Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Egermann, Dr.Kodek und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ruthanne H*****, vertreten durch Dr.Horst M.Pechar, Rechtsanwalt in Weiz, wider die beklagte Partei Johanna T*****, vertreten durch Dr.Hans Kortschak, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Kündigung eines Bestandverhältnisses infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgericht vom 11.März 1992, GZ 3 R 405/91-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 8.Oktober 1991, GZ 5 C 888/91a-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Sache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der frühere Eigentümer des Hauses L*****, H*****platz Nr. 1 (nunmehr H*****platz Nr. 3), Philipp P*****, schloß in den 30iger Jahren - vertreten durch den Kurator Hans S***** - mit Hans B*****, dem Vater der Beklagten, eine als "Pachtvertrag" bezeichnete schriftliche Vereinbarung, welche ua folgende Bestimmungen enthielt:
"§ 1
Herr Hans S***** als Kurator des Herrn Philipp P***** verpachtet das in dem dem letzteren eigentümlich gehörigen Haus L*****, H*****platz Nr. 1 befindliche Bäckerei-Unternehmen an Herrn Hans B*****, bestehend aus einem Geschäfts-Verkaufs-Lokal, einer Küche, einer Backstube, einem Backraum samt Ofen, einem Mehlboden, einer Holzlage, einem Keller, 2 Wohnzimmer samt Zugehör und den verschiedenen Bäckerei-Einrichtungs-Gegenständen, wie sie in dem einen intrigierenden Bestandteil dieses Vertrages bildenden Inventar verzeichnet sind, vom 1.Juli 1936 auf die Dauer von sieben aufeinanderfolgenden Jahren sohin bis zum 30. Juni 1943.
Zwischen den beiden Vertragsteilen wird hiemit ausdrücklich festgesetzt, daß dieser Vertrag während der Pachtdauer für beide Teile unkündbar ist.
....................
§ 4
Sollte der Hauseigentümer und Herr Verpächter Philipp P***** während der Vertragsdauer mit Tod abgehen, so ist der Herr Pächter berechtigt, die vom Verpächter und seinen heutigen Mitbewohnern benützte, mit ersten Stock gelegene Wohnung für sich in Anspruch zu nehmen und haben die seinerzeitigen Bewohner die Wohnung auf Grund eines recommandierten Schreibens binnen 14 Tagen dem Herrn Pächter geräumt zu übergeben.
§ 5
Nach Ablauf der unter § 1 vereinbarten Pachtdauer ist das Pachtverhältnis, wenn es nicht stillschweigend auf ein weiteres Jahr verlängert wird, gegenseitig einvierteljährig und zwar am 1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. eines jeden Jahres kündb. und kann die Kündigung daher erstmals am 1.7.1943 mittels recommandierten Schreibens ausgesprochen werden.
Der Pächter, der hiemit ausdrücklich den Mieterschutz an dem Pachtobjekt zur Kenntnis nimmt, anerkennt nebst den gesetzlichen Kündigungsgründen noch folgende Kündigungsgründe:
a) wenn einer seiner Angestellten wegen Beleidigung oder sonstigen strafbaren Tatbestandes gegen den Hausherrn gerichtlich verurteilt wurde, ohne daß der betreffende Angestellte seitens des Pächters über Aufforderung des Verpächters entlassen werden sollte,
b) bei nicht pünktlicher Einhaltung der Zins- und sonstigen Entrichtungen trotz schriftlicher Mahnung nach 8 Tagen.
.....................".
Am 4.7.1967 schlossen der Bestandnehmer Johann B***** als "Übergeber bzw. Veräußerer" einerseits und sein Schwiegersohn Josef T***** - der Gatte der Beklagten - als "Übernehmer bzw. Erwerber" andererseits einen Übergabsvertrag, aus welchem folgende Punkte hervorzuheben sind:
"1.
Herr Johann B***** ist Hauptmieter nachstehender im Hause L*****, H*****platz Nr. 3 und im Hofgebäude, L*****, H*****platz Nr. 3a gelegenen Räume, und zwar:
A.) Geschäftsräume der Bäckerei:
H*****platz Nr. 3: 1 Verkaufslokal, 1 Abstellraum und 1 Keller
H*****platz Nr. 3a: 1 Backstube, 1 Mehlmagazin, 1 Burschenzimmer, 1 Keller, 1 Holzlage, 1 Kohlenbunker.
