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L37129 Benützungsabgabe Gebrauchsabgabe Wien;Norm
B-VG Art11 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 10. Dezember 2004, Zl. UVS- 03/M/13/8219/2004, betreffend Übertretung des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes (mitbeteiligte Partei: P, Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Tatzeit vom 15. März bis 14. April 2004 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 22. September 2004, Zl. MBA 2 - S 5619/04, wurde dem Mitbeteiligten angelastet, vom 12. März 2004 bis 14. März 2004 ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug ohne behördliches Kennzeichen in Wien 11, R-Straße/S-Straße abgestellt und dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benützt zu haben, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung nach § 82 StVO gewesen zu sein. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 99 Abs. 3 lit. d iVm § 82 Abs. 1 und 2 StVO verletzt. Gemäß § 99 Abs. 3 StVO wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 140,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag, verhängt.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Dezember 2004, Zl. UVS - 03/M/13/8226/2004, wurde die dagegen vom Mitbeteiligten erhobene Berufung abgewiesen.
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 22. September 2004, Zl. MBA 2 - S 5618/04, wurde dem Mitbeteiligten angelastet, vom 12. März 2004 bis 14. April 2004 das oben genannte Kraftfahrzeug ohne behördliches Kennzeichen in Wien 11, R-Straße/S-Straße, abgestellt und dadurch öffentlichen Grund in der Gemeinde ohne bestehende Gebrauchserlaubnis (Post 7 des Tarifes A) benützt zu haben, obwohl für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken ist, wenn die Art des Gebrauches im Tarif angegeben ist. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 16 Abs. 2 iVm § 1 Abs. 1 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966 (GAG) verletzt. Gemäß § 16 Abs. 2 GAG wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 210,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und zwölf Stunden, verhängt. (An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Angabe des Endes der Tatzeit "14. April 2004" offenbar auf einem Schreibefehler beruht, weil nach dem Verwaltungsakt das Fahrzeug am 14. März 2004 abgeschleppt wurde.)
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten Folge gegeben, dieses Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt. Begründet wurde dies damit, dass angesichts der Bestrafung nach der StVO sonst eine rechtswidrige Doppelbestrafung erfolgen würde. Die beiden Verhaltensvorwürfe seien identisch. Bei der widmungswidrigen Benützung von öffentlichem Gemeindegrund könne es sich dann, wenn dieser Grund eine Straße mit öffentlichem Verkehr darstelle, nur um eine Benützung zu anderen als zu Verkehrszwecken handeln. Auch das Abstellen eines Kraftfahrzeuges ohne Kennzeichen sei in beiden Übertretungen Tatbestandsmerkmal. Der Unterschied bestehe lediglich im jeweiligen Gesichtspunkt, unter dem eine Bewilligungspflicht vorgesehen sei, und allenfalls noch in den dabei zu berücksichtigenden Interessen, ohne dass diese aber einen Teil des Übertretungstatbestandes ausmachten; die zu entrichtende Abgabe, sicher der Hauptzweck des GAG, finde keinen Niederschlag im Tatbestand. Es liege somit Scheinkonkurrenz zwischen den beiden Übertretungstatbeständen vor. Ob es sich um Konsumption, Subsidiarität oder Spezialität handle, lasse sich nicht ganz eindeutig beantworten, wiesen doch beide Regelungen eine unterschiedliche Reichweite auf und überschnitten sich nur hinsichtlich der auf öffentlichem Wiener Gemeindegrund gelegenen Straßen mit öffentlichem Verkehr. Genau in diesem Überschneidungsbereich begründe die Übertretung beider Regelungen ein und denselben Verhaltensvorwurf. Die Inanspruchnahme von öffentlichem Gemeindegrund sei von dessen Widmung abhängig. Hier liege eine Widmung für den Straßenverkehr vor, weshalb die widmungsgemäße Benützung