TE OGH 1992/7/8 9ObA116/92

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Veröffentlicht am 08.07.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Monika Angelberger und Paul Binder als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E*****S*****, Angestellter, *****, vertreten durch *****, Rechtsanwältin *****, wider die beklagte Partei Vereinigte Staaten von Amerika, vertreten durch ***** Rechtsanwaltskanzlei *****, wegen 170.438 S sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Jänner 1992, GZ 34 Ra 132,133/91-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil und der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.Juni 1991, GZ 24 Cga 1012/90-28, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den

Beschluß

gefaßt:

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Spruch

Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 8.154 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.359 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 13.September 1976 bis 24.Juni 1988 ohne Unterbrechung bei der US-Botschaft in Wien als Angestellter beschäftigt. Der Arbeitsvertrag wurde in Österreich abgeschlossen. Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger und hatte während seines Arbeitsverhältnisses seinen Wohnsitz im Inland. Der Kläger wurde am 24.6.1988 mit der Begründung entlassen, daß er den Sicherheitsanforderungen nicht entspreche. Sein jährliches Einkommen betrug im Zeitpunkt der Entlassung 511.314 S. Der Kläger begehrt 170.438 S sA an Abfertigung. Sein Arbeitsverhältnis sei von der beklagten Partei mit sofortiger Wirkung gelöst worden, ohne daß ein Entlassungsgrund vorgelegen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei entlassen worden, weil er den Sicherheitsanforderungen, die Teil des Dienstvertrages seien, nicht entsprochen habe. Im Zuge einer Überprüfung im Juni 1988 sei bekanntgeworden, daß der Kläger gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen habe. Es sei aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht möglich gewesen, den Kläger in der Botschaft weiterzubeschäftigen. Hinsichtlich dieser Maßnahme unterliege die beklagte Partei nicht der österreichischen Gerichtsbarkeit. Nach einem allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz seien Entlassungen von Angestellten des Empfangsstaates, die aus Gründen der nationalen Sicherheit des Entsendestaates vorgenommen werden, nicht acta iure gestionis, sondern acta iure imperii, weshalb der Entsendestaat diesbezüglich nicht der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates unterliege. Näher präzisierte die beklagte Partei die Entlassungsgründe trotz Erörterung nicht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und verwarf mit einem in das Urteil aufgenommenen Beschluß die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges (richtig: der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit). Es vertrat die Rechtsauffassung, daß ein ausländischer Staat bei Abschluß eines Vertrages über im Inland zu leistende Arbeiten als Privatrechtsträger handle. Die Einrede des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit sei daher unberechtigt. Das Arbeitsverhältnis sei gemäß § 44 Abs 1 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen, weil der Kläger weder von der beklagten Partei nach Österreich entsandt worden sei noch die Parteien eine ausdrückliche Rechtswahl getroffen hätten. Daher sei auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Entlassung nach österreichischem Recht zu beurteilen. Die Entlassung werde nicht schon durch die Behauptung, sie sei aus Sicherheitsgründen erfolgt, zum Hoheitsakt. Ob der Kläger den Sicherheitsanforderungen nicht mehr entsprochen habe, müsse nicht geprüft werden, weil die beklagte Partei ausdrücklich erklärt habe, diesen Entlassungsgrund nicht näher zu präzisieren. Im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses gebühre dem Kläger eine Abfertigung in Höhe des Vierfachen des letzten Monatsgehaltes.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung soweit sie Nichtigkeit geltend machte und gab ihr im übrigen nicht Folge. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Entlassung des Klägers kein Hoheitsakt sei. Es bestehe kein völkerrechtlicher Grundsatz, daß ein Staat berechtigt sei, privatrechtliche Arbeitsverhältnisse aus Sicherheitserwägungen durch Hoheitsakt zu beenden. Gegen den Standpunkt der beklagten Partei spreche vor allem das europäische Abkommen über die Staatenimmunität, nach dem keine Immunität bestehe, wenn das Verfahren einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag betreffe und die Arbeit im Gerichtsstaat zu leisten sei; keiner der drei in Art 5 Abs 2 dieses Übereinkommens geregelten Ausnahmsfälle betreffe Ansprüche aus einer von einem Staat aus Sicherheitsgründen vorgenommenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das Erstgericht habe daher die Einrede des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit zu Recht verworfen.

