Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Manfred Opperer, Rechtsanwalt, Eduard Wallnöfer-Platz 1, 6410 Telfs, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der B***** Gesellschaft m.b.H., ***** wider die beklagten Parteien
1. prot.Firma M***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, und 2. M***** Gesellschaft m.b.H., beide ***** und vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 799.966,88 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 23. Jänner 1991, GZ 2 R 262/90-46, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 27. Juni 1990, GZ 9 Cg 69/89-39, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
In teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteiles des Berufungsgerichtes wird das Urteil des Erstgerichtes zur Gänze wieder hergestellt.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 78.322,73 (darin S 9.720,45 Umsatzsteuer und S 20.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der B*****-G***** Sportmoden GmbH nahm das am 20. April 1988 eingeleitete und durch die Konkurseröffnung unterbrochene Prozeßverfahren gegen die erstbeklagte Kommanditgesellschaft und deren zweitbeklagte Komplementärgesellschaft auf und begehrt die Zahlung des Kaufpreises von S 799.966,68 sA für die auftragsgemäße und ordnungsgemäße Lieferung von Textilien.
Die erstbeklagte Handelsgesellschaft stand mit der
"V***** - Sportmoden, Erzeugungs- und Vertriebsgesellschaft mit beschränkter Haftung" mit dem Sitz in ***** T***** (HRB 5152 LG Innsbruck) in Geschäftsverbindung und bestellte wiederholt Textilien. So wurden auch 1987 bei dieser Gesellschaft mbH, die ihre Geschäftsräumlichkeiten in ***** T*****, B*****straße 20, hatte, Aufträge zur Lieferung bestimmter Waren für das Modenhandelshaus der erstbeklagten Kommanditgesellschaft erteilt.
Für die bei der Geschäftspartnerin "V*****" getätigte Bestellung vom 27. Mai 1987 legte diese Verkäuferin am 8. Juli 1987 eine Rechnung mit dem Vermerk, daß mit schuldbefreiender Wirkung nur mehr auf das Konto 420.125 bei der Raiffeisenkasse Telfs bezahlt werden könne. Mit Rechnung vom 17. August 1987 begehrte die "B***** G*****" für dieselbe Warenlieferung ebenfalls Bezahlung auf dasselbe Bankkonto.
Etwa um die Jahresmitte 1987 hatten sich mehrere Personen, darunter Mitarbeiter der "V*****" entschlossen, in deren Räumlichkeiten ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Sie nahmen ihre Geschäftstätigkeit unter Verwendung des Telefon- und des Telefaxanschlusses der "V*****" unter der Bezeichnung "B***** G***** Sportmoden-, Erzeugung- und Vertriebs-GmbH" auf, bedienten sich zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs wie "V*****" der Raiffeisenkasse T*****, jedoch über das Konto 210.211, und errichteten am 21. Juli 1987 den notariellen Gesellschaftsvertrag über die Gründung der "B***** - G***** - Sportmoden GmbH".
Von der erstbeklagten Kommanditgesellschaft wie bisher an die "V*****" übermittelte Aufträge zur Lieferung von Textilwaren vom 27. April 1987, 25. August 1987, 2. September 1987 und 3. September 1987 wurden von der "B***** - G*****" ausgeführt. Diese damals noch nicht eingetragene Gesellschaft dankte in einem von Karin H*****, die "einen Mitarbeiter" der Erstbeklagten schon im August 1987 auf die Verschiedenheit der Firmen hingewiesen hatte, unterfertigten Schreiben am 18. September 1987 für eine Bemusterung und das entgegengebrachte Vertrauen. Nach Auslieferung der bei "V*****" bestellten Waren legte die "B***** - G*****" die Rechnungen vom 22. September 1987, 5. Oktober 1987, 14. Oktober 1987, 19. Oktober 1987 und 20. Oktober 1987 über zusammen S 823.179,60. Infolge erreichter Gutschrift waren S 788.672,64 zu bezahlen. Die "B***** - G*****" teilte der Einkaufsabteilung der Erstbeklagten mit Telex vom 13. Oktober 1987 mit, daß "V*****", an die die Aufträge erteilt wurden, mit "B***** G*****" nichts zu tun habe. Die Erstbeklagte übermittelte am 26. Oktober und am 5., 8. und 26. November 1987 zur Abdeckung der Verbindlichkeiten aus den Kaufverträgen an die Raiffeisenkasse Telfs Verrechnungsschecks und teilte auf Rückfrage der Kreditunternehmeung mit, daß die Gelder auf das Konto der "V*****" zu buchen seien. Die Buchung erfolgte auftragsgemäß.
