TE OGH 1992/8/31 8Ob604/92

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Veröffentlicht am 31.08.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Helga S*****, geboren ***** 1939, ***** vertreten durch die Sachwalterin Ulrike M*****, diese vertreten durch Dr.Peter Schütz, Rechtsanwalt in Schwechat, infolge Revisionsrekurses der Sachwalterin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26.Mai 1992, GZ 44 R 369/92-98, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 18.November 1991, 1 SW 2/89-78, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen wird der Antrag, den am 24.Juni 1991/4.Juli 1991 zwischen der Verlassenschaft nach der am 1.Juli 1991 verstorbenen Maria S*****, vertreten durch die erbserklärten Erben Christa L***** und Helga S*****, letztere vertreten durch den einstweiligen Sachwalter Dr.Ulrich K*****, als Verkäuferin und Wolfgang Otto A***** und Felicitas A***** als Käufer hinsichtlich der Liegenschaft EZ ***** KG B***** abgeschlossenen Kaufvertrag in Ansehung der Helga S***** sachwalterschaftsgerichtlich zu genehmigen, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Helga S***** ist gemeinsam mit ihrer Schwester Christine L***** zur Hälfte Erbin nach ihrer am 1.Juli 1989 verstorbenen Großmutter Maria S*****. Die Verlassenschaft umfaßt unter anderem die Liegenschaft EZ ***** KG B*****.

Mit Beschluß vom 20.Februar 1991 (ON 30) wurde Dr.Ulrich K*****, Notariatskanditat in Wien, zur Vertretung von Helga S***** in dem Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters gemäß § 273 ABGB zum einstweiligen Sachwalter bestellt. Es wurde ihm die Besorgung folgender dringender Angelegenheiten aufgetragen:

"Vertretung in dem Verlassenschaftsverfahren 3 A 388/89 des BG-H*****, Personenfürsorge."

Der Zustellung dieses Beschlusses an Helga S***** erfolgte nicht zu eigenen Handen durch Hinterlegung.

Mit Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes BG-H***** vom 19.September 1990, 3 A 388/89-14, wurde für die erblasserische Enkelin Helga S***** wegen unbekannten Aufenthaltes Dr.Ulrich K*****, Notariatskanditat, zum Erbenkurator gemäß § 77 Abs 2, 131 AußStrG bestellt. Helga S***** wurde mittels Ediktes gemäß § 131 AußStG aufgefordert, sich binnen 6 Monaten bei Gericht zu melden, widrigenfalls die Verlassenschaft mit dem für die Abwesende bestellten Kurator Dr.K***** abgehandelt werde. Am 7.November 1990 gab Dr.K***** namens Helga S***** zur Hälfte des Nachlasses aufgrund des Gesetzes eine bedingte Erbserklärung ab. Ab 22.Februar 1991 langte beim Verlassenschaftsgericht der Beschluß über die Bestellung Dris.K***** zum einstweiligen Sachverwalter von Helga S***** ein.

Mit Beschluß vom 16.Mai 1991 (ON 39) wurde Dr.K***** für Helga S***** zum Sachwalter für alle Angelegenheiten (§ 273 Abs 3 Z 3 ABGB) bestellt. Dieser Beschluß wurde an Helga S***** nicht zu eigenen Handen durch Hinterlegung an der Anschrift B*****, ***** S*****gasse ***** zugestellt; die nicht behobene Sendung ging an das Erstgericht zurück.

Am 24.Juni 1991 wurde zwischen der Verlassenschaft nach der am 1.Juli 1989 verstorbenen Maria S*****, vertreten durch die erbserklärten Erben Christa L***** und Helga S*****, diese vertreten durch den (einstweiligen) Sachwalter Dr.K*****, als Verkäuferin und Wolfgang A***** und Felicitas A***** ein Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ ***** Grundbuch B***** geschlossen. Das Verlassenschaftsgericht genehmigte mit Beschluß vomm 22.August 1991 diesen Verkauf abhandlungsbehördlich und versah das Original der Kaufvertragsurkunde mit der Genehmigungsklausel. Mit Eingabe vom 7.August 1991 beantragte Dr.K***** beim Erstgericht diesen Vertag zu genehmigen. Auch die Käufer beantragten die pflegschaftsbehördlichen Genehmigung des Kaufvertrages.

Mit Beschluß vom 27.September 1991 (ON 64) wurde Dr.Ulrich K***** seines Amtes als Sachwalter enthoben und Ulrike M***** zum Sachwalter bestellt; es wurde ihr die Besorgung aller Angelegeneheiten aufgetragen. Die Zustellung dieses Beschlusses an Helga S***** ist nicht ausgewiesen.

Mit Eingabe vom 4.November 1991 teilte Ulrike M***** dem Erstgericht mit, Helga S***** sei mit dem Verkauf des Hälfteanteiles der Liegenschaft nicht einverstanden" (ON 72). Mit Eingabe vom 7.November 1991 (ON 73) verlangte sie, der Verkauf solle derzeit nicht durchgeführt werden, bzw. solle eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Kaufvertrages nicht erfolgen. Auch in der Eingabe vom 15. November 1991 (ON 77) ersuchte Ulrike M***** mit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung des Kaufvertrages noch zu warten, weil für Helga S***** noch keine geeignete Wohnmöglichkeit gefunden werden konnte.

