Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Cornelia K*****, vertreten durch Dr.Otto Kern und Dr.Wulf Kern, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Helga K*****, vertreten durch Dr.Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Duldung (Streitwert S 50.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien als Berufungsgerichtes vom 10. März 1992, GZ 45 R 107/92-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 28. November 1991, GZ 6 C 199/91p-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.623,04 (darin S 603,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin stellt das Begehren, die Beklagte sei schuldig, die Exekution der Klägerin aufgrund einer einstweiligen Verfügung wegen ihrer vollstreckbaren Forderung in Höhe eines offenen Unterhaltsrückstandes für die Monate Dezember 1989 bis Dezember 1990 von S 214.428,-- und der ab 1.1.1991 laufend fällig werdenden Unterhaltsbeträge von monatlich S 17.869,-- durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung und Zwangsversteigerung der dem Ing.Bernd K***** gehörigen, je mit Wohnungseigentum verbundenen Anteile einer Liegenschaft zu dulden. In einem Unterhaltsverfahren habe die Klägerin gegen ihren Ehemann Ing.Berndt K***** eine einstweilige Verfügung erwirkt, womit er verpflichtet wäre, ab Dezember 1989 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 17.869,-- zu zahlen. In dem gleichzeitig anhängigen Scheidungsverfahren sei dem Mann der Klägerin jede Verfügung und jede Belastung jener Anteile an der im Spruch angeführten Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 8 (Ehewohnung) verbunden sei, untersagt worden. Wenige Tage nach Zustellung dieser Verfügung habe Ing.Berndt K***** mit der Beklagten, seiner Mutter, ein Übereinkommen geschlossen, in dem er sich verpflichtet habe, zur Sicherung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Beklagten die ihm gehörigen Anteile an der Liegenschaft weder zu belasten noch zu veräußern. Dieses Belastungs- und Veräußerungsverbot sei im Grundbuch eingetragen worden. Ing.Berndt K***** habe hiedurch die Klägerin absichtlich benachteiligt, weil er damit eine Exekution der Klägerin wegen ihrer Unterhaltsansprüche auf die ihm gehörigen Liegenschaftsanteile vereitelt habe. Durch die von der Klägerin angestrengte Fahrnis- und Gehaltsexekution würden die Ansprüche der Klägerin nur zu einem geringen Teil hereingebracht. Die Tatbestände des § 2 Z 1 bis 3 und des § 3 Z 1 AnfO seien erfüllt.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe die Liegenschaft ihrem Sohn im Jahr 1974 unter der Bedingung geschenkt, daß sich dieser im Alter um sie kümmere und für ihren Unterhalt aufkomme. Sie selbst habe nur eine Pension von (monatlich) S 12.000,-- netto, sei Hälfteeigentümerin eines Zinshauses, das keinen Ertrag abwerfe, und besitze ein altes, wertloses Pferd. Ihr Sohn beziehe ein (monatliches) Nettoeinkommen von S 80.000,-- und verfüge auch über sonstige Vermögensgegenstände, die den von der Klägerin behaupteten Unterhaltsrückstand überstiegen. Die gegen den Sohn der Beklagten geführten Exekutionsverfahren seien noch nicht beendet. Das Klagebegehren sei überhöht; bereits der Wert einer Wohnung würde hinreichen, um einen zur Befriedigung der Forderung der Klägerin ausreichenden Deckungsfonds zu schaffen.
Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:
Die Beklagte hatte ihrem Sohn die strittigen Liegenschaftsanteile am 2.4.1974 geschenkt. Ing.Berndt K***** hat sich nur mit dem Übereinkommen vom 10.7.1990 verpflichtet, diese Anteile ohne Zustimmung seiner Mutter weder zu belasten noch zu veräußern, und seine Einwilligung zur Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten seiner Mutter erteilt.
Das Verbot wurde in der Folge bücherlich eingetragen.