Am 6. November 1987 schrieb die Erstbeklagte die Bank mit Telex an und teilte mit, es sei irrtümlich die Auskunft erteilt worden, daß die Verbuchung für "V*****" erfolgen solle, weil für die "B***** G*****" noch kein Lieferantenstamm angelegt war. Es habe sich aber um Zahlungen an "B***** G*****" gehandelt. Dieser Versuch, eine Umbuchung der eingegangenen Gelder auf das Konto der "B***** G*****" zu erreichen, scheiterte, weil "V*****" zur Rückzahlung des Eingangs nicht bereit war. Sie gab die auf ihrem Konto verbuchten Beträge nicht mehr heraus.
An die "B***** G*****" hat die Erstbeklagte den Warenwert samt Zinsen von S 799.966,64 nicht bezahlt.
Die "B***** - G***** - Sportmoden Gesellschaft mbH" wurde erst am 12. Jänner 1988 in das Handelsregister/Firmenbuch eingetragen (HRB 5818 Landesgericht Innsbruck). Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck zu S 65/88 wurde am 15. Juni 1988 über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet.
Die Verkäuferin erhob am 20. April 1988 die Klage auf Zahlung von S 799.966,88 sA. Sie habe der Erstbeklagten die Waren um S 788.672,68 geliefert und verlange S 11.294,-- an Zinsen. Diese Forderungen seien anerkannt worden. Die Beklagten hätten nicht bezahlt.
Die Beklagten meinten, sie seien mit der späteren Gemeinschuldnerin in keiner Geschäftsbeziehung gestanden. Sie hätten nur bei "V*****" Textilien bestellt. Die Gemeinschuldnerin habe damals noch gar nicht bestanden. Sie habe sich derselben Anschrift und Telefon- sowie Telexnummer bedient, das selbe Briefpapier verwendet und das selbe Bankkonto benützt. Auch die Mitarbeiter seien die selben gewesen. Die Ware sei bei "V*****" bestellt und an diese Lieferantin bezahlt worden. Die Bemühungen der Erstbeklagten, eine Umbuchung zu erreichen und das Geld "B***** G*****" zukommen zu lassen, seien auf die Vorspiegelung falscher Tatsachen durch Mitarbeiter der späteren Gemeinschuldnerin zurückzuführen. Der damit befaßte Angestellte der Erstbeklagten sei nicht vertretungsbefugt gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Geschäfte seien zwischen der Erstbeklagten und "V*****" zustande gekommen; die Erstbeklagte habe ihre Verbindlichkeiten dadurch erfüllt, daß sie den Kaufpreis auf das Konto von "V*****" überwies. Die Erstbeklagte habe guten Grund zur Annahme gehabt, daß "V*****" und "B***** G*****" identisch seien, zumal die B***** G***** Sportmoden GmbH" noch gar nicht entstanden war.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren bis auf ein 5 % übersteigendes Zinsenbegehren statt. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Auf Grund der übernommenen und aus den vorgelegten Urkunden ergänzten Feststellungen nahm es an, daß konkludent zwischen der Erstbeklagten und der "B***** G*****" ein Vertrag zustande kam, auch wenn diese am 21. Juli 1987 gegründete Gesellschaft mbH erst durch die Eintragung in das Handelsregister am 12. Jänner 1988 Rechtspersönlichkeit erlangte. Sie sei durch die Aufnahme der Geschäftstätigkeit schon vor ihrer Eintragung als Offene Handelsgesellschaft (oder Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht) entstanden. Bei Erhebung der Klage habe die spätere Gemeinschuldnerin die Rechtspersönlichkeit erlangt