TE OGH 1992/7/8 9ObA129/92

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Veröffentlicht am 08.07.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Monika Angelberger und Paul Binder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei *****D***** B*****, öffentlicher Notar, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt ***** wegen Feststellung (Streitwert S 40.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12.März 1992, GZ 8 Ra 126/91-19, womit infolge das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 13.Juli 1989, GZ 21 Cga 69/89-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Es wird festgestellt, daß der Beklagte der Klägerin alle jene Leistungen zu ersetzen hat, die sie auf Grund des Urteiles des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 25.Feber 1987, 13 Cg 45/86-13 (wiederhergestellt mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 28. Juni 1988, 1 Ob 21/88) an Dr.M***** T***** zu erbringen hat."

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 18.607,50 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

M***** T***** ist am 1.Jänner 1983 verstorben. In dem beim Bezirksgericht I***** zu A 13/83 eingeleiteten Abhandlungsverfahren wurde der Beklagte als öffentlicher Notar zum Gerichtskommissär bestellt. Die ***** K***** AG, S*****, teilte dem Gerichtskommissär mit Schreiben vom 8.März 1983 mit:

"Verlassenschaft nach Frau M***** T*****

Kreditengagement R***** T*****, F***** 9/A-8952 I*****

Sehr geehrter Herr Notar,

zu obigem Kreditengagement hat Frau M***** T***** Haftung zu unseren Gunsten über Deckungswechsel samt Widmungserklärung, unterfertigt in blanko, übernommen.

Weiters besteht auch Grundbuchbesicherung zu unseren Gunsten, uzw öS 2,000.000 ob EZ 315 KG I***** als HE und EZ 392, 562 und 115 KG I***** als NE'en, alle Ger.Bez.I*****.

Die aushaftenden Salden zu gegenständlichem Engagement wollen Sie bitte beiliegender Bürgschaftsverständigung vom 31.Jänner 1983, Salden per 31.12.1982 = 1.Jänner 1983 (Todestag der Verstorbenen), entnehmen.

Auf Wunsch können wir Ihnen jederzeit die von Frau M***** T***** unterfertigten Kreditpapiere in Kopie zur Verfügung stellen."

Die beiliegende Aufstellung enthielt folgende Kreditverbindlichkeiten des R***** T***** zum 31.12.1982:

S 83.626,02 (Wechselobligo), S 8,102.870,75 (Kontokorrent),

S 557.295,50 (Bauspar-Zwischenfinanzierung), S 1,150.000 (Kreditdarlehen), S 1,533.324 (Kreditdarlehen).

An der vom Beklagten für 4.5.1983 anberaumten Verlassenschaftsabhandlung nahmen die Söhne der Erblasserin R***** T*****, J***** T***** jun. und Dr.M***** T*****, sowie der Witwer J***** T***** sen. teil. Der Beklagte teilte den Erben mit, daß nach dem Schreiben der Salzburger K*****bank beträchtliche Schulden vorhanden seien. R***** T***** unterbrach ihn sofort und erklärte, daß er diese Schulden, die aus der Übernahme der Gerberei durch ihn stammten, ganz sicher zurückzahlen werde. Während der Beklagte das Schreiben der ***** K*****bank mit den in der beiliegenden Aufstellung enthaltenen Zahlen vorlas, unterbracht ihn R***** T***** noch mehrere Male und erklärte, daß die im Schreiben der Bank angeführten Bürgschaften bereits längst überholt seien.

Der Beklagte erklärte den Erben zwar den Unterschied zwischen bedingter und unbedingter Erbserklärung, nicht aber zwischen dinglicher und persönlicher Haftung. Er sagte dabei, daß im Falle einer unbedingten Erbserklärung "auch die anderen dran sind", wenn R***** T***** seine Schulden nicht zurückzahlen könne. In diesem Zusammenhang erwähnte der Beklagte auch, daß es bei einer bedingten Erbserklärung zu einer Schätzung kommen müsse. R***** T***** betonte wiederum, daß nichts passieren könne, weil er ohnehin alle Schulden übernehmen und begleichen werde.