Mit einstweiliger Verfügung vom 28.6.1990 wurde Ing.Berndt K***** schuldig erkannt, der Klägerin ab 1.12.1989 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 23.000.-- abzüglich bereits geleisteter Zahlungen für Dezember 1989 bis Juli 1990 von monatlich S 5.131,-- zu bezahlen. Aufgrund dieser einstweiligen Verfügung wurde der Klägerin zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung, und zwar eines Unterhaltsrückstandes von Dezember 1989 bis Dezember 1990 von S 232.297,--, die Fahrnisexekution bewilligt. Hinsichtlich der ab 1.1.1991 laufend fällig werdenden Unterhaltsbeträge von monatlich S 17.869,-- wurde die Exekution zur Sicherung der innerhalb eines Jahres fällig werdenden Unterhaltsbeträge, also S 214.428,--, angeordnet. Diese Fahrnisexekution konnte nicht vollzogen werden, weil der Zugang zum Haus versperrt war.
Am 1.2.1991 wurde für den Unterhaltsrückstand bis einschließlich Jänner 1991, das sind S 250.166,--, sowie für die ab 1.2.1991 laufend fällig werdenden Unterhaltsbeträge von monatlich S 17.869,-- die Pfändung von Dienstbezügen bei zwei Unternehmen bewilligt. Nach der Drittschuldneräußerung des einen Unternehmens ist Ing.Berndt K***** als Geschäftsführer mit einem durchschnittlichen Nettogehalt von S 9.839,-- beschäftigt; bei dem anderen Unternehmen ist Ing.Berndt K***** nicht beschäftigt. Per November 1991 haftet ein Betrag von S 512.623,-- aus.
Die Beklagte bezieht ein Pensionseinkommen von S 12.000,-- netto monatlich und ist Hälfteeigentümerin eines Zinshauses. Sie hat bisher keinen Unterhaltsanspruch gegen ihren Sohn geltend gemacht. Aus dem "Übereinkommen" ist eine Gegenleistung der Beklagten ihrem Sohn gegenüber für die Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes nicht erkennbar.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten der Geschenkgeberin könne 17 Jahre nach der Schenkung und ohne daß irgendeine Gegenleistung bedungen worden sei, nur als unentgeltliche Verfügung im Sinne des § 3 Z 1 AnfO qualifiziert werden. Eine Benachteiligungsabsicht des Verpflichteten und deren Kenntnis der Begünstigten seien nicht erforderlich. Der Einwand der Beklagten, der Wert schon einer Wohnung begründe einen ausreichenden Deckungsfonds für die Klägerin, sei nicht stichhältig, weil die Anfechtungsordnung nur bestimme, unter welchen Voraussetzungen Rechtshandlungen angefochten werden könnten, eine Obergrenze dafür aber nicht normiere. Der behauptete Unterhaltsanspruch der Beklagten gegen ihren Sohn bestehe derzeit nicht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Gemäß § 13 Abs 1 AnfO könne der Gläubiger das, was dem Vermögen des Schuldners durch die anfechtbare Handlung entgangen, daraus veräußert oder aufgegeben worden sei, so weit für sich beanspruchen, als es zu seiner Befriedigung erforderlich sei. Der einzelne Anfechtungsanspruch sei daher auf die Höhe der in ihrer Befriedigung verletzten Forderung begrenzt. Dies bedeute aber nicht, daß die Klägerin ihr Duldungsbegehren bereits im Anfechtungsprozeß auf einzelne von der anfechtbaren Rechtshandlung betroffene Vermögensbestandteile des Schuldners einzuschränken habe, die allein bereits geeignet wären, einen Deckungsfonds für ihre Unterhaltsforderung zu bilden. Erst im Exekutionsverfahren werde gemäß § 27 EO Bedacht darauf zu nehmen sein, daß die Klägerin nicht unverhältnismäßig mehr an Schuldnervermögen in Exekution ziehe, als zur Befriedigung ihrer Forderung notwendig sei. Für die Berichtigung des Anfechtungsanspruches komme es darauf an, ob Exekutionsmaßnahmen der Klägerin in absehbarer Zeit eine vollständige Befriedigung ihres vollstreckbaren Anspruches erwarten ließen. Da Unterhaltszahlungen zur Befriedigung der täglichen Lebensbedürfnisse erforderlich seien, könne der Klägerin ein längeres Zuwarten nicht zugemutet werden, um die voraussichtliche Fruchtlosigkeit einer Exekutionsführung darzutun. Es stehe aber fest, daß die der Klägerin bewilligte Fahrnisexekution nicht habe vollzogen werden können, und daß der Unterhaltsschuldner laut Drittschuldneräußerung nur ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von S 9.839,-- erziele. Eine Befriedigung des Unterhaltsanspruches der Klägerin werde daher in absehbarer Zeit nicht möglich sein.