TE OGH 1992/9/2 9ObA172/92

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Veröffentlicht am 02.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Erich Deutsch und Margarete Heidinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** S*****, Angestellte, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei J***** S*****, Berufsdetektiv, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen S 92.908,06 netto sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.Mai 1992, GZ 7 Ra 27/92-17, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. November 1991, GZ 32 Cga 255/91-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit der Behauptung, sie sei zu Unrecht entlassen worden, begehrt die Klägerin letztlich den Betrag von S 92.908,06 sA an restlichem Gehalt samt Spesen, Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung sowie die Ausstellung eines Dienstzeugnisses. Nach Zustellung von Klage und Ladung zu eigenen Handen des Beklagten erging am 18.Dezember 1990 vorerst ein dem Klagebegehren stattgebendes Versäumungsurteil. Über Widerspruch des Beklagten hob das Erstgericht das Versäumungsurteil am 8.April 1991 auf und erstreckte die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung auf den 17. Juni 1991, 14 Uhr. Der anwesende Beklagte nahm diesen neuen Termin unter ausdrücklichem Ladungsverzicht zur Kenntnis. Zufolge seines Nichterscheinens zur erstreckten Tagsatzung fällte das Erstgericht über Antrag der Klägerin ein Versäumungsurteil gemäß § 399 ZPO.

Dieses Versäumungsurteil wurde dem Beklagten zwar unter der von ihm angegebenen Abgabestelle "S*****, Goethestraße 5/2/7" zugestellt, doch kam die Sendung mit dem postalischen Vermerk "Empfänger verzogen" zurück. Daraufhin verfügte das Erstgericht am 5.Juli 1991 die neuerliche Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch.

Mit Schreiben vom 28.Oktober 1991 beantragte der Beklagte die neuerliche Zustellung des Urteils, da er von der erfolgten Hinterlegung zufolge Ortsabwesenheit vom 13.Mai 1991 bis 15.Oktober 1991 erst am 22.Oktober 1991 anläßlich einer Gebietskrankenkassenprüfung erfahren habe. Er legte seinem Antrag die Ablichtung eines Nachsendungsantrages vom 13.Mai 1991 betreffend die von ihm bekanntgegebene Abgabestelle vor, der zu entnehmen ist:

"Rsa+Rsb zurück, da ich bis 15.10.1991 im Ausland bin".

Das Erstgericht wies den Antrag des Beklagten auf neuerliche Zustellung des Versäumungsurteils ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Beklagte gemäß § 8 Abs 1 ZustG verpflichtet gewesen wäre, dem Gericht die Änderung der bisherigen Abgabestelle mitzuteilen. Da er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, sei iSd der Bestimmung des § 8 Abs 2 ZustG eine Hinterlegung ohne Zustellversuch vorzunehmen gewesen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß eine Änderung der Abgabestelle zwar dann nicht vorliege, wenn eine Partei sich nur kurzfristig auf Geschäftsreise oder Urlaub befinde; der Beklagte sei aber 5 Monate abwesend gewesen. Obwohl er von dem Verfahren Kenntnis gehabt habe und in der Tagsatzung vom 17.Juni 1991 als Partei hätte vernommen werden sollen, habe er in seinem Antrag nur vorgebracht, daß er vom 13.Mai 1991 bis 15.Oktober 1991 "abwesend" gewesen sei und einen postalischen Rücksendeauftrag installiert habe. Eine solche Abwesenheit könne nicht mehr als bloß vorübergehend oder nur kurzfristig angesehen werden. Die Dauer der Abwesenheit rechtfertige vielmehr die Annahme einer Änderung der Abgabestelle, zumal der Beklagte nicht einmal mitgeteilt habe, aus welchem Anlaß er abwesend gewesen sei und wo er sich 5 Monate lang aufgehalten habe.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung iSd Antrages des Beklagten auf neuerliche Zustellung des Versäumungsurteiles.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Wirksamkeit einer Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch, welche die Zustellung während eines Verfahrens sichern soll, setzt gemäß § 8 ZustG voraus, daß die Partei ihre bisherige Abgabestelle ändert, ohne dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Da die Behörde diese Art der Zustellung iSd § 23 Abs 1 ZustG anordnen muß, ist es erforderlich, daß sie die von der Bestimmung des § 8 ZustG geforderten Voraussetzungen feststellt. Insoferne ist es nach den eigenen Behauptungen des Beklagten unstrittig, daß er sich über 5 Monate nicht an der von ihm angebenen Abgabestelle aufgehalten hat und er über seinen Aufenthaltsort keine Mitteilung an das Erstgericht erstattete. Demgemäß konnte von diesem auch keine neue Abgabestelle festgestellt werden.

Wie die Vorinstanzen richtig erkannten, liegt dann keine Änderung der Abgabestelle iSd § 8 Abs 1 ZustG vor, wenn eine Partei die Abgabestelle nur vorübergehend, etwa wegen Urlaubs oder Krankenhausaufenthaltes verläßt. Andererseits erfordert der Begriff der Änderung der Abgabestelle entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers nicht auf jeden Fall eine dauernde Verlegung; die Partei "ändert" ihre Abgabestelle vielmehr auch dann, wenn sie an dieser zumindest für einen unverhältnismäßig längeren Zeitraum nicht mehr anzutreffen ist. Dabei ist auch die Vorhersehbarkeit der Zustellung während dieser Zeit zu berücksichtigen (vgl. Fasching Kommentar zur ZPO, § 111 Anm 3; Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, § 8 Anm 5, § 10 Anm 1; JBl 1989, 187 = RZ 1988/65 ua). Geht man von der dem Beklagten bekannten Lage des gegen ihn gerichteten Verfahrens aus, kann keine Rede davon sein, der Beklagte wäre während der Zeit von 5 Monaten bloß vorübergehend oder kurzfristig abwesend gewesen. Darauf, ob er sich dadurch den Konsequenzen dieses Verfahrens entziehen wollte, kommt es nicht an