Die drei Brüder T***** wollten schon am 4.5.1983 unbedingte Erbserklärungen abgeben. Wegen der Behauptung, daß eine obligatorische Haftung der Erblasserin nicht mehr vorliege, ersuchte der Beklagte den R***** T*****, mit der ***** K*****bank Kontakt aufzunehmen und dies zu klären. Dr.M***** T***** wollte nicht nochmals zur nächsten Besprechung nach I***** kommen. Er bevollmächtigte seinen Bruder R***** T*****, nachdem ihm der Beklagte geraten hatte, einem der Anwesenden eine Vollmacht zu erteilen.

In der Folge teilte R***** T***** dem Beklagten telefonisch mit, daß alles stimme, was er am 4.5.1983 gesagt hatte. Der Beklagte stellte keine weiteren Erhebungen mehr an, um die Frage der Haftung der Erblasserin für die Schulden des R***** T***** zu klären und bereitete für den 31.8.1983 die Niederschrift mit dem Erbübereinkommen vor. In der Niederschrift waren unbedingte Erbserklärungen enthalten. Der Beklagte war damals der Ansicht, daß eine obligatorische Haftung der Erblasserin nur sehr gering sein könnte. Er schätzte die Gefahr, daß die Brüder T***** zu einer Haftung herangezogen würden, mit mindestens 50 % ein.

Am 31.8.1983 unterschrieben die erschienen Erben die vorbereitete Niederschrift; die erblasserischen Söhne gaben damit zu je einem Drittel des Nachlasses unbedingte Erbserklärungen ab. In der Abhandlungsschrift wurde festgestellt, daß sämtliche auf den erblasserischen Liegenschaften (Liegenschaftsanteilen) haftenden Pfandrechte von der Firma Gerberei R***** T***** aufgenommen wurden, die Erblasserin mit ihren Liegenschaften (Liegenschaftsanteilen) lediglich eine dingliche Besicherung dieser Pfandrechte übernommen habe und diese somit nicht Gegenstand der Verlassenschaftsabhandlung sei.

In der Folge nahm die ***** K*****bank AG Dr.M***** T***** wegen seiner unbedingten Erbserklärung (für die von der Erblasserin verbürgten Schulden seines Bruders, R***** T*****) in Höhe von S 7,462.930,39 sA in Anspruch. Dr.M***** T***** erhob daher gegen die Republik Österreich Amtshaftungsansprüche wegen mangelnder Belehrung durch den Beklagten als Gerichtskommissär. Im Amtshaftungsverfahren 13 Cg 45/86 des Landesgerichtes für ZRS Graz wurde rechtskräftig festgestellt, daß die Republik Österreich für den Vermögensschaden des dortigen Klägers, der diesem in Hinkunft aus der Abgabe seiner unbedingten Erbserklärung entstehen werde, hafte (Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 28.6.1988, 1 Ob 21/88 = JBl 1989, 42).

Mit Regreßklage gemäß § 3 Abs 1 AHG begehrt die klagende Partei die Feststellung, daß ihr der Beklagte alle jene Leistungen zu ersetzen habe, die sie auf Grund ihrer Verurteilung im Amtshaftungsverfahren an Dr.M***** T***** erbringen müsse. Der Beklagte habe als Gerichtskommissär im erwähnten Abhandlungsverfahren seine Belehrungspflicht grob fahrlässig verletzt. Er habe die Erben über den Unterschied und die Wirkungen bedingter und unbedingter Erbserklärungen unzureichend belehrt und über die Haftung der Erblasserin in Millionenhöhe nicht entsprechend informiert. Er hätte die Erben in entsprechend drastischer Form auf die Folgen einer unbedingten Erbserklärung aufmerksam machen müssen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß er die Erben zwar volkstümlich, aber unmißverständlich, klar und ausreichend über die Gefahren einer unbedingten Erbserklärung belehrt habe. Keinesfalls habe er grob fahrlässig gehandelt. Die Voraussetzungen für ein Feststellungsbegehren nach § 228 ZPO seien nicht gegeben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es bejahte das Feststellungsinteresse der klagenden Partei und folgte der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes im Amtshaftungsprozeß, daß der Beklagte die Pflichten des Gerichtskommissärs nach § 116 Abs 1 AußStrG dadurch verletzt habe, daß er keine ausreichend genaue Erklärung über den Unterschied zwischen unbedingter und bedingter Erbserklärung gegeben und den Erben nicht deutlich die Alternative zwischen ihrem Haftungsrisiko und den höheren Abhandlungskosten zahlenmäßig vor Augen gestellt habe. Der Beklagte hätte den Erben die bedingte Erbserklärung eindeutig empfehlen müssen. Diese Fehler des Beklagten beruhten aber nicht auf grober Fahrlässigkeit, habe er doch den Erben den Unterschied zwischen bedingter und unbedingter Erbserklärung erläutert und ihnen das Schreiben der ***** K*****bank im einzelnen vorgehalten. (Zu dieser Frage waren im Vorprozeß andere Feststellungen getroffen worden.)