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Die Beklagte wiederholt, daß die im Klagebegehren genannten Eigentumswohnungen sehr wertvoll seien; die von der Klägerin und ihrem Mann benützte Penthousewohnung habe einen Wert von zumindest 8 Mio S. Durch die Versteigerung nur einer einzigen Wohnung würde ein Deckungsfonds geschaffen, der zur Befriedigung der Forderung der Klägerin geeignet sei. Der Anfechtungsanspruch wirke aber nur so weit, als es die Befriedigung des anfechtenden Gläubigers erfordere. Die Beklagte habe die Liegenschaft ihrem Sohn geschenkt, um den ihr im Alter zustehenden Unterhalt zu erlangen. Die Fahrnisexekution der Klägerin gegen den Sohn der Beklagten sei nicht zu Ende geführt worden. In der Ehewohnung befänden sich jedoch wertvolle Gegenstände, die dem Sohn der Beklagten gehörten.
Alle diese Einwendungen der Beklagten wurden bereits vom Berufungsgericht, zutreffend als nicht stichhältig erkannt. Es trifft zwar zu, daß der Anfechtungsanspruch einerseits objektiv auf das beschränkt ist, was dem Vermögen des Schuldners entgangen oder daraus veräußert oder aufgegeben worden ist, und andererseits relativ dadurch eine Beschränkung erfährt, daß nur insoweit zu leisten ist, als es zur Befriedigung des Gläubigers erforderlich ist (§ 13 Abs 1 AnfO; Bartsch-Pollak3 II Anm. 2 zu § 13 AnfO). Aufgegeben ist ein Vermögensbestandteil, wenn er zugunsten eines anderen vernichtet worden ist (Bartsch-Pollak3 I Anm. 10 zu den §§ 39, 40 KO), wie hier durch Verzicht auf die freie und ungehinderte Veräußer- und Belastbarkeit der Liegenschaftsanteile. Daß der einzelne Anfechtungsanspruch auf die Höhe der in ihrer Befriedigung verletzten Forderung begrenzt ist, also auf jenen Betrag, den der Gläubiger vom Schuldner hereinzubringen befugt ist und den er von diesem hereinbringen müßte, wenn der Anspruch einbringlich wäre (Bartsch-Pollak aaO; 7 Ob 46/64), hat aber nicht zur Folge, daß der Anfechtungsanspruch bereits im Stadium des vorliegenden Verfahrens zu beschränken wäre. Der Anfechtungsanspruch hat die Herstellung des Zustandes, in dem sich das Vermögen des Schuldners befände, wenn die anfechtbare Rechtshandlung nicht vorgenommen worden wäre, zum Ziel (SZ 63/26); das Vermögen soll in den Zustand versetzt werden, in dem es sich befände, wenn die angefochtene Rechtshandlung nicht vorgenommen worden wäre (SZ 59/228). Es ist grundsätzlich erlaubt, die Anfechtung in alle möglichen Richtungen geltend zu machen, weil die spätere Deckung durch einen Teil der angefochtenen Verfügungen oder Rechtshandlungen nie gesichert ist und die Anfechtungsklage hinsichtlich eines weiteren Teils verjähren könnte. Erst im Exekutionsverfahren wird gemäß § 27 EO darauf Bedacht zu nehmen sein, daß die Exekution nicht in einem weiteren Umfang vollzogen wird, als es zur Verwirklichung des Anspruches der Klägerin notwendig ist (vgl. hiezu Heller-Berger-Stix 341 f), und es wird allenfalls die Exekution gemäß § 41 Abs 2 EO entsprechend einzuschränken sein, wenn sie in größerem Umfang vollzogen wurde, als es zur Erzielung vollständiger Befriedigung der Klägerin notwendig ist (vgl. hiezu Heller-Berger-Stix 524 f).
