Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Erlagssache der Grazer Stadtwerke Aktiengesellschaft, Graz, Andreas Hofer-Platz 15, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Erlagsgegner Dkfm.Fred Egger, Buchprüfer und Steuerberater, Graz, Dietrichsteinplatz 15 und weitere Erlagsgegner, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Erlagsgegners Stefan W*****, vertreten durch Dr.Ulrich O. Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgericht vom 16. März 1992, GZ 3 R 85/92-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 18.Dezember 1991, GZ 13 Nc 304/91-23, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Der Antrag auf Zuspruch von Kosten für den Revisionsrekurs wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 23.4.1991, 3 R 254/90-173, wurde die dort beklagte Partei schuldig erkannt, der in jenem Verfahren klagenden Partei S 1,058.639,85 samt Anhang durch Gerichtserlag gemäß den §§ 1425 ABGB, 307 EO zugunsten des dortigen Klägers und mehrerer im einzelnen angeführter Gläubiger zu bezahlen. Die in dem genannten Verfahren beklagte Partei hat in Entsprechung dieser Entscheidung am 7.8.1991 beim Erstgericht den Antrag gestellt, den Erlag gemäß § 1425 ABGB zu bewilligen und nach Bewilligung des Antrages einen Betrag von S 2,011.581,20 erlegt.
Die *****bank St*****, einer der Erlagsgegner, stellte den Antrag, ein Verteilungsverfahren einzuleiten und zu diesem alle Erlagsgegner zu laden.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das Verwahrschaftsgericht habe (lediglich) gemäß § 1425 ABGB über Anträge der Beteiligten die Geldausfolgung zu bewilligen. Die Anträge seien betragsmäßig zu fixieren; für eine Ausfolgung an einen Erlagsgegner sei die Zustimmung aller anderen Erlagsgegner erforderlich.
Dem von der *****bank St***** dagegen erhobenen Rekurs gab die zweite Instanz Folge. Sie hob den angefochtenen Beschluß auf, trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens gemäß den Bestimmungen der §§ 285 bis 287 EO auf und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es liege ungeachtet des Antrages der erlegenden Partei ein Erlag nach § 307 EO vor, weil im Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 23.4.1991 ein derartiger Erlag angeordnet worden sei und der gerichtliche Erlag einer bereits überwiesenen Forderung durch den Drittschuldner stets einen Erlag nach § 307 EO darstelle. Die Verteilung derartiger Erläge habe nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung nach den Bestimmungen der §§ 285 bis 287 EO zu erfolgen. Die Voraussetzung für ein solches Verwertungsverfahren, daß nämlich die überwiesene Forderung dem Verpflichteten zustand, sei im Hinblick auf das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 23.4.1991 gegeben.
Der Revisionsrekurs des Klägers im Verfahren 3 R 254/90 des Oberlandesgerichtes Graz, jetzt einer der Erlagsgegner, ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsprechung hat sich mehrfach mit der Frage beschäftigt, wie vorzugehen ist, wenn eine zur Einziehung oder an Zahlungs Statt überwiesene Forderung nicht bloß von den betreibenden Gläubigern, sondern auch von anderen Personen in Anspruch genommen wird. Sie hat darauf hingewiesen, daß nach § 307 Abs.1 EO (in der bisherigen Fassung; die Fassung dieser Bestimmung entsprechend der EO-Novelle 1991 ist nach Art.XXXIV Abs.1 der Novelle im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden) die Voraussetzungen für den Erlag der gepfändeten und überwiesenen Forderung vorliegen, wenn letztere nicht bloß vom betreibenden Gläubiger, sondern auch von anderen Personen in Anspruch genommen wird, wobei es für die Frage der Zulässigkeit eines Erlages nach § 307 EO unbeachtlich ist, aus welchen Gründen die überwiesene Forderung von diesen Personen in Anspruch genommen wird (EvBl.1972/231). Eine Verteilung kann nur dann sofort geschehen, wenn sich die Ansprüche der Erlagsgegner auf ein Pfandrecht gründen. Im Verteilungsverfahren ist aber nicht - auch nicht als Vorfrage - zu entscheiden, ob die gepfändete Forderung dem Verpflichteten oder einer anderen Person zum Teil oder zur Gänze zustand. Bei einem Streit hierüber ist erst dann zur Verteilung zu schreiten, wenn zwischen allen Erlagsgegnern ein Einverständnis erzielt wurde oder durch Urteil festgestellt ist, daß die überwiesene Forderung (teilweise oder zur Gänze) dem Verpflichteten zustand. Ein solcher Rechtsstreit hat sich auf die Klärung der Frage zu beschränken, ob und wie weit die gepfändete Forderung nicht dem Verpflichteten, sondern einem Dritten (Forderungsansprecher) zusteht. Die weitere Frage, ob der erfolgreiche Forderungsansprecher (zB Zessionar) bestimmte Forderungen (vor seinem Rechtserwerb) gegen sich gelten lassen muß, ist dann Sache des Verteilungsverfahrens, das nach der urteilsmäßigen Feststellung, wem die gepfändete Forderung zusteht, durchzuführen ist (EvBl.1975/109; JBl.1987, 326).
In der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Graz 3 R 254/90 wurde entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes nicht festgestellt, daß die eingeklagte Forderung dem dortigen Kläger materiell zustand. Es geht aus diesem Urteil nicht hervor, aus welchem Grund die unter Punkt
3.14 ohne Anführung eines Exekutionsaktes genannten Personen Gläubiger des Klägers sind und ob (allenfalls wann) ihnen die Forderung, die Gegenstand jenes Verfahrens war, abgetreten wurde, sodaß die Forderung (ganz oder zum Teil) ihnen und nicht dem Kläger zustünde.
Im vorliegenden Fall wurde der Erlag, worauf im Revisionsrekurs richtig hingewiesen wird, nicht nur zugunsten von betreibenden Gläubigern, sondern auch zugunsten anderer Gläubiger (Zessionare) durchgeführt. Wann die Forderung des Klägers im Verfahren 3 R 254/90 des Oberlandesgerichtes Graz diesen anderen Gläubigern zediert wurde, kann den Akten nicht entnommen werden, insbesondere auch nicht, ob diese Zessionen etwa bereits vor den Pfändungen erfolgt sind. Im Sinne der oben bereits dargelegten Rechtsprechung werden deshalb die Beteiligten das Einvernehmen herzustellen oder allenfalls den Klageweg zu beschreiten haben (Heller-Berger-Stix 2204 f; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 37 zu § 1425; SZ 19/130).
Ein Kostenersatz ist im Hinterlegungs- als Außerstreitverfahren nicht vorgesehen.
Anmerkung
E31048European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00558.92.0827.000Dokumentnummer
JJT_19920827_OGH0002_0030OB00558_9200000_000