geworden, dürfte dafür sprechen, dass die Beschwerdeführerin die Rechtsmittelbelehrung und den Hinweis nach § 61a AVG nicht zur Kenntnis genommen hat.
Hätte die Beschwerdeführerin somit die vollständige Lektüre des Bescheides (insbesondere des darin enthaltenen Hinweises auf die Beschwerdemöglichkeit an den Verwaltungsgerichtshof) überhaupt unterlassen, so wäre ihr schon diese Unterlassung als ein Verschulden anzulasten, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt, zumal nicht einmal behauptet wird, dass dem Mitarbeiter der Bezirkskammer die vollständige Lektüre des Bescheides an Stelle der Beschwerdeführerin aufgetragen oder auch nur ermöglicht worden wäre. Auch wäre eine sofortige Lektüre des Bescheides in Richtung auf darin enthaltene Belehrungen über Anfechtungsmöglichkeiten durch die Beschwerdeführerin jedenfalls schon deshalb geboten gewesen, weil diese offenbar selbst über keine Kenntnis der Beschwerdefristen verfügte, die Zustellung durch Hinterlegung schon geraume Zeit zurücklag und nicht behauptet wird, dass K die Auskunft der Bezirkskammer schon am Tag der Übernahme der Sendung eingeholt hätte. Ohne Lektüre von Bescheid und Rechtsmittelbelehrung sowie Hinweis nach § 61a AVG hätte die Beschwerdeführerin daher nicht einmal sicher gehen dürfen, dass weiteres Zuwarten (mit der Einholung von Auskünften, anlässlich derer allenfalls die erstmalige vollständige Lektüre des Bescheides einem Dritten übertragen würde) nicht zur Fristversäumung führen könnte.
Hätte die Beschwerdeführerin demgegenüber den entsprechenden Hinweis gemäß § 61a AVG gelesen und zur Kenntnis genommen, so hätte sie sich auf die zu diesem Hinweis in Widerspruch stehende Auskunft eines Mitarbeiters der Bezirkskammer der Landwirtschaftskammer Steiermark unter keinen Umständen verlassen dürfen. Sie hätte diesfalls auf eine Aufklärung der Diskrepanz zwischen dieser Auskunft und dem im Bescheid enthaltenen zutreffenden Hinweis hinzuwirken gehabt. Eine diesbezügliche Unterlassung wäre der Beschwerdeführerin als Nachlässigkeit anzulasten, welche das im letzten Satz des § 46 Abs. 1 VwGG umschriebene Schuldmaß überstiege.
Schließlich vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Durchführung von Erntearbeiten zwischen Mitte November und Mitte Dezember 2005 keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Insbesondere wurde kein Vorbringen erstattet, aus dem sich schlüssig ableiten ließe, dass die Beschwerdeführerin während nahezu eines Monats infolge dieser Arbeiten und ihrer Unaufschiebbarkeit nicht einmal in der Lage gewesen wäre, einen Rechtsanwalt telefonisch mit der Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu beauftragen.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war demnach gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben.
Die gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verspätet zur Post gegebene Beschwerde war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Beschwerdefrist ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 30. Jänner 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006170012.X00Im RIS seit
24.05.2006