als Nutzung zu Zwecken des Straßenverkehrs konkretisiert werden könne, dessen Leichtigkeit und Flüssigkeit durch § 82 Abs. 2 StVO geschützt werden solle. Dieser Tatbestand stelle sohin zumindest auf den auf öffentlichem Wiener Gemeindegrund gelegenen Straßen mit öffentlichem Verkehr den spezielleren Tatbestand dar. Jedenfalls handle es sich um Scheinkonkurrenz, weil die jeweiligen Tatvorwürfe bei der Abstellung eines Kraftfahrzeuges ohne Kennzeichen auf öffentlichen Straßen in Wien (ausgenommen Bundesstraßen) zwar kumulativ bestünden, aber inhaltlich nicht unterscheidbar seien. Sei daher bereits eine Strafe rechtskräftig verhängt worden, so sei das zweite Verfahren einzustellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich Abstand und stellte den Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In der Beschwerde wird bestritten, dass bei einer anderslautenden Entscheidung der belangten Behörde eine unzulässige Doppelbestrafung erfolgt wäre. Im Straftatbestand nach dem GAG habe der Hauptzweck der Strafe, nämlich die Sicherung der zu entrichtenden Abgabe, durch einen ausdrücklichen Hinweis auf den Tarif des GAG seinen Niederschlag gefunden. Die belangte Behörde sei nicht ausreichend auf das System und das Wesen des GAG eingegangen. Durch die Bestrafung nach der StVO sei keineswegs der gesamte Unrechtsgehalt (nämlich der Vorwurf des Nichterwirkens einer Gebrauchserlaubnis und damit einhergehend der Nichtbegründung eines Abgabenschuldverhältnisses sowie der daraus erfließenden Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben) abgedeckt. Dies ergebe sich auch aus den unterschiedlichen Strafrahmen (nach der StVO Geldstrafe bis EUR 726,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit Arrest bis zu zwei Wochen, nach dem GAG Geldstrafe bis zu EUR 21.000,--). Es komme zum Ausdruck, dass auch eine ansonsten zu bezahlende Gebrauchsabgabe vom Strafrahmen nach dem GAG mitumfasst sei. Schließlich lasse § 99 Abs. 6 lit. d StVO (Anmerkung: betreffend Kurzparkzonen) erkennen, dass Abgabenstrafen grundsätzlich kumulativ zu verhängen seien. Die erlangten finanziellen Vorteile sollten dadurch abgeschöpft werden. Mit der Gebrauchserlaubnis werde nicht bloß eine Bewilligung erteilt, sondern gleichzeitig über die Abgabepflicht dem Grunde nach abgesprochen und eine Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben ausgelöst. Der Verhaltensvorwurf lasse sich somit nicht von den im Gesetz zum Ausdruck gebrachten Schutzzwecken trennen. Darüber hinaus seien nicht nur die Zwecke und die Folgen der Bewilligungspflichten unterschiedlich, sondern auch die Kriterien der Bewilligungspflichten und die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligungen. Es sei somit nach beiden Bestimmung zu bestrafen, weil ansonsten nicht der gesamte Unrechtsgehalt in allen wesentlichen Elementen und in jeder Richtung abgedeckt wäre. Schließlich habe die belangte Behörde durch ihre Vorgangsweise die Bestimmungen der §§ 19, 22 und 30 VStG verletzt.
Die hier maßgebenden Bestimmungen des GAG in der Fassung
LGBl. Nr. 42/2003 haben folgenden Wortlaut:
"§ 1
Gebrauchserlaubnis
(1) Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes ist vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist. Dies gilt nicht, soweit es sich um Bundesstraßengrund handelt.
(2) Jeder in der Sondernutzung (Abs. 1) nicht angegebene Gebrauch, der über die bestimmungsgemäße Benützung der Verkehrsfläche nach den straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Bestimmungen hinausgeht, bedarf der privatrechtlichen Zustimmung der Stadt Wien als Grundeigentümerin.
§ 2
Erteilung der Gebrauchserlaubnis
(1) Die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis ist nur auf Antrag zulässig. Wenn für die Durchführung eines Vorhabens eine Gebrauchserlaubnis erforderlich ist, gilt als Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis
1. das Ansuchen um Erteilung der baupolizeilichen oder straßenpolizeilichen Bewilligung,
2. die Einreichung nach § 70a der Bauordnung für Wien.