B.) Wohnräume des Herrn Johann B*****:
H*****platz Nr. 3: 1 Küche (zugleich Aufenthaltsraum gemeinsam mit Familie Josef T*****.
H*****platz Nr. 3a: 2 Wohnräume mit Klosettmitbenützung, Waschküchenmitbenützung und Zubehör.
C.) Wohnräume der Familie Josef T*****:
H*****platz Nr. 3: 1 Küche, zugleich Aufenthaltsraum gemeinsam mit Familie Johann B*****.
H*****platz Nr. 3a: 3 Wohnräume, Klosettmitbenützung, Waschküchenmitbenützung und Zubehör sowie Dachboden.
D.) Garten im Ausmaß von ca 100 mal 25 m, gemeinsame Benützung der Familien Johann B***** und Josef T*****.
2.
Herr Johann B***** betrieb die Bäckerei in den zu 1.A) genannten Räumen und wohnte und benützt auch weiterhin mit seiner Frau die zu 1.B) genannten Räume.
Herr Josef T***** wohnte und wohnt mit seiner Frau und den drei Kindern im Alter von 22, 17 und 12 Jahren in den zu 1.C) genannten Räumen.
Der Hof und der Garten wurden und werden gemeinsam benützt.
Die beiden Familien Johann B***** und Josef T***** lebten und leben auch weiterhin im gemeinsamen Haushalt.
3.
Die Vertragsteile haben bereits Ende Dezember 1966 mit Wirksamkeit ab 1.Jänner 1967 mündlich nachstehende Vereinbarung getroffen, die zum Zwecke des Gedächtnisses nun schriftlich festgehalten wird.
4.
Herr Johann B***** veräußert und übergibt sein Bäckereiunternehmen, das er bisher in L***** im Hause H*****platz Nr. 3 und 3a betrieben hat, an seinen Schwiegersohn, Herrn Josef T***** und dieser erwirbt und übernimmt dessen Bäckereiunternehmen mit dem gesamten Inventar laut Liste und Kundenstock einschließlich der diesem Unternehmen zugrundeliegenden Gewerbeberechtigung mit allem Zubehör mit Stichtag 1.Jänner 1967.
Die Übergabe und Übernahme ist bereits mit diesem Tage vollzogen worden.
Herr Johann B***** hat das nun veräußerte Unternehmen bis einschließlich 31.Dezember 1966 persönlich ausgeübt und betrieben.
..........
9.
Herr Johann B***** verbleibt weiterhin Hauptmieter der in Pkt. 1.) aufgezählten Räume bzw. Bestandobjekte. Er ist daher verpflichtet, den jeweiligen auf die Bestandräume entfallenden Hauptmietzins, zuzüglich der Anteile an den Betriebskosten, Grundsteuer und öffentlichen Abgaben etc. pünktlich an den Vermieter bzw. an dessen Hausverwalter zu bezahlen.
Sollte dies nicht erfolgen, ist Herr Josef T***** berechtigt, im Namen des Herrn Johann B***** den auf die Bestandräume entfallenden rückständigen Mietzins an den Vermieter bzw. Hausverwalter zu bezahlen und den bezahlten Betrag laut Zahlungsbestätigung von der jeweiligen Versorgungsrentenzahlung in Abzug zu bringen."
.............
Im Jahr 1969 verstarb Josef T*****. Die Beklagte, seine Witwe, führte den Bäckereibetrieb als Witwenbetrieb fort.
Ab 1.5.1982 verpachtete die Beklagte mit schriftlichem Vertrag Josef H*****, dem Ehegatten der Klägerin, "alle von der Verpächterin zur Verfügung gestellten ebenerdigen Räumlichkeiten im Hause L*****, H*****platz Nr. 3, das sind die ostseitig gelegenen Räume, ein Straßengeschäft, eine Küche, 2 Nebenräume und die Toilettanlagen" sowie den Bäckereibetrieb samt den in einer Liste aufgezählten Einrichtungsgegenständen bis zum 30.4.1992 zu einem monatlichen Pachtzins von S 10.000 wertgesichert. Eine der Vertragsbedingungen war die Fortführung des Bäckereibetriebes. In Punkt 2 der dem Vertrag angeschlossenen "Nebenabreden" hieß es:
"Sollte Herr H***** das Haus, L*****, H*****platz Nr. 3, käuflich erwerben, so läuft der Mietvertrag B***** - T***** wie bisher weiter."
