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L22003 Landesbedienstete Niederösterreich;Norm
B-VG Art135 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Thoma und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der K in S, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 11/5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. Mai 2002, Zl. LAD2B-106.6973/102, betreffend Entfall der Bezüge wegen ungerechtfertigter Abwesenheit vom Dienst (§ 31 Abs. 2 und 4 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 - DPL 1972), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Sie war im beschwerdegegenständlichen Zeitraum als Leiterin des Kindergartens S. tätig.
Am 30. Oktober 2001 legte die Beschwerdeführerin bei der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg per Telefax eine mit 25. Oktober 2001 datierte ärztliche Bestätigung vor, wonach sie vom 5. November 2001 voraussichtlich bis 23. November 2001 "arbeitsunfähig" sei.
Die Niederösterreichische Landesregierung ersuchte daraufhin die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg, durch den Amtsarzt im Wege eines Hausbesuches feststellen zu lassen, ob und gegebenenfalls wie lange der Krankenstand der Beschwerdeführerin gerechtfertigt sei.
Im Verwaltungsakt findet sich folgender Aktenvermerk des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 6. November 2001:
"In der Absicht die Beschwerdeführerin zur Feststellung der Dienstfähigkeit an ihrem Wohnsitz am 6.11 um 19 Uhr zu besuchen wurde dieser Hausbesuch um 18 Uhr telefonisch angekündigt ...
Es meldete sich Herr K. Er teilte mit, dass seine Frau nicht zu Hause anzutreffen wäre. Sie befindet sich derzeit in Bad Waltersdorf und unterzieht sich wegen eines Wirbelsäulenleidens mehrerer physikalischer Behandlungen. Diese Behandlungen müssten nächste und übernächste Woche fortgesetzt werden. Zum Wochenende ist die Beschwerdeführerin zu Hause."
Mit Bescheid vom 31. Mai 2002 stellte die Niederösterreichische Landesregierung fest, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 31 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972, NÖ LGBl. 2200 (DPL 1972), aufgrund ungerechtfertigter Abwesenheit vom Dienst vom 5. bis zum 25. November 2001 für diese Zeit den Anspruch auf ihre Bezüge aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich verloren habe. In der Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe am 30. Oktober 2001 eine mit 25. Oktober 2001 datierte ärztliche Bestätigung vorgelegt, die ihr für die Zeit vom 5. bis 23. November 2001 eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt habe. Weitere Meldungen seien nicht erstattet worden. In der Zeit vom 5. bis 25. November 2001 sei die Beschwerdeführerin schließlich vom Dienst abwesend gewesen. Da die Arbeitsunfähigkeit bereits 11 Tage vor ihrem Eintreten ärztlich bescheinigt worden sei und keine weiteren Meldungen seitens der Beschwerdeführerin erstattet worden seien, sei eine amtsärztliche Untersuchung hinsichtlich der Dienstfähigkeit der Beschwerdeführerin im Rahmen eines Hausbesuches an ihrer Wohnadresse am 6. November 2001 angeordnet worden. Dieser Hausbesuch habe jedoch nicht durchgeführt werden können, da die Beschwerdeführerin nach Angaben ihres Ehegatten wochentags nicht zu Hause, sondern in Bad Waltersdorf zur physikalischen Behandlung gewesen sei. Daraufhin seien die Bezüge der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 5. bis zum 25. November 2001 einbehalten worden. Nach Wiedergabe des § 31 Abs. 2 und 4 DPL 1972 wurde weiters ausgeführt, durch generelle Weisung der Abteilung Personalangelegenheiten (Normerlass 01-03/00-0050, "Dienstverhinderungen, Abwesenheiten") sei der Beschwerdeführerin für den Fall der krankheitsbedingten Abwesenheit folgende Weisung erteilt worden:
"Der Bedienstete hat dafür vorzusorgen, dass seine Dienstverhinderung überprüft werden kann, insbesondere wird der Bedienstete seinen jeweiligen Aufenthaltsort dem Dienststellenleiter mitteilen müssen, sodass eine Erkrankung durch Hausbesuch des Amtsarztes überprüft werden kann. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach oder verweigert er die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung, so gilt die Abwesenheit vom Dienst als nicht gerechtfertigt."