gehabt. Sie habe ihre Forderungen aus den von den Gesellschaftern vor der Eintragung geschlossenen Geschäften geltend machen dürfen, weil den für die erstbeklagte Kommanditgesellschaft handelnden Personen schon daraus die Verschiedenheit der beiden Firmen auffallen hätte müssen, daß für die Lieferung auf Grund der Bestellung vom 27. Mai 1987 sowohl "V*****" am 8. Juli 1987 als auch "B***** G*****" am 17. August 1987 Rechnung gelegt hatten. Wenn in der Folge an "V*****" gerichtete Bestellungen von B***** G***** ausgelierfert wurden und diese Rechnung legte und die Erstbeklagte mit B***** G***** korrespondierte, sei dadurch schlüssig ausgedrückt worden, daß eine geschäftliche Beziehung mit "B***** G*****" bestehe, die wieder durch die Auslieferung zum Ausdruck brachte, an die Stelle von "V*****" getreten zu sein. Es sei daher zwischen diesen beiden Unternehmen zu einem konkludenten Vertragsschluß gekommen. Die Erstbeklagte habe sich erst später, als die an "V*****" überwiesenen Gelder nicht rückforderbar waren, auf den Standpunkt gestellt, zu "B***** G*****" keine vertraglichen Beziehungen aufgenommen zu haben. Da alle Bestellungen, Zahlungsveranlassungen und Erklärungen der Erstbeklagten im Rahmen ihres Handelsbetriebes erfolgten, seien die Handlungen ihrer Angestellten der Erstbeklagten zuzurechnen. Die Erstbeklagte habe zwar kein Anerkenntnis der Kaufpreisforderung abgegeben, sich aber zur Zahlung der vereinbarungsgemäß zustehenden Zinsen verpflichtet.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien ist zulässig und berechtigt.
Zunächst bestand zwischen der Erstbeklagten als Abnehmerin von Textilwaren und der einen Handel mit solchen Waren betreibenden V*****Sportmoden, Erzeugungs- und Vertriebsgesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in 6410 Telfs eine Geschäftsbeziehung. Später errichteten Leute dieses Unternehmens in deren Räumen in der B*****straße 20 in ***** T***** eine Gesellschaft mbH und nahmen eine Geschäftstätigkeit für diese Gesellschaft auf. Vor der Eintragung in das Handelsregister/Firmenbuch bestand aber diese Gesellschaft als solche nicht. Wird vorher im Namen der Gesellschaft gehandelt, so haften die Handelnden vielmehr persönlich zur ungeteilten Hand (§ 2 Abs 1 GmbHG). Hier bedienten sich die Handelnden der Geschäftspapiere, die mit dem Schlagwort B*****G***** und der damals noch unrichtigen Firmenbezeichnung "Sportmoden Erzeugungs- und Vertriebs Ges.m.b.H." eine erhebliche Verwechslungsfähigkeit mit der in den selben Räumen etablierten "V*****" bewirkten, wurde doch nur die Phantasiebezeichnung "V*****" und der Familienname "K*****" durch die Phantasiebezeichnung "B*****G*****" ersetzt. Im Geschäftsverkehr konnte, weil auch Fernsprech- und Fernschreibanschluß gleich waren, der Eindruck entstehen, daß es sich um ein und dasselbe Rechtssubjekt handle. Eine Kontrolle durch Einsicht in das Handelsregister hätte zu einer Aufklärung der beteiligten Verkehrskreise nichts beitragen können. Die neue
"B***** - G***** - Sportmoden Gesellschaft m.b.H." wurde erst nach den hier entscheidenden Vorgängen am 12. Jänner 1988 in das Handelsregister eingetragen, obwohl sie mit dem Gesellschaftsvertrag vom 21. Juli 1987 errichtet worden war.
