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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11992E002 EGV Art2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Dr. Andreas Peyrer-Heimstätt und Dr. Leonhard Romig, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Mahlerstraße 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. April 2004, Zl. UVS-07/A/29/5862/2002, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien:
Bundesminister für Finanzen und Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer auf Grund der Ergebnisse einer am 26. März 2003 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung der Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend für schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der D Werbemittelverteilungs GmbH mit dem Sitz in Wien zu verantworten, dass diese Gesellschaft, welche zur Ausübung des Gewerbes "Werbemittelverteiler" berechtigt sei, als Arbeitgeberin am 29. November 2001 um 12.50 Uhr in Wien 16, Kstraße 49, einen namentlich bezeichneten polnischen Staatsangehörigen als Werbemittelverteiler beschäftigt habe, obwohl für diesen weder eine Beschäftigungsbewilligung noch eine Entsendebewilligung erteilt, noch eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt worden sei und der Ausländer auch weder über eine Arbeitserlaubnis noch über einen Befreiungsschein verfügt habe. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer nach dem zweiten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.100 (Ersatzfreiheitsstrafe eine Woche) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in allen wesentlichen Umständen jenem (gleichfalls den Beschwerdeführer betreffenden), der dem hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2004, Zl. 2001/09/0195, zugrunde lag. Auch im vorliegenden Beschwerdefall hat die von der vom Beschwerdeführer vertretene Gesellschaft einen polnischen Staatsangehörigen, der über keinerlei Gewerbeberechtigungen verfügte, als Werbemittelverteiler verwendet. Neue in den vorgenannten Erkenntnissen noch nicht behandelte und den vorliegenden Beschwerdefall von dem zuvor entschiedenen unterscheidende Aspekte wurden - mit Ausnahme der untenstehend erörterten - in der vorliegenden Beschwerde nicht geltend gemacht. Daher genügt es zur Beantwortung der in der vorliegenden Beschwerde wiederholten Behauptungen zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung dieses Erkenntnisses gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG zu verweisen.
Im vorliegenden Verfahren erachtet sich der Beschwerdeführer - in Ergänzung zu seinem in dem zuvor zitierten Verfahren erstatteten Vorbringen - jedoch auch in seinem aus dem Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits laut dem Beschluss 93/743/EG (im Folgenden kurz: EU-Abkommen), insbesondere dessen Art. 44 Abs. 3 und 4, ergebenden Recht verletzt, die Tätigkeit eines polnischen Staatsbürgers in Anspruch nehmen zu dürfen, welcher zu ihm in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis stehe.
Begründend führt er im Wesentlichen aus, der Art. 44 Abs. 3 des EU-Abkommens, welcher Niederlassungsfreiheit gewähre, sei unmittelbar anwendbares Recht. Damit werde polnischen Staatsbürgern das Recht auf Aufnahme und Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit gewährt, wobei die Abgrenzung zum Arbeitnehmerbegriff lediglich nach EU-Recht vorzunehmen sei. Zwischen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit der Selbständigen gebe es keinen gemeinschaftsrechtsfreien Raum und somit auch keine "Arbeitnehmerähnlichkeit". Die belangte Behörde habe auf Grund der Verfahrensergebnisse ein Arbeitsverhältnis nicht festgestellt, damit sei aber jedenfalls von einer selbständigen Tätigkeit des betretenen Polen auszugehen gewesen, zumal im Hinblick auf Art. 44 Abs. 3 des zitierten Abkommens die Annahme eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses unzulässig sei. Im Übrigen erachte der Beschwerdeführer den Verwaltungsgerichtshof für verpflichtet, ein EU-Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.
Diesem Vorbringen ist Folgendes zu entgegnen:
Art. 44 Abs. 3 und 4 des genannten EU-Abkommens lauten:
"(3) Die Mitgliedstaaten gewähren vom Inkrafttreten dieses Abkommens an für die Niederlassung polnischer Gesellschaften und Staatsangehöriger im Sinne des Artikels 48 eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung ihrer eigenen Gesellschaften und Staatsangehörigen, und für die Geschäftstätigkeit der in ihrem Gebiet niedergelassenen polnischen Gesellschaften und Staatsangehörigen eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung ihrer eigenen Gesellschaften und Staatsangehörigen.