Da die Beschwerdeführerin der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg außer der ärztlichen Bescheinigung vom 25. Oktober 2001 keine weiteren Unterlagen vorgelegt oder andere Meldungen erstattet habe, jedoch nicht an ihrer gemeldeten Wohnadresse, sondern in Bad Waltersdorf zur physikalischen Behandlung gewesen sei, habe sie der eindeutigen Weisung, dem Dienstgeber den jeweiligen Aufenthaltsort mitzuteilen, nicht entsprochen. Die vom Dienstgeber eingeleitete amtsärztliche Untersuchung hinsichtlich der Dienstfähigkeit der Beschwerdeführerin im Rahmen eines Hausbesuches habe daher an deren Wohnadresse nicht erfolgreich durchgeführt werden können. Die Beschwerdeführerin habe somit nicht im Sinne des § 31 Abs. 2 DPL 1972 dafür vorgesorgt, dass ihre Dienstverhinderung überprüft werden könne, weshalb die Abwesenheit vom Dienst aufgrund zwingender gesetzlicher Bestimmung als nicht gerechtfertigt zu gelten habe. Da die ungerechtfertigte Abwesenheit mehr als drei Tage gedauert habe, habe die Beschwerdeführerin gemäß § 31 Abs. 4 DPL 1972 für diese Zeit den Anspruch auf ihre Bezüge verloren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des § 31 DPL 1972, LGBl. 2200, lautet (auszugsweise; Abs. 1 im Wesentlichen in der Stammfassung, jedoch teilweise novelliert durch die DPL-Novelle 1978, LGBl. Nr. 20 = Nr. 2200-10, Abs. 2 idF der DPL-Novelle 1996, LGBl. Nr. 84 = Nr. 2200-42, und Abs. 4 idF der DPL-Novelle 1977, LGBl. Nr. 46 = Nr. 2200-7):
"§ 31
Abwesenheit vom Dienst
(1) Ist der Beamte am Dienst verhindert, so hat er dies dem Dienststellenleiter sobald als möglich unter Angabe des Grundes anzuzeigen.
(2) Ist die Dienstverhinderung durch Krankheit verursacht, so hat der Beamte dies durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen, wenn es die Dienstbehörde verlangt oder wenn die Dienstverhinderung länger als drei Tage dauert. Der Beamte hat dafür vorzusorgen, dass seine Dienstverhinderung überprüft werden kann. Kommt der Beamte diesen Verpflichtungen nicht nach, entzieht er sich einer zumutbaren Krankenbehandlung oder verweigert er die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung, so gilt die Abwesenheit vom Dienst als nicht gerechtfertigt.
...
(4) Hat eine ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst drei Tage gedauert oder war der Beamte durch Haft, ausgenommen Untersuchungshaft, an der Dienstleistung verhindert, so verliert er für diese Zeit den Anspruch auf seine Bezüge. ...
..."
2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
§ 31 Abs. 1 DPL 1972 normiert eine allgemeine Meldepflicht des Beamten, wenn er am Dienst verhindert ist. Der Beamte hat demnach eine Abwesenheit vom Dienst dem Dienststellenleiter sobald wie möglich unter Angabe des Grundes anzuzeigen.
§ 31 Abs. 2 DPL 1972 enthält Sonderregelungen für den Fall, dass die Dienstverhinderung durch Krankheit verursacht ist.
Im Beschwerdefall gehen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend davon aus, dass die Beschwerdeführerin der allgemeinen Meldepflicht nach § 31 Abs. 1 DPL 1972 und der Bescheinigungspflicht nach § 31 Abs. 2 erster Satz DPL 1972 durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nachgekommen ist. Unterschiedliche Auffassungen werden hingegen hinsichtlich der in § 31 Abs. 2 DPL 1972 enthaltenen Wortfolge vertreten, derzufolge der Beamte dafür "vorzusorgen" hat, "dass seine Dienstverhinderung überprüft werden kann". Die DPL 1972 knüpft in § 31 Abs. 2 dritter Satz an eine Verletzung dieser Vorsorgepflicht die Rechtsfolge, dass die Abwesenheit vom Dienst als nicht gerechtfertigt gilt. Die belangte Behörde legt dem angefochtenen Bescheid die Auffassung zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin infolge Nichtbekanntgabe ihres Aufenthaltsortes nicht im Sinne des § 31 Abs. 2 zweiter Satz DPL 1972 dafür vorgesorgt habe, dass ihre Dienstverhinderung überprüft werden könne; schon deswegen liege eine ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst vor. Ausgehend davon setzte sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht mehr mit der Frage auseinander, ob die Beschwerdeführerin durch Krankheit an der Ausübung des Dienstes verhindert war.