Auch in der Sache selbst sei die Berufung nicht berechtigt. Die Frage, welche Sicherheitsanforderungen die beklagte Partei stellen dürfe, sei vom österreichischen Gericht nicht zu überprüfen. Es bleibe jedem Staat unbenommen, den Sicherheitsstandard für seine diplomatischen Vertretungen im Ausland selbst festzulegen und in die Dienstverträge des dort beschäftigten Personals entsprechende Verpflichtungen aufzunehmen. Werde eine wesentliche Verletzung solcher Pflichten nachgewiesen, sei eine darauf gegründete Entlassung als berechtigt anzusehen, ohne daß das Gericht zu prüfen habe, ob und inwieweit der Arbeitgeber berechtigt sei, Sicherheitsanforderungen zu stellen. Da die beklagte Partei lediglich vorgebracht habe, daß der Kläger gegen Sicherheitsanforderungen verstoßen habe und zu einer näheren Präzisierung des Entlassungsgrundes nicht bereit gewesen sei, habe sie ihre Behauptungs- und Beweispflicht bezüglich des Entlassungsgrundes nicht erfüllt. Aus der Aussage der von der beklagten Partei geführten Zeugin A*****M*****, sie habe vom Personaloffizier die Information erhalten, daß der Kläger aus Sicherheitsgründen entlassen worden sei, lasse sich nicht einmal entnehmen, ob dies auf ein dem Kläger vorwerfbares Verhalten zurückzuführen sei. Aus dem Jahreseinkommen des Klägers von 511.314,-

S errechne sich ein Monatsbezug des Klägers von 42.609,50 S. Im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses von mehr als zehn Jahren habe der Kläger Anspruch auf eine Abfertigung in der Höhe des vierfachen Monatsbezuges.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Revision Nichtigkeit wegen Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit geltend macht, ist sie unzulässig.

Gemäß § 261 Abs 3 ZPO ist der in die Entscheidung über die Hauptsache aufgenommene Ausspruch über die Verwerfung von Prozeßeinreden nur mit dem gegen die Entscheidung in der Hauptsache offen stehenden Rechtsmittel (Berufung) anfechtbar. Das Gericht zweiter Instanz hat daher auch über die Anfechtung des in das Ersturteil aufgenommenen Beschlusses funktionell richtig als Berufungsgericht entschieden.

Da die Bestimmungen des § 519 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen, welche im Berufungsverfahren ergangen sind, mangels abweichender Regelung in § 47 ASGG auch im Verfahren in Arbeits- und Sozialrechtssachen anzuwenden sind (siehe Kuderna, ASGG 244), ist ein Beschluß des Berufungsgerichtes, mit dem die Berufung, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, verworfen wird, mangels Aufzählung in § 519 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO in Arbeits- und Sozialrechtssachen ebenso wie in anderen streitigen Zivilrechtssachen (siehe Fasching ZPR2 Rz 1905; SpR Nr.28 = SZ 24/115; JBl 1985, 38 uva) unanfechtbar.

Im übrigen ist die Revision nicht berechtigt.

Soweit die Revisionswerberin ferner als Nichtigkeit geltend macht, das Ersturteil und das Berufungsurteil seien so mangelhaft, daß ihre Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne, ist ihr zu erwidern, daß eine vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit des Ersturteils, wie oben dargelegt, vom Obersten Gerichtshof nicht mehr wahrgenommen werden könnte; das Berufungsgericht hat die gesamten Einwendungen der beklagten Partei berücksichtigt und dazu Stellung genommen, so daß der Vorwurf, die Fassung des Urteils sei so mangelhaft, daß Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO vorliege, völlig unberechtigt ist.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Was die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes betrifft, genügt es, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E32061

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00116.92.0708.000

Dokumentnummer

JJT_19920708_OGH0002_009OBA00116_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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