(4) Im Sinne dieses Abkommens
a)
bedeutet Niederlassung:
i)
im Fall der Staatsangehörigen das Recht auf Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie auf Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften, die sie tatsächlich kontrollieren. Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit und einer Geschäftstätigkeit durch Staatsangehörige umfasst nicht die Suche oder Annahme einer Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt und verleiht nicht das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt der anderen Vertragspartei. Die Bestimmungen dieses Kapitels gelten nicht für diejenigen, die nicht ausschließlich eine selbständige Tätigkeit ausüben;
...
c) umfassen Erwerbstätigkeiten: insbesondere gewerbliche Tätigkeiten, kaufmännische Tätigkeiten, handwerkliche Tätigkeiten und freiberufliche Tätigkeiten."
In seinem Urteil vom 20. November 2001, C-268/99, veröffentlicht in der Sammlung der Rechtsprechung 2001, Seite I- 08615, hat der EuGH unter Verweis auf Vorjudikate ausgesprochen, dass nach seiner ständiger Rechtsprechung eine entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung als Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Artikel 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 2 EG) anzusehen sei, sofern es sich um tatsächliche und echte, also nicht völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeiten handle. Da das wesentliche Merkmal eines Arbeitsverhältnisses im Sinne von
Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) darin bestehe, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringe, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhalte, sei eine Tätigkeit, die jemand nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses ausübe, als selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne von Artikel 52 EG-Vertrag anzusehen.
Was die Auslegung von Artikel 44 Absatz 4 Buchstabe a Ziffer i des Assoziierungsabkommens mit Polen angehe, so sei nach ständiger Rechtsprechung ein völkerrechtlicher Vertrag nach seinem Wortlaut und im Licht seiner Ziele auszulegen. Artikel 31 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge bestimme dazu, dass ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Licht seines Zieles und Zweckes auszulegen sei.
Zum Assoziierungsabkommen mit Polen sei zu bemerken, dass dieses Abkommen nach seiner fünfzehnten Begründungserwägung und seinem Artikel 1 Absatz 2 darauf abziele, eine Assoziation zu schaffen, die die Ausweitung des Handels und ausgewogene Wirtschaftsbedingungen zwischen den Vertragsparteien fördern und so die dynamische wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand in Polen begünstigen solle, um den Beitritt Polens zu den Gemeinschaften zu erleichtern.
Aus dem Kontext und der Zielsetzung des Assoziierungsabkommens mit Polen ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass dieses Abkommen dem Begriff "selbständige Erwerbstätigkeiten" eine andere als die gewöhnliche Bedeutung beimessen wollte, nach der es sich dabei um Erwerbstätigkeiten handle, die jemand nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und das Entgelt und in eigener Verantwortung ausübe.
Daher lasse sich kein Bedeutungsunterschied zwischen dem Begriff "selbständige Erwerbstätigkeiten" in Artikel 52 EG-Vertrag und dem Begriff "selbständige Erwerbstätigkeiten" in Artikel 44 Absatz 4 Buchstabe a Ziffer i des Assoziierungsabkommens mit Polen feststellen.
Ausgehend von diesen Rechtssätzen erscheint es im vorliegenden Fall gleichgültig, ob ein Arbeitsvertrag, eine Beschäftigung oder Arbeitnehmerähnlichkeit im Sinne der inländischen Bestimmungen des AuslBG vorliegt (siehe auch Geiger, EG-Vertrag, 1993, S. 147, RNr. 6). Vielmehr kommt es allein auf das Unterordnungsverhältnis an, wobei diesbezüglich zwischen Gemeinschaftsrecht und innerstaatlichem Recht kein Unterschied besteht. Ein Unterordnungsverhältnis liegt aber nach den Feststellungen der belangten Behörde jedenfalls vor, wozu noch bemerkt sei, dass der Verwaltungsgerichtshof gleichgelagerte Beschäftigungsverhältnisse auf der Grundlage eines "Rahmenvertrages", der mit dem hier in Rede stehenden nahezu wörtlich übereinstimmt, als versicherungspflichtige Dienstverhältnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG beurteilt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0026).
Da der EuGH zu dieser Frage bereits eingehend Stellung genommen hat - siehe die vorzitierte Judikatur - konnte auch von einer Vorlage an diesen Gerichtshof zur Vorabentscheidung Abstand genommen werden.
Aus diesen Gründen erweist sich auch die vorliegende Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 30. Jänner 2006
Gerichtsentscheidung
EuGH 61999J0268 Aldona Malgorzata Jany VORABSchlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004090093.X00Im RIS seit
03.03.2006Zuletzt aktualisiert am
03.09.2015