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bisher noch nicht mit der Frage zu befassen, welche Vorkehrungen im Sinne des § 31 Abs. 2 zweiter Satz DPL 1972 ein Beamter im Einzelnen zu treffen hat, damit seine Dienstverhinderung überprüft werden kann. Durch diese dem Beamten auferlegte Verpflichtung soll es der Dienstbehörde offensichtlich erleichtert werden, den Wahrheitsgehalt einer Anzeige der Dienstverhinderung aus Krankheitsgründen zu kontrollieren und allenfalls die von ihr zu beurteilende Frage zu lösen, ob Dienstunfähigkeit vorliegt. Dazu wird in der Regel eine ärztliche Untersuchung des Beamten erforderlich sein. Damit eine solche Untersuchung unverzüglich und jederzeit durchgeführt werden kann, ist es unabdingbar, dass der Dienstbehörde der Aufenthaltsort des Beamten während der Dienstverhinderung bekannt ist. Dieser wird, wenn die Dienstverhinderung auf einer Krankheit beruht, im Regelfall die der Dienstbehörde ohnehin bekannte Wohnadresse des Beamten sein, es sind aber zwanglos Konstellationen denkbar, in denen dies nicht der Fall ist. Zweck des § 31 Abs. 2 zweiter Satz DPL 1972 ist es demnach, der Dienstbehörde die Information zugänglich zu machen, die sie zur Durchführung der ihr obliegenden Kontrolle jedenfalls benötigt, um zB. dem Beamten umgehend einen Hausbesuch anzukündigen oder eine Vorladung zu einer ärztlichen Untersuchung auszusprechen. Von einer ausreichenden Vorsorge des Beamten dafür, dass seine (gemeldete) Dienstverhinderung überprüft werden kann, wird nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes freilich nicht nur dann gesprochen werden können, wenn der Beamte im Falle eines Aufenthalts während seiner Dienstverhinderung an einem Ort (einer Adresse), der (die) der Dienstbehörde - anders als die übliche Wohnadresse - nicht bekannt ist, diesen Ort (diese Adresse) von sich aus der Dienstbehörde bekannt gibt, sondern auch dann, wenn der Beamte auf andere Weise sicherstellt, dass der Dienstbehörde, falls sie an ihn herantreten möchte, die hiefür erforderlichen Angaben (Adresse, Telefonnummer etc) zugänglich werden, maW eine Kontaktaufnahme so weit ermöglicht, dass zu erwarten ist, dass die Dienstbehörde den Beamten zumindest zu angemessener Zeit dort auch tatsächlich erreichen kann.
Für den Beschwerdefall ergibt sich daraus Folgendes:
Unstrittig ist, dass sich die Beschwerdeführerin während ihrer gegenständlichen Dienstverhinderung wochentags nicht an ihrer Wohnadresse, sondern in Bad Waltersdorf aufgehalten hat, wobei sie der Dienstbehörde diesen Aufenthaltsort von sich aus nicht gemeldet hat. Der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg hat allerdings telefonisch vom Ehemann der Beschwerdeführerin erfahren, wo sich die Beschwerdeführerin während ihrer Dienstverhinderung wochentags aufhält. Dass die vom Ehemann gemachten Angaben trotz entsprechender Fragen des Amtsarztes nicht ausgereicht hätten, den Kontakt mit der Beschwerdeführerin herzustellen, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Die Beschwerdeführerin hat daher vor dem Hintergrund der oben dargelegten Auslegung der maßgeblichen Rechtslage ausreichend im Sinne des § 31 Abs. 2 zweiter Satz DPL 1972 dafür vorgesorgt, dass ihre Dienstverhinderung überprüft werden kann.
Aus dem Hinweis auf die oben wiedergegebenen "generelle Weisung" der Abteilung Personalangelegenheiten ist für die belangte Behörde nichts zu gewinnen. Soweit diese "generelle Weisung" nicht nur eine Meldepflicht statuiert, sondern für den Fall der Verletzung dieser - nach den bisherigen Ausführungen nicht schon in § 31 Abs. 2 zweiter Satz DPL 1972 enthaltenen - Meldepflicht die Rechtsfolge normiert, dass die Abwesenheit als nicht gerechtfertigt gilt, handelt es sich dabei nämlich um eine über § 31 Abs. 2 dritter Satz DPL 1972 hinausgehende, die Rechtsposition von Beamten nach der DPL 1972 gestaltende Norm und damit um eine mangels Kundmachung im Landesgesetzblatt (vgl. § 3 Abs. 1 lit. d NÖ Verlautbarungsgesetz, LGBl. 0700) für den Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Rechtsverordnung.
Da die belangte Behörde ihre Feststellung über den Verlust des Anspruchs auf Bezüge ausschließlich auf eine vermeintliche Verletzung der in § 31 Abs. 2 zweiter Satz DPL 1972 verankerten Vorsorgepflicht gestützt hat, diese Verletzung aber nicht vorliegt, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 31. Jänner 2006
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen Besondere Rechtsgebiete Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2002120221.X00Im RIS seit
06.03.2006