Nach Punkt 3 der Nebenabreden gilt der Vertrag für die Erben und Rechtsnachfolger der Verpächterin in gleicher Weise wie für die Erben und Rechtsnachfolger des Pächters.
1984 verstarb Johann (Hans) B*****, der Vater der Beklagten. Mit seinem Tod gingen seine Bestandrechte auf die Beklagte über. Auf die schriftlichen Verträge über den Bestandgegenstand stieß die Beklagte erst nach dem Tod ihres Vaters.
Mit Kaufvertrag vom 11.11.1985 erwarben der Pächter Josef H***** und seine Ehegattin, die Klägerin, die Liegenschaft EZ ***** KG L***** mit den Häusern H*****platz Nr. 3 und 3a von der damaligen Eigentümerin Herta M***** um einen Kaufpreis von S 1,260.000.
Punkt VI. dieses Vertrages lautete:
"VI.
Die Käufer nehmen zur Kenntnis, daß auf Grund bestehender Mietverhältnisse mit Frau Johanna T***** früher Hans B*****, der Firma Martin O***** & Söhne und Frau Gertrud R***** diverse Räumlichkeiten im Wohnhaus H*****platz 3, welche den Käufern genau bekannt sind, vermietet sind. Die Käufer treten in die bestehenden Mietverhältnisse mit 1.Dezember 1985 ein. Ab diesem Zeitpunkt gebührt ihnen auch die Mietzinseinnahmen.
Zum Pachtvertrag T*****-H***** erklärt die Verkäuferin ausdrücklich, daß der Pachtzins im Verhältnis zu dem ihr bezahlten Mietzins in einem groben Mißverhältnis steht und sie mit einer Verpachtung in dieser Form nie zugestimmt hat."
Einige Zeit später schenkte Josef H***** seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ ***** KG L***** der Klägerin. Er ist nach wie vor Pächter des Bäckereibetriebs der Beklagten.
Im Verfahren MSch 4/60 des Bezirksgerichtes Leibnitz schlossen am 6.2.1963 die Vermieterin Hertha M***** mit den damaligen Mietern - Julius M***** AG, Thekla D***** und Hans B***** - einen gerichtlichen Vergleich, mit welchem sich die Mieter zu einer Erhöhung der Hauptmietzinse für die Dauer von zehn Jahren zur Aufbringung der Kosten notwendiger Reparaturen an den Häusern bereit erklärten.
Mit der Behauptung, daß ein Pacht- und kein Mietverhältnis vorliege, kündigte die Klägerin am 25.4.1991, K 5/91 des BG Leibnitz, der Beklagten den im einzelnen beschriebenen Pachtgegenstand in den Häusern L*****, H*****platz Nr. 3 und 3a zum 31.12.1991 gerichtlich auf.
Die Beklagte erhob gegen diese Aufkündigung Einwendungen. Zwischen den Parteien bestehe ein Mietverhältnis, auf welches die Kündigungsbeschränkungen der §§ 29 ff MRG anzuwenden seien. Das Mietverhältnis sei in den 30iger Jahren zwischen Philipp P***** und Hans B***** begründet worden. Schon im schriftlichen Vertrag sei der Mieterschutz ausdrücklich erwähnt worden; auch in der Folge sei allen Beteiligten immer bewußt gewesen, daß Johann B***** Hauptmieter verschiedener Räumlichkeiten war. Das Bestandverhältnis könne daher nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden.