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 50.000 übersteige.

Auch das Berufungsgericht bejahte die Zulässigkeit der auf Feststellung der Rückersatzpflicht des Beklagten gerichteten Klage. Ein grobes Verschulden des Beklagten liege jedoch nicht vor, wenn man seinen Wissensstand in den maßgeblichen Zeitpunkten berücksichtige. Obwohl alle drei Erben bereits am 4.5.1983 zur Abgabe einer unbedingten Erbserklärung bereit gewesen seien, habe der Beklagte die Verlassenschaftsabhandlung nicht zu Ende geführt, sondern R***** T***** ersucht, die obligatorische Haftung der Erblasserin zu klären. Am 31.8.1983 habe nicht nur R***** T***** im eigenen Namen und für seinen Bruder Dr.M***** T***** sondern auch J***** T***** jun. im eidesstättigen Vermögensbekenntnis erklärt, daß die Erblasserin mit ihren Liegenschaften (Liegenschaftsanteilen) lediglich eine dingliche Haftung übernommen habe. Der Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, daß die offenbar in gutem Einvernehmen stehenden Brüder die Sachlage inzwischen ausreichend geklärt hätten. Dr.M***** T***** habe seinen Bruder R***** T***** ohne Anraten des Beklagten eine weitgehende Vollmacht erteilt. Der Beklagte habe daher darauf vertrauen dürfen, daß die Erben auf Grund ihrer nahen Verwandtschaft selbst am ehesten einschätzen könnten, wie weit sie mit einer Haftung aus der Bürgschaft der Verstorbenen rechnen müßten. Eine Prüfung des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses auf seine Richtigkeit stehe weder dem Abhandlungsgericht noch dem Gerichtskommissär zu.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der denselben Haftungsfall betreffenden Entscheidung im Amtshaftungsverfahren (JBl 1989, 42) ausgeführt hat, ist der Gerichtskommissär verpflichtet, Erben, die nicht von einem rechtskundigen Bevollmächtigten vertreten sind, bei der Tagsatzung, in welcher er deren Erbserklärung entgegennimmt, über die gesetzlichen Folgen der bedingten und unbedingten Erbserklärung zu belehren und erst danach ihre Äußerungen oder Erbserklärungen zu Protokoll zu nehmen (§ 116 Abs 1 AußStrG). Diese Belehrung hat insbesondere die Wirkungen der bedingten und unbedingten Erbserklärung sowie das Verbot des Widerrufes der unbedingten Erbserklärung und der Umwandlung einer unbedingten in eine bedingte Erbserklärung (§§ 801 f, 806 ABGB) zu umfassen. Die Belehrung muß für einen Rechtsunkundigen faßbar sein (SZ 57/172; Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen2 Anm 9 zu § 116 AußStrG).

Im vorliegenden Fall war dem Beklagten aufgrund der Auskunft der ***** K*****bank AG vom 8.3.1983 bekannt, daß M***** T***** die persönliche Haftung für Verbindlichkeiten ihres Sohnes R***** T***** in der beträchtlichen Höhe von ca 11,4 Millionen Schilling übernommen hatte und Forderungen der Bank in der Höhe von 2 Millionen Schilling grundbücherlich gesichert waren. Bestanden Verbindlichkeiten in dieser Höhe, war es Aufgabe des Notars, in besonders eindringlicher Weise auf die Haftungsfolgen der unbedingten Erbserklärung hinzuweisen.