Das Berufungsgericht ist auch zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß die Forderung der Klägerin bei der von ihr versuchten Gehalts- und Fahrnispfändung voraussichtlich, sei es durch welche Umstände immer, iSd § 8 AnfO nicht vollständig befriedigt werden kann (vgl. SZ 35/35). Dies ist beim festgestellten Ergebnis der Lohnpfändung ohne weiteres evident. Die Klägerin ist aber auch nicht verpflichtet, die Fahrnisexekution solange weiter zu betreiben, bis sie vielleicht doch zu einem Ergebnis führt, zumal gerade bei der Fahrnisexekution eine Prognose, ob sie zu einer vollständigen Befriedigung führen wird, nur schwer zu stellen ist. Eine Exekution auf Gegenstände in der Ehewohnung muß die Klägerin nicht versuchen, weil sie dort das unterhaltsrechtliche Wohnungsrecht hat. Daß in der Wohnung des Ehemannes der Klägerin, die beim Vollzug versperrt war, sich ausreichend Fahrnisse befunden hätten, wurde nicht einmal behauptet. Die Anfechtung ist aber auch zulässig, wenn das (greifbare) Vermögen des Schuldners bloß zur teilweisen Befriedigung hinreicht. Sie wird durch die Möglichkeit einer Teilbefriedigung aus dem Vermögen des Schuldners nicht beschränkt und insbesondere auch nicht auf den voraussichtlich ungetilgten Rest aus der Exekution beschränkt (Bartsch-Pollak3 II Anm. 26 zu § 8 AnfO).
Zweifel an der Unentgeltlichkeit der Verfügung des Sohnes der Beklagten bestehen nicht. Unentgeltlich ist eine Verfügung, wenn sie ein Vermögensopfer für den Verfügenden bedeutet, für das dieser eine Gegenleistung als Entgelt nicht zu fordern hat, oder bloß ein Scheinentgelt geleistet wird (Bartsch-Pollak3 I Anm. 3 zu § 29 KO). Ungeachtet des Hinweises im Übereinkommen vom 10.7.1990, daß Ing.Berndt K***** die Liegenschaft von der Beklagten 16 Jahre zuvor geschenkt erhalten habe, kann nicht ernstlich ein Zusammenhang zwischen der nunmehrigen Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes und der seinerzeitigen Schenkung hergestellt werden. Sollte auch die Beklagte anläßlich der Schenkung im Jahre 1974 mit ihrem Sohn vereinbart haben, er müsse sich dafür im Alter um sie kümmern und für ihren Unterhalt aufkommen - dieses Vorbringen der Beklagten ist bisher unbewiesen geblieben -, so wäre es zur Sicherung dieses Zweckes doch offensichtlich nicht erforderlich gewesen, alle Liegenschaftsanteile auf die geschehene Weise zu belasten, wo doch die Beklagte den großen Wert jedes einzelnen Anteils ausdrücklich hervorhebt. Die Revisionswerberin vermag aber auch nicht mit Erfolg geltend zu machen, die Belastung der Liegenschaft sei in Erfüllung oder zur Sicherung einer gesetzlichen Obliegenheit (§ 3 Z 1 AnfO), nämlich einer Unterhaltsverbindlichkeit ihres Sohnes ihr gegenüber, erfolgt. Es fehlt mit Rücksicht auf das eigene (Pensions-)Einkommen der Beklagten und ihre Vermögensverhältnisse (Liegenschaftsbesitz, Rennpferd) jeder Hinweis auf das Bestehen einer derartigen Verbindlichkeit, die derzeit auch gar nicht behauptet wird.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E30776European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00059.92.0826.000Dokumentnummer
JJT_19920826_OGH0002_0030OB00059_9200000_000