Der Erstrichter hob die Aufkündigung auf (ohne das Räumungsbegehren ausdrücklich abzuweisen). Aus allen Beweisergebnissen gehe hervor, daß ungeachtet der Bezeichnung "Pachtvertrag" für die ursprüngliche Vereinbarung aus dem Jahr 1936 sämtliche Vertragsteile ständig von einem Mietverhältnis zwischen den Beteiligten unter Anwendbarkeit der Kündigungsschutzbestimmungen ausgegangen seien. Das habe zur Folge, daß eine Aufkündigung nur bei Vorliegen wichtiger Kündigungsgründe möglich ist; solche seien jedoch nicht geltend gemacht worden.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Maßgeblich für die Frage, ob Miete oder Pacht vorliegt, sei die Zweckbestimmung der Sache zur Zeit des Vertragsabschlusses, nicht aber die von den Parteien gewählte Bezeichnung. Nach der Rechtsprechung könnten Mietgegenstände, auf welche die Vorschriften (ua) über den Kündigungsschutz nicht anzuwenden seien, vertraglich den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterstellt werden. Selbst wenn also tatsächlich eine Verpachtung vorgelegen wäre, sei das Bestandverhältnis nach § 5 des "Pachtvertrages" durch Parteiwillen dem "Mieterschutz" und "den gesetzlichen Kündigungsgründen" unterworfen worden. Das ergebe nicht nur die einfache grammatikalische Auslegung des Vertrages, sondern es entspreche auch der bei der Vergabe des Bestandgegenstandes vorgelegenen Siutation. Offenkundig sei beabsichtigt gewesen und in der Folge auch eingetreten, daß nicht nur die Bäckereiräumlichkeiten übergeben würden, sondern der Bestandnehmer auch eine Wohnmöglichkeit nach dem Bestandgeber P***** im 1. Stock vorfinde. Es möge daher durchaus im Parteiwillen gelegen gewesen sein, daß ein solches Bestandverhältnis nicht den Auflösungsregeln eines Pachtverhältnisses nach dem ABGB unterworfen werde, sondern den Bestandnehmern im Rahmen des Kündigungsschutzes nach dem (damaligen) Mietengesetz Sicherheit für die Zukunft biete. Wenngleich natürlich ein gewisser Widerspruch zwischen dieser ausdrücklichen Unterwerfung unter den "Mieterschutz" und dem ersten Absatz des § 5 des Pachtvertrages bestehe, könne doch nicht gesagt werden, daß der erste Absatz den Kündigungsschutz geradezu ausschließe; es möge durchaus sein, daß es Vertragswille war, innerhalb der nach § 1 des Pachtvertrages vereinbarten Pachtdauer bis 30.6.1943 überhaupt keine Kündigungsmöglichkeit vorzusehen, dann aber wenigstens die Kündigung nach den gesetzlichen Kündigungsgründen zuzulassen. Die "vereinbarten" Kündigungsgründe könnten als eine laienhafte Präzisierung der gesetzlichen Kündigungsgründe aufgefaßt werden. Der Begriff "Mieterschutz" sei allerdings auch schon damals ein so weit verbreiteter Begriff gewesen, daß an seiner inhaltlichen Bedeutung auch bei laienhafter Formulierung des Vertragswerkes nicht gezweifelt werden könne. Da auf den Zeitpunkt der Errichtung des Bestandvertrages abzustellen sei, komme der nachfolgenden Entwicklung nur noch periphere Bedeutung zu. Bezeichnend sei allerdings, daß in allen nachfolgenden Verträgen und auch im Verfahren nach § 7 MG vor dem BG Leibnitz immer wieder von einer Mieterposition der Beklagten und ihrer Rechtsvorgänger ausgegangen wurde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß (die Aufkündigung für rechtswirksam erklärt und) dem Räumungsbegehren zur Gänze, bzw zumindest teilweise stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht in einen Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes geraten ist; die Revision ist auch im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Meinung des Berufungsgerichtes, daß die Frage, ob hier Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht vorliege, offen bleiben könne, weil in jedem Fall wirksam ein Kündigungsschutz vereinbart worden sei, kann nicht geteilt werden. Beim Abschluß des mit 1.7.1936 wirksam gewordenen Bestandvertrages war - jedenfalls nach dem Wortlaut des Vertrages - Philipp P***** Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich das Bestandobjekt befindet. Diese Liegenschaft wurde in der Folge veräußert. Auch wenn - wozu es weder ein Vorbringen noch Feststellungen gibt - die