Mit Beschluß vom 18.November 1991 (ON 78) genehmigte das Erstgericht den zwischen der Verlassenschaft nach Maria S***** und Wolfgang und Felicitas A***** abgeschlossenen Kaufvertrag sachwalterschaftsgerichtlich. Das Erstgericht vertrat die Ansicht, die Veräußerung der Liegenschaft sei zum offenbaren Vorteil der Pflegebefohlenen, weil das Kaufanbot des Ehepaares A***** als äußerst günstig anzusehen sei. Nur durch einen Verkauf der Liegenschaft könnten kostspielige Instandsetzungsarbeiten und Prozesse vermieden werden.

Gegen diesen Beschluß erhob die Sachwalterin Ulrike M***** Rekurs (ON 82).

Mit Beschluß vom 24.März 1992 trug das Rekursgericht dem Erstgericht auf, die Rechtswirksamkeit der Sachwalterbestellung durch eigenhändige Zustellung des Bestellungs- und Umbestellungsbeschlusses (ON 39 und 64) an die Betroffene zu sanieren oder den angefochtenen Beschluß an den noch immer berechtigten Vertreter der Betroffenen, den einstweiligen Sachwalter, zuzustellen. Das Rekursgericht wies daraufhin, daß gemäß § 246 AußStG der Beschluß über die Bestellung eines Sachwalters dem Betroffenen zu eigenen Handen zuzustellen sei. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen, sodaß der Bestellungsbeschluß nicht in Rechtskraft erwachsen sei.

Gemäß § 247 AußStG werde der Beschluß, mit dem der Sachwalter bestellt werde, erst mit dem Eintritt der Rechtskraft wirksam. Da die Sachwalterbestellung noch nicht rechtskräftig sei, entfalte diese und damit auch die Umbestellung des Sachwalters noch keine Wirkungen, die Betroffene werde daher nach wie vor lediglich vom einstweiligen Sachwalter vertreten.

Am 22.April 1992 übernahm Helga S***** unter anderem den Sachwalterbestellungs- und Umbestellungsbeschluß. Mit Beschluß vom 26. Mai 1992 gab das Rekursgericht dem Rekurs der Sachwalterin Ulrike M***** nicht Folge, weil die Veräußerung der Liegenschaft im Interesse von Helga S***** liege. Es wurde ausgesprochen, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige, der ordentliche Revisionrekurs wurde für nicht zulässig erklärt.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Sachwalterin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß abzuändern und dem Kaufvertrag die pflegschaftsbehördliche Genehmigung zu versagen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht den lediglich beschränkten Umfang der Vertretungsmacht des einstweiligen Sachwalters Dr.K***** nicht beachtet hat; er ist auch berechtigt.

Gemäß § 246 Abs 1 AußStG ist der Beschluß über die Bestellung eines Sachwalters dem Betroffenen zu eigenen Handen zuzustellen. Gemäß § 247 AußStG wird dieser Beschluß erst mit dem Eintritt der Rechtskraft wirksam. § 247 AußStG gilt nicht aber für den Beschluß, mit dem ein einstweiliger Sachwalter bestellt wird; dieser wird schon mit der Zustellung wirksam (4 Ob 574/89; 9 Ob 710/91). Das bedeutet, daß zwar der Beschluß, mit dem Dr.K***** zum einstweiligen Sachwalter bestellt wurde, sofort wirksam wurde, die Bestellung Dris.K***** zum Sachwalter und die Umstellung aber erst lange nach Abschluß des zu genehmigenden Kaufvertrages Wirksamkeit erlangten. Daraus folgt, daß Dr.K***** zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages lediglich einstweiliger Sachwalter von Helga S***** war. Seine Vertretungsbefugnis (festgelegt im Bestellungsbeschluß) beschränkte sich auf das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters, auf die Vertretung in dem Verlassenschaftsverfahren 3 A 388/89 BG-H***** und auf die Personenfürsorge. Die Befugnis zur Vertretung im Verlassenschaftsverfahren umfaßt aber nicht das Recht, namens der Verlassenschaft eine dieser gehörige Liegenschaft zu veräußern. Dieser Kaufvertrag wurde vom vorläufigen Sachwalter in Vertretung der Verlassenschaft abgeschlossen, aber es handelt sich dabei nicht um einen Akt der Vertretung von Helga S***** im Verlassenschaftsverfahren. Daraus folgt, daß die Verlassenschaft bei Abschluß des Kaufvertrages nicht rechtswirksam war. Christa L*****, die lediglich eine der beiden Miterbinnen war, konnte nicht allein mit Wirkung für die Verlassenschaft eine dieser gehörigen Liegenschaft veräußern. Auch eine Genehmigung des durch den einstweiligen Sachwalter Dr.K***** abgeschlossenen Kaufvertrages erfolgte nicht. Dr.K***** wurde nie Sachwalter von Helga S***** Bestellungs- und Umbestellungsbeschluß wurden gleichzeitig zugestellt, uzw.

Zu einem Zeitpunkt, zu dem die neue Sachwalterin bereits Rekurs gegen den Genehmigungsbeschluß erhoben und eindeutig erklärt hatte, den durch Dr.K***** abgeschlossenen Kaufvertrag nicht zu genehmigen.

Mangels eines rechtswirksamen Kaufvertrages kann auch keine Genehmigung dieses Vertrages erfolgen, sodaß der diesbezügliche Antrag zurückzuweisen war.

Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der Sachwalterin spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E30216

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00604.92.0831.000

Dokumentnummer

JJT_19920831_OGH0002_0080OB00604_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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