Ein Antrag auf Erteilung einer Gebrauchserlaubnis nach Tarifpost A 6 ist mindestens 4 Wochen vor der beabsichtigten Gebrauchnahme einzubringen.
(2) Die Gebrauchserlaubnis ist zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie insbesondere Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Parkraumbedarf, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes, entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist.
...
§ 16
Strafen
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine Abgabenverkürzung dadurch bewirkt, dass er unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs-, Anzeige- oder Wahrheitspflicht die Gebrauchsabgabe nach Tarif C nicht oder nur teilweise entrichtet (abführt), begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis 21.000 Euro zu bestrafen ist.
(2) Wer öffentlichen Grund in der Gemeinde (§ 1 Abs. 1) in einer im angeschlossenen Tarif angegebenen Art ohne bestehende Gebrauchserlaubnis nutzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 21.000 Euro zu bestrafen.
...
Tarif über das Ausmaß der Gebrauchsabgaben
A. Einmalige Abgaben
...
7. für die Abstellung von Fahrzeugen ohne Kennzeichen sowie für die länger als eine Woche dauernde Abstellung von fahrunfähigen Fahrzeugen je Fahrzeug und je begonnenen Monat 90,80 Euro.
...".
§ 82 StVO in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 518/1994
hat folgenden Wortlaut:
"Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken.
§ 82. Bewilligungspflicht.
(1) Für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, z.B. zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, ist unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich. Das gleiche gilt für Tätigkeiten, die geeignet sind, Menschenansammlungen auf der Straße herbeizuführen oder die Aufmerksamkeit der Lenker von Fahrzeugen zu beeinträchtigen.
(2) Eine Bewilligung nach Abs. 1 ist auch für das Aufstellen von Kraftfahrzeugen oder Anhängern ohne Kennzeichentafeln erforderlich.
(3) Eine Bewilligung nach Abs. 1 ist nicht erforderlich
a) für gewerbliche Tätigkeiten auf Gehsteigen oder Gehwegen ohne feste Standplätze,
b) für das Wegschaffen eines betriebsunfähig gewordenen Fahrzeuges oder für dessen Instandsetzung, sofern dies einfacher als das Wegschaffen ist und der fließende Verkehr dadurch nicht behindert wird,
c) für eine gewerbliche Tätigkeit, die ihrem Wesen nach auf der Straße ausgeübt wird und deren Betriebsanlage genehmigt ist,
d) für das Aufstellen oder die Lagerung von Sachen, die für Bau, Erhaltung, Pflege und Reinigung der Straße erforderlich sind,
e)
für das Musizieren bei Umzügen und dergleichen (§ 86),
f)
für die Nutzung der Rückseite von Verkehrszeichen oder anderen Einrichtungen zur Verhinderung von Falschfahrten im Zuge von Autobahnabfahrten zu Werbezwecken, wenn diese Nutzung nicht der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs entgegensteht und die Behörde, die diese Verkehrszeichen oder diese Einrichtungen verfügt hat, zustimmt und die Gesamtkosten der Anbringung und Erhaltung vom Unternehmer getragen werden.
(4) Eine Bewilligung nach Abs. 1 ist ferner nicht erforderlich für geringfügige Instandsetzungs- oder Instandhaltungsarbeiten an Fahrzeugen, z.B. Vergaserreinigung, Reifenwechsel, Arbeiten an der elektrischen Anlage oder dergleichen, vor der Betriebsstätte eines hiezu befugten Gewerbetreibenden, wenn dort das Halten und Parken nicht verboten ist (§§ 23 und 24).
(5) Die Bewilligung nach Abs. 1 ist zu erteilen, wenn durch diese Straßenbenützung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht wesentlich beeinträchtigt wird oder eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Lärmentwicklung nicht zu erwarten ist. Wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, ist die Bewilligung bedingt, befristet oder mit Auflagen zu erteilen; die Bewilligung ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung weggefallen sind.