Liegenschaft zunächst nur im Erbweg übergegangen sein sollte, kam es doch spätestens durch den Kaufvertrag vom 11.11.1985 - mit welchem die Klägerin und Josef H***** das Haus gekauft haben - zu einem derivativen Eigentumserwerb, so daß - sofern nicht das Mietrechtsgesetz anzuwenden sein sollte (§ 2 Abs 1 MRG) - § 1120 ABGB heranzuziehen ist (SZ 40/110; SZ 53/51; eco 1990, 483 ua). Nach dieser Bestimmung muß der Bestandnehmer, dessen Recht nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist, dann, wenn der Eigentümer den Bestandgegenstand an einen anderen veräußert und diesem schon übergeben hat, "nach der gehörigen Aufkündigung dem neuen Besitzer weichen". Nach ganz herrschender Auffassung gehen zwar grundsätzlich die Pflichten aus dem Bestandvertrag auf den Erwerber über, doch kann dieser das Verhältnis ohne Rücksicht auf eine andere vertragliche Regelung innerhalb der gesetzlichen Frist aufkündigen (Klang in Klang2 V 129 f; Koziol-Welser9 I 364; Würth in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 1120; MietSlg 35.236, 35.239, 39.172 uva). An solche Bestimmungen des Bestandvertrages, die nur die Dauer des Vertrages oder die Kündigungsfrist betreffen, insbesondere auch an einen Kündigungsverzicht (SZ 32/89; MietSlg 39.172; MietSlg 40.180 ua), ist der Erwerber nicht gebunden (Würth aaO Rz 6). Das gleiche gilt für einen bloß vereinbarten Kündigungsschutz, insbesondere für die vom Bestandgeber freiwillig übernommene Verpflichtung, nur unter den Voraussetzungen des Mietengesetzes (oder Mietrechtsgesetzes) zu kündigen (Klang aaO 130; SZ 12/8; SZ 15/51; RZ 1933, 95; MietSlg 20.193, 20.194 ua).
Entscheidend ist somit die Frage, ob das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen als (Geschäftsraum-)Miete oder (Unternehmens-)Pacht zu werten ist; diese Frage kann aber auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht beantwortet werden. Wie der Oberste Gerichtshof schon des öfteren dargelegt hat, lassen sich bei der Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht keine festen, allgemein anwendbaren Regeln aufstellen; vielmehr kommt es auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles an (MietSlg 32.162/23; 35.163; 40.110; SZ 58/8 uva). Die rechtliche Qualifikation durch die Parteien ist - von Grenzfällen abgesehen - bedeutungslos (SZ 44/18; MietSlg 38.457 mwN). In der Regel liegt eine Unternehmenspacht vor, wenn ein lebendes Unternehmen, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des Good will gehört, Gegenstand des Bestandvertrages ist (SZ 58/8; MietSlg 39.100 mwN). Wenngleich dem Bestandnehmer neben den Räumen auch das beigestellt werden muß, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und seinem wirtschaftlichen Fortbestehen gehört - also Betriebsmittel, Kundenstock und Gewerbeberechtigung -, schließt das Fehlen einzelner Komponenten die Beurteilung als Pachtvertrag nicht aus (SZ 58/8; MietSlg 39.443). Fehlt es an einzelnen für die Unternehmensüberlassung charakteristischen Merkmalen, dann kommt es darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (SZ 58/8 mwN). Im allgemeinen wird die Vereinbarung einer Betriebspflicht wichtigstes Kriterium eines Pachtvertrages sein, sofern sie auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers am Bestehen und der Art des Betriebes beruht und es sich dabei nicht um eine bloße Leerfloskel handelt (SZ 58/8 mwN; MietSlg 40.110, 40.114 uva; Klang in Klang aaO 28; Würth in Rummel aaO Rz 2 zu § 1091). Bei stillgelegten oder erst zu gründenden Betrieben sind die Anforderungen für die Annahme einer Unternehmenspacht strenger; nur dann, wenn der Bestandgeber alle wesentlichen Grundlagen des künftigen Unternehmens zur Verfügung stellt, kann Pacht angenommen werden (SZ 31/54; MietSlg 39.101, 39.103; Würth aaO). Der Bestandnehmer muß auch zur Rückstellung eines lebenden Unternehmens verpflichtet sein (MietSlg 39.101). Treffen diese Voraussetzungen nicht zu, dann wird selbst bei einem Interesse des Bestandgebers an der Führung des Betriebes nur Geschäftsraummiete und nicht Unternehmenspacht vorliegen (MietSlg 32.162/23; 39.105; Würth aaO).