Die Aufträge (Bestellungen) waren von der erstbeklagten Personenhandelsgesellschaft an die bisherige Lieferantin "V*****" gerichtet. Auch wenn "B***** G*****" auslieferte und fakturierte und "Leuten" der Erstbeklagten mitgeteilt wurde, daß diese mit "V*****" nichts zu tun habe (Beilage ii), so reichte dies angesichts der besonderen Umstände nicht aus, die Erstbeklagte über die Einmengung einer Gruppe der bei "V*****" Beschäftigten in deren Geschäfte aufzuklären, die sich der Büroeinrichtungen der bisherigen Geschäftspartnerin der Erstbeklagten bedienten. Dazu hätte es einer genauen Darstellung bedurft, aus der der Erstbeklagten bewußt gemacht worden wäre, daß sich diese Gruppe die Geschäfte von "V*****" aneignete und nun an deren Stelle als Lieferant treten wollte. Es zeigt sich, daß der künftig in § 14 HGB eingeführten Offenlegungsvorschrift für Kapitalgesellschaften (Oberhofer/Strickner, Angaben auf Geschäftspapieren von Kapitalgesellschaften, ÖJZ 1992, 119) Bedeutung zukommt. Eine solche Klarstellung erforderte die Aneignung der Geschäftsräumlichkeiten der "V*****" durch eine werbende, noch gar nicht entstandene Gesellschaft schon aus dem Erfordernis der Aufklärung des anderen Vertragsteiles, der sich sonst keine verläßliche Kenntnis davon verschaffen konnte.
Abgesehen davon, daß das Berufungsgericht von einer gar nicht getroffenen Feststellung des Erstgerichtes ausging, "ein Mitarbeiter der Erstbeklagten sei von Karin H***** bereits im August 1987 auf die Verschiedenheit der Firmennamen "V*****" und "B***** - G*****" hingewiesen worden (das Erstgericht hatte dies nur "allenfalls" als möglich erachtet), entspräche diese einem nicht näher bezeichneten, bei der Erstbeklagten Tätigen gemachte Andeutung nicht dem Gebot eindeutiger Offenlegung. Daß alle Schreiben von der noch nicht entstandenen "B***** - G*****" GmbH stammten, diese auch für das Vertrauen dankte und in einem Fernschreiben erwähnte, daß sie mit "V*****" nichts zu tun habe, zugleich aber ersuchte, "in Zukunft Ihre Order an die Fa "B***** - G*****" Sportmoden GmbH zu senden", reichte ebenfalls nicht aus, der Erstbeklagten klar und eindeutig zu erkennen zu geben, daß sich die neue, noch gar nicht eingetragene GmbH in die bestandene Geschäftsverbindung der Erstbeklagten mit "V*****" hineindrängte und in eigenem Namen, wenn auch abhängig von der erst nach ihrem Entstehen erfolgten Genehmigung der vorher getätigten Geschäfte, abschließen wollte. Bei Betrachtung dieser Umstände ist die spätere Gemeinschuldnerin so zu behandeln, als wären die hier zugrunde liegenden Aufträge nicht nur an "V*****" erteilt, sondern auch von dieser in laufender Geschäftsverbindung mit der Erstbeklagten gestandenen Lieferantin erfüllt und eine Vertragsbeziehung allein zwischen diesen beiden Unternehmungen zustande gekommen. Daran ändern angesichts der Besonderheit der Gründung der neuen Gesellschaft auch Äußerungen der Erstbeklagten nichts, die nach der Zahlung und der erfolgten Aufklärung Versuche unternahm, eine (zunächst unschädlich scheinende) Umbuchung zu erreichen.
Die spätere Gemeinschuldnerin hat für die Unterlassung der ausreichenden Offenlegung und Information der Erstbeklagten einzustehen. Sie kann sich wegen der Unterlassung der erforderlichen rechtzeitigen Offenlegung und Aufklärung durch die für sie Handelnden nicht darauf berufen, die Erstbeklagte habe nicht bezahlt, wenn diese die Überweisung der Gelder an die verständlicherweise immer noch als anderen Vertragsteil angesehene "V*****" vornahm. Die neue GmbH muß vielmehr diese Zahlung gegen sich gelten lassen und versuchen, ihrerseits in einer direkten Auseinandersetzung mit "V*****" zu ihrem Geld zu kommen.
Im Ergebnis hat daher das Erstgericht zutreffend die Zahlungsverpflichtung der Erstbeklagten und ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO und § 50 Abs 2 ZPO.
Anmerkung
E29223European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00553.92.0708.000Dokumentnummer
JJT_19920708_OGH0002_0030OB00553_9200000_000