(6) Die Organe der Straßenaufsicht sind befugt, verkehrsfremde Tätigkeiten auf und an der Straße, auch wenn für sie eine Bewilligung nach Abs. 1 vorliegt, vorübergehend zu untersagen, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert.
(7) Das Aufstellen von Kisten, Brettern, Tafeln u. dgl. auf Parkflächen ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 bis 6 verboten."
§ 99 StVO in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 80/2002 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"§ 99. Strafbestimmungen.
...
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
...
d) wer Straßen ohne Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken (X. Abschnitt) benützt, insbesondere ohne Bewilligung eine nach § 82 bewilligungspflichtige Tätigkeit oder Herstellung vornimmt oder ohne Bewilligung sportliche Veranstaltungen nach § 64 abhält,
...
(6) Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor,
a) wenn durch die Tat lediglich Sachschaden entstanden ist, die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden (§ 4 Abs. 5) eingehalten worden sind und nicht eine Übertretung nach Abs. 1, 1a oder 1b vorliegt,
b) wenn die Tat auf einer Straße ohne öffentlichen Verkehr begangen wurde (§ 1 Abs. 2),
c) wenn eine Tat nach diesem Bundesgesetz oder nach den §§ 37 und 37a FSG den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht,
d) wenn durch eine Zuwiderhandlung gegen § 25 Abs. 3 oder gegen eine auf Grund des § 25 Abs. 1 oder 4 erlassene Verordnung auch ein abgabenrechtlich strafbarer Tatbestand verwirklicht wird.
..."
Art 4 des Protokolls Nr 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (7. ZPEMRK) hat folgenden Wortlaut:
"Artikel 4
Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt
oder bestraft zu werden
1. Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.
2. Abs. 1 schließt die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates nicht aus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.
3. Dieser Artikel darf nicht nach Art. 15 der Konvention außer Kraft gesetzt werden."
Im Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, Slg. Nr. 14.696, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen:
"Selbst wenn aber der Gesetzgeber dadurch von einer echten Konkurrenz von Delikten ausgeht, dass er durch eine Tat mehrere Delikte verwirklicht ansieht (Idealkonkurrenz), widerspricht eine derartige Regelung an sich noch nicht dem Doppelbestrafungsverbot des Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK. Die Bundesregierung führt zu Recht aus, der Standard aller europäischen Strafrechtssysteme zeige, dass auch bei eintätigem Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen mehrere Delikte anzunehmen sind, also davon auszugehen ist, dass ein Täter durch ein und dieselbe Handlung oder Unterlassung mehrere Delikte verwirklichen kann, ohne dass gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoßen wird. Art 4 Abs 1 des
7. ZPEMRK gebietet in diesem Fall auch nicht, dass lediglich ein einziges Rechtsschutzorgan für die Ahndung aller in Tateinheit zu verfolgender Delikte zuständig ist.
Die verfassungsrechtliche Grenze, die Art 4 Abs 1 des
7. ZPEMRK einer Doppel- oder Mehrfachbestrafung zieht, kann daher nur darin liegen, dass eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig ist, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodaß ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfaßt (Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, 6. Aufl., 1996, 245). Die Bundesregierung ist im Recht, wenn sie die diesbezügliche Bedeutung des Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK in der verfassungsrechtlichen Absicherung 'der die Lehre von der Scheinkonkurrenz tragenden Grundsätze' sieht. Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, die einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein- und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird. (Vgl. zur Annahme bloßer Scheinkonkurrenzen, um dem Vorwurf der Doppelbestrafung zu entgehen, OGH - verst. Senat - 21. November 1991, 14 Os 127/90 = RZ 1993/47, unter Berufung auf Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978,
S 393 ff., 459 ff.)."
Der Verfassungsgerichtshof fährt dann fort, eine nur scheinbare Konkurrenz von Delikten sei auch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn die wertabwägende Auslegung der formal (durch eine Handlung oder durch mehrere Handlungen) erfüllten zwei Tatbestände zeige, dass durch die Unterstellung der Tat(en) unter den einen der deliktische Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhaltes bereits für sich allein abgegolten ist. Voraussetzung sei, dass durch die Bestrafung wegen des einen Deliktes tatsächlich der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst wird (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 16. November 1988, 88/02/0144;
21. Dezember 1988, 88/03/0080; 28. Juni 1989, 89/02/0038;
28. Februar 1992, 90/10/0052; 21. September 1995, 93/18/0240, und 22. Oktober 1987, 86/09/0153). Sodann wieder wörtlich:
"Während die Fälle der Scheinkonkurrenz von Delikten wegen Spezialität, Konsumtion oder stillschweigender Subsidiarität zweier oder mehrerer Tatbestände im wesentlichen im Wege der Auslegung und Anwendung der verschiedenen Straftatbestände festzustellen sind und dabei auch das verfassungsrechtliche Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK im Wege verfassungskonformer Auslegung der einzelnen gesetzlichen Straftatbestände zum Tragen kommt, ist der Gesetzgeber, der ausdrücklich die Subsidiarität eines Straftatbestandes gegenüber einem anderen anordnet bzw. ausschließt, von Verfassungs wegen verhalten, dabei das Verbot der Doppelbestrafung nach Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK zu beachten. Wie auch das bereits zitierte Urteil des EGMR vom 23. Oktober 1995 zeigt, widerspricht eine gesetzliche Strafdrohung dann dem Art 4 des 7. ZPEMRK, wenn sie den wesentlichen Gesichtspunkt ('aspect') eines Straftatbestandes, der bereits Teil eines von den Strafgerichten zu ahndenden Straftatbestandes ist, neuerlich einer Beurteilung und Bestrafung durch die Verwaltungsbehörden unterwirft."
Der Verwaltungsgerichtshof hat bei der Auslegung der Bestimmung des Art 4 Z 1 7. ZPEMRK der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes beigepflichtet (vgl. das hg Erkenntnis vom 26. Juli 2005, Zl. 2003/14/0086, mwN, und zur Entwicklung der Judikatur des EGMR und der österreichischen Höchstgerichte zu diesem Thema insgesamt die eingehende Darstellung von Thienel/Hauenschild, Verfassungsrechtliches 'ne bis in idem' und seine Auswirkungen auf das Verhältnis von Justiz- und Verwaltungsstrafverfahren in JBl 2004, 69ff) und im hg. Erkenntnis vom 29. September 2004, Zl. 2002/13/0222, darauf hingewiesen, dass sich auch der EGMR in seinen Urteilen vom 29. Mai 2001 über die Beschwerde Nr 37.950/97 (Fischer gegen Österreich) und vom 30. Mai 2002 über die Beschwerde Nr 38.275/97 (W. F. gegen Österreich) die Sichtweise des Verfassungsgerichtshofes zu Eigen gemacht hat (vgl. nunmehr auch EGMR 2. September 2004 zur Beschwerde Nr. 77.413/01 - Bachmeier gegen Österreich).
Im vorliegenden Fall hätte das gegenständliche Verhalten des Mitbeteiligten einerseits Strafbarkeit mangels Bewilligung gemäß § 82 StVO, andererseits mangels Gebrauchserlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 GAG auslösen können. Die Bewilligung nach § 82 Abs. 1 StVO ist gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung zu erteilen, wenn durch die Straßenbenützung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht wesentlich beeinträchtigt wird oder eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Lärmentwicklung nicht zu erwarten ist. Die Gebrauchserlaubnis ist gemäß § 2 Abs. 2 GAG zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie insbesondere auch Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, entgegen stehen.
Unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 6. Oktober 1989, Slg. Nr. 12.187, keine Bedenken gegen die in Rede stehenden Bestimmungen gehabt, weil die Regelungen des GAG der Ermöglichung einer bestimmten Art des Gemeingebrauches einer bestimmten Art von Verkehrsflächen durch Hintanhaltung einer entgegenstehenden Sondernutzung dienten, nicht aber der Sicherheit und Leichtigkeit dieses Gemeingebrauches.
Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, wenn der Landesgesetzgeber normiert, dass dann, wenn Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs entgegen stehen, keine Gebrauchserlaubnis zu erteilen ist. Er nimmt damit nämlich auf vom Bundesgesetzgeber zu regelnde Aspekte Bedacht (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1984, Slg. Nr. 10.292). Damit wird auch vermieden, dass eine Gebrauchserlaubnis erteilt wird, die nicht konsumiert werden kann, weil dem Gebrauch Vorschriften der StVO entgegenstehen.
Im gegebenen Zusammenhang ist auch § 2 Abs. 1 GAG hervorzuheben, wonach dann, wenn für die Durchführung eines Vorhabens eine Gebrauchserlaubnis erforderlich ist, als Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis auch das Ansuchen um Erteilung der straßenpolizeilichen Bewilligung gilt. Ein eigenes Ansuchen ist nach dem GAG somit nicht erforderlich, und die Unterlassung, ein gesondertes Ansuchen neben dem straßenpolizeilichen zu stellen, ist nach dem GAG nicht rechtserheblich.
Im gegenständlichen Fall war auf Grund des § 82 Abs. 2 StVO eine Bewilligung erforderlich. Ebenso bedurfte es auf Grund des § 1 Abs. 1 GAG einer Gebrauchserlaubnis. Keine der beiden Bewilligungen lag vor.
Eine Gebrauchserlaubnis kommt unter anderem dann nicht in Frage, wenn der Benützung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs entgegen steht. Über diese Kriterien ist auch gemäß § 82 Abs. 5 StVO abzusprechen, wobei auf Grund des § 2 Abs. 1 GAG ein einheitlicher Antrag genügt. Die kompetenzrechtlich zulässige Wahrnehmung von Gesichtspunkten, deren Regelung dem Bundesgesetzgeber obliegt, durch den Landesgesetzgeber führt auf Grund dieser Umstände in einer Konstellation wie der hier vorliegenden dazu, dass die Problematik einer Doppelbestrafung auch im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht in Frage kommt (vgl. dazu auch Thienel/Hauenschild, a.a.O.).
Im Hinblick darauf, dass eine Gebrauchserlaubnis zu verweigern ist, wenn eine Bewilligung nach § 82 StVO nicht in Frage kommt, und darauf, dass ein Antrag auf Erteilung der straßenpolizeilichen Bewilligung zugleich als Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis gilt, ist im gegebenen Fall davon auszugehen, dass der Unrechts- und Schuldgehalt des Täterverhaltens durch den von der belangten Behörde zur Bestrafung herangezogenen Deliktstypus nach der StVO vollständig erschöpft ist und ein weitergehendes Strafbedürfnis wegen desselben Täterverhaltens somit nicht besteht. Sind nämlich beide Bewilligungen erforderlich und liegt keine davon vor, dann umfasst die Bestrafung mangels Bewilligung nach § 82 StVO auch jenen Unrechts- und Schuldgehalt, der mangels Bewilligung nach dem GAG zu ahnden ist.
Bemerkt wird, dass das dem Mitbeteiligten in erster Instanz angelastete Delikt des § 16 Abs. 2 GAG nicht die Hinterziehung einer Abgabe zum Gegenstand hat. Es liegt daher auch in dieser Hinsicht kein weitergehender Unrechts- oder Schuldgehalt vor, der im vorliegenden Zusammenhang ein zusätzliches Strafbedürfnis begründen könnte.
Insgesamt kann der belangten Behörde daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, dass angesichts der rechtskräftigen Strafe nach der StVO eine Bestrafung desselben Täterverhaltens nach § 16 Abs. 2 GAG eine unzulässige Doppelbestrafung zur Folge hätte. Da aber das nach der StVO ergangene Straferkenntnis nur die Tatzeit bis 14. März 2004 umfasst, lag hinsichtlich der restlichen Tatzeit die von der belangten Behörde angenommene Doppelbestrafung nicht vor, sodass der angefochtene Bescheid insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 31. Jänner 2006
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005050049.X00Im RIS seit
27.02.2006Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008