Bei kombinierten Bestandverträgen ist die Hauptsache in wirtschaftlicher Hinsicht - nach der Verkehrsauffassung - maßgebend (MietSlg 34.206; Würth aaO Rz 4 zu § 1091); dieselben Parteien können aber auch je einen Pacht- und einen Mietvertrag abschließen (MietSlg 31.172; Würth aaO).
Die Rechtsnatur des zwischen den Parteien bestehenden Bestandverhältnisses läßt sich derzeit weder auf Grund übereinstimmenden Parteivorbringens noch auf Grund der getroffenen Feststellungen mit Sicherheit beurteilen. Was den in den 30iger Jahren geschlossenen Vertrag anlangt, so hat sich die Klägerin darauf berufen, daß sein Gegenstand das "ursprünglich" von Philipp P***** betriebene Bäckereiunternehmen gewesen sei; im Vertragstext wird von dem im Hause Philipp P*****s "befindlichen" Bäckerei-Unternehmen gesprochen. Die Beklagte hat demgegenüber vorgebracht, daß schon damals ein Mietvertrag geschlossen worden sei; sie begründet das aber vor allem mit dem Hinweis auf die in § 5 vereinbarten Kündigungsbeschränkungen. Den Feststellungen - welche im wesentlichen nur die Vertragstexte auszugsweise wiedergeben - sind die tatsächlichen Verhältnisse im Jahre 1936 nicht zu entnehmen; insbesondere steht nicht fest, ob im Jahr 1936 ein lebendes Bäckereiunternehmen bestanden hat. Die Behauptung der Klägerin, Philipp P***** habe dieses Unternehmen "ursprünglich" betrieben, läßt auch die Möglichkeit offen, daß das Unternehmen vor 1936 schon längere Zeit stillgelegt und erst vom "Pächter" wiederaufgenommen wurde. Schon deshalb ist es - wenngleich der Wortlaut des Vertrages überwiegend auf das Vorliegen eines Pachtvertrages schließen läßt - erforderlich, diese Frage mit den Parteien zu erörtern (§ 182 ZPO), um sodannn gegebenenfalls entsprechende Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen.
Der Erstrichter hat zwar den Inhalt des § 4 des "Pachtvertrages" festgestellt. Zur Frage, wann und unter welchen Umständen der Bestandgeber Johann B***** (oder die Beklagte als seine Nachfolgerin) nach dem Tod Philipp P*****s dessen Wohnung im
1. Stock "in Anspruch genommen" hat, fehlen aber Feststellungen. Aus der Beschreibung des Bestandobjektes in dem Beschluß über die Aufkündigung geht freilich hervor, daß dazu auch Räume im
1. Stock gehören (S. 3). Zur Beurteilung der Frage, ob eine allfällige "Inanspruchnahme" der Wohnung im 1. Stock nach dem Parteiwillen eine Erweiterung des Pachtvertrages auf die im
1. Stock gelegenen Wohnräume oder aber den - zumindest schlüssigen - Abschluß eines Mietvertrages über diese Räume bedeutete, fehlen sowohl Parteibehauptungen als auch Feststellungen; die Beantwortung dieser Frage ist aber für die Entscheidung erforderlich. Sollten Hans B***** oder die Beklagte bei Übernahme der Räume mit dem damaligen Eigentümer keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen haben, dann wird - nach Erörterung mit den Parteien - zu prüfen sein, ob auf Grund der im einzelnen festzustellenden Umstände das schlüssige (§ 863 ABGB) Zustandekommen eines zusätzlichen Mietvertrages oder aber nur eine Ausdehnung des Pachtvertrages zu sehen ist.