Nach den im vorliegenden Amtshaftungsprozeß gegen den Beklagten (- der Organ im Sinne des § 1 Abs 1 AHG (SZ 57/172; JBl 1989, 42) war -) getroffenen Feststellungen hat der Beklagte allerdings die Auskunft der ***** K*****bank AG vom 8.3.1983 einschließlich der beiliegenden Aufstellung über die Verbindlichkeiten des R***** T***** verlesen, wobei er allerdings von R***** T***** immer wieder mit dem Bemerken unterbrochen wurde, daß die Bürgschaft der Erblasserin nicht mehr (in dem im Schreiben bekanntgegebenen Umfang) aufrecht sei oder sogar nur mehr eine Sachhaftung bestehe und er diese Schuld allein begleichen werde. Schon nach dem damaligen Wissensstand, nämlich dem Inhalt der Bankauskunft, mußte dem Beklagten bewußt sein, daß zwischen den Miterben in der Frage, welche Erbserklärung abzugeben sei, eine schwerwiegende Interessenkollision entstehen konnte, war doch die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung für R***** T***** als Hauptschuldner der von der Erblasserin verbürgten Kreditforderung mit keinem Risiko, für die übrigen Miterben aber mit der enormen Gefahr verbunden, für die Verbindlichkeiten ihres Bruders in Millionenhöhe haften zu müssen. Auf Grund des auffallenden Benehmens des R***** T*****, der den Beklagten immer wieder unterbrach, hätte dieser auch den Eindruck gewinnen müssen, daß R***** T***** die Bürgschaftsverpflichtung der Erblasserin zu bagatellisieren versuchte.

In dieser Situation war schon das Vorgehen des Beklagten, daß er die Aufklärung, in welchem Umfang die Bürgschaftsschuld der Erblasserin noch aufrecht bestand, gerade dem an einer Haftungsbeschränkung nicht interessierten Miterben überließ, unzweckmäßig, wenn auch für sich allein noch nicht schuldhaft. Der Beklagte hätte sich aber dann, als er von R***** T***** telefonisch (!) die Auskunft erhielt, es bestehe nur mehr eine Sachhaftung, bei der ***** K*****bank AG durch eine neuerliche Anfrage vergewissern müssen, ob diese Behauptung den Tatsachen entsprach, stand sie doch zur Auskunft der Bank an den Gerichtskommissär in einem auffallenden Widerspruch. Der Beklagte hat bei seiner Parteienvernehmung zugegeben, daß ihm damals bekannt war, daß sich "R***** T***** mit Krediten übernommen hatte" und sich "finanziell nicht leicht tat"; festgestellt wurde, daß der Beklagte das Risiko, daß die Miterben zu einer Haftung herangezogen würden, mit mindestens 50 % (!) einschätzte.

In dieser Situation war das Unterlassen einer weiteren Anfrage an die Salzburger K*****bank AG, ob sich die Bürgenhaftung der Erblasserin für 11 Mio Schilling (!) mittlerweile wirklich auf eine reine Sachhaftung (an den erblasserischen Liegenschaften) reduziert hatte, bei Zugrundelegung des Maßstabes nach § 1299 ABGB eine grobe Fahrlässigkeit, die über Fehler, wie sie auch durchschnittlich sorgfältigen Personen unterlaufen, beträchtlich hinausgeht.

Es ist zwar richtig, daß dem Abhandlungsgericht (und damit auch dem Gerichtskommissär) nach stRsp eine Prüfung des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses auf seine Richtigkeit nicht zusteht (NZ 1930, 113; SZ 42/55 = EvBl 1969/382 = NZ 1969, 121). Das ist aber für die Beurteilung des Verschuldens des Beklagten nicht entscheidend. Die Verlassenschaftsabhandlung war ja ohne Abgeben von Erbserklärungen vertagt worden, weil R***** T***** behauptet hatte, daß die von der ***** K*****bank AG bekanntgegebenen (alarmierenden) Zahlen über den Umfang der Bürgschaft der Erblasserin nicht richtig seien, und aufgeklärt werden sollte, ob die Behauptung dieses Miterben, es liege nur mehr eine Sachhaftung vor, den Tatsachen entspreche. Der Beklagte war daher weiterhin zu einer entsprechenden Belehrung der Erben verpflichtet und hätte erst dann ihre Äußerungen und Erbserklärungen zu Protokoll nehmen dürfen. Es wird zwar zutreffen, daß sich der Gerichtskommissär in Fällen, in denen keine Anhaltspunkte für hohe Schulden des Erblassers bestehen, mit einer abstrakten (für die Miterben verständlichen) Erläuterung der gesetzlichen Folgen der bedingten und unbedingten Erbserklärung begnügen darf und es den Miterben überlassen kann, daraus die für ihren eigenen Fall erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Im vorliegenden Fall mußte aber der Beklagte von Anfang an um die eminenten Gefahren für die beiden Miterben wissen, durch eine unbedingte Erbserklärung in die Verbindlichkeiten ihres Bruders auf dem Umweg über die Bürgenhaftung der Erblasserin hineingezogen zu werden. Er hätte daher nach der telefonischen Auskunft des R***** T***** die Haftungsfrage durch eine weitere Anfrage bei der Gläubigerbank aufklären und dann in eindringlicher Weise auf die Haftungsfolgen der unbedingten Erbserklärung hinweisen müssen, wobei sich ihm die Interessenkollision des für seinen Bruder Dr.M***** T***** agierenden Hauptschuldners geradezu aufdrängen mußte. Der Beklagte hat daher die Schäden des Dr.M***** T***** aus der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung grob fahrlässig verschuldet.

Auch das Feststellungsinteresse der klagenden Partei ist zu bejahen. Vor Beginn der Verjährungsfrist für die Rückersatzansprüche des Rechtsträgers gegen das Organ, die mit der Anerkennung des Ersatzanspruches dem Geschädigten gegenüber oder mit der rechtskräftigen Verurteilung zum Ersatz beginnt (§ 6 Abs 2 AHG), ist eine Klage des Rechtsträgers auf Feststellung der Regreßpflicht des Organs nicht zulässig (Schragel, AHG2, 182 Rz 200; SZ 52/2 = JBl 1980, 100 = EvBl 1979/133). Der Ansicht Schragels (aaO), daß der Rechtsträger (auch nach rechtskräftiger Verurteilung) gegen das Organ keine Feststellungsklage erheben dürfe, ist hingegen nicht zu folgen. Wenn auch der verurteilte Rechtsträger im Regelfall den Schadenersatzbetrag an den Geschädigten unverzüglich zahlen und damit ehestens die Voraussetzungen für den Regreß nach § 3 Abs 1 AHG schaffen wird, muß ihm doch in jenen Fällen, in denen es innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist nicht zu einer Zahlung kommen kann (zB weil der Geschädigte noch Ersatzleistungen von Dritten zu erwarten hat und daher den Rechtsträger vereinbarungsgemäß nur teilweise in Anspruch nimmt oder die endgültige Schadenshöhe noch nicht feststeht) das Interesse zugebilligt werden, durch eine Feststellungsklage die Verjährung künftiger Rückersatzansprüche abzuwenden. Im vorliegenden Fall ist die klagende Partei gar nicht in der Lage, Zahlung zu leisten, weil der Geschädigte gegen sie ebenfalls nur ein Feststellungsurteil, aber noch kein Leistungsurteil erwirkt hat. Sollte dieses Urteil die Verjährungsfrist in Lauf setzen, was von der Frage abhängt, wie die Wendung "rechtskräftig zum Ersatz verurteilt" in § 6 Abs 2 AHG auszulegen ist, könnte der Rechtsträger den Rückersatzanspruch schon verlieren, bevor er überhaupt die Möglichkeit hätte, an den Geschädigten zu leisten. Die Feststellungsklage soll aber schon der bloßen Gefahr der Verjährung einer Forderung entgegenwirken.

Die klagende Partei hat daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Rückersatzpflicht des Beklagten (vgl Apathy in ZfV 1986/141; Vrba-Zechner, Komm z AHG 212).

Der Revision ist daher Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E29392

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00129.92.0708.000

Dokumentnummer

JJT_19920708_OGH0002_009OBA00129_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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