Das Vorbringen der Beklagten zielt offenbar darauf ab, daß, selbst wenn der Vertrag von 1936 ein Pachtvertrag gewesen wäre, dieser Vertrag in der Folge - zumindest schlüssig - durch Novation in einen Mietvertrag umgewandelt worden sei. Die dazu bisher vorgetragenen und festgestellten Tatsachen reichen aber zur Beurteilung nicht aus:
Daß die Hauseigentümerin Herta M***** im Jahre 1960 (ua) Hans B***** als Mieter in einem Verfahren nach § 7 MG in Anspruch genommen hat, bedeutet für sich allein - ebensowenig wie der dann geschlossene Vergleich - eine Novation, fehlt es doch an Anhaltspunkten für den Willen der Parteien, den Vertrag zu ändern. Herta M***** könnte auch durchaus einem Irrtum unterlegen sein.
Noch weniger ist für die Beklagte daraus zu gewinnen, daß sich ihr Vater selbst im Übergabsvertrag mit ihrem Gatten als Hauptmieter der Räume bezeichnet hat; die Hauseigentümerin Herta M***** war ja an dieser Vereinbarung nicht beteiligt.
Soweit Herta M***** im Kaufvertrag mit der Klägerin und Josef H***** auf die bestehenden Mietverhältnisse mit der Beklagten, früher Hans B*****, hingewiesen hat und festgehalten wurde, daß die Käufer in die bestehenden Mietverhältnisse eintreten, ist auch daraus für die Beklagte nichts zu gewinnen: Ganz abgesehen davon, daß es auf die Bezeichnung eines Rechtsverhältnisses durch die Parteien nach dem oben Gesagten nicht ankommt - weder die Klägerin noch Herta M***** mußten über die Unterschiede zwischen Miete und Pacht Bescheid wissen -, entspricht es ohnehin dem Gesetz, daß die Käufer in die bestehenden Bestandverhältnisse eintreten; daß sie diese in der Folge auch nicht aufkündigen würden, haben die Käufer nicht einmal der Hausfrau, geschweige denn der Beklagten zugesagt.
Ob die im Pachtvertrag vom 1.5.1982 enthaltene Nebenabrede, daß der Mietvertrag B*****-T***** wie bisher weiterlaufen werde, sollte Josef H***** das Haus käuflich erwerben, als dauernder Kündigungsverzicht Josef H*****s anzusehen ist, kann offenbleiben, da weder behauptet noch festgestellt wurde, daß die Klägerin diese Verpflichtung übernommen hat.
Wie weit es bei der von der Beklagten behaupteten (aber nicht festgestellten) Weigerung der Klägerin und Josef H*****s im Dezember 1985, Mietzins von der Beklagten anzunehmen, um die Frage ging, ob ein Pacht- oder ein Mietverhältnis vorliegt, ist der Aktenlage nicht zu entnehmen; auch diese Frage wird noch zu erörtern sein.
Im Hinblick auf diese Feststellungsmängel war der Revision Folge zu geben und mit einer Aufhebung vorzugehen. Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war auch das Ersturteil aufzuheben und die Streitsache in die erste Instanz zurückzuverweisen (§ 510 Abs 1 Satz 3 ZPO). Im fortgesetzten Verfahren werden die als erheblich erkannten Fragen mit den Parteien zu erörtern und die entsprechenden Feststellungen zu treffen sein. Sollte nach den Ergebnissen des ergänzenden Verfahrens tatsächlich auch weiterhin nur ein Pachtvertrag vorliegen, dann wäre die Aufkündigung für rechtswirksam zu erklären; sollte sich hingegen herausstellen, daß zwischen den Streitteilen - von Anfang an oder auf Grund einer Vertragsänderung - ein Mietverhältnis über den gesamten Bestandgegenstand oder doch über die Wohnräume (zumindest im 1. Stock) besteht, wird die Aufkündigung mangels Geltendmachung eines wichtigen Grundes (§ 30 MGR) ganz oder teilweise aufzuheben und das Räumungsbegehren abzuweisen sein (§ 572 ZPO; Fasching IV 684 f).
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E29250European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00535.92.0707.000Dokumentnummer
JJT_19920707_OGH0002_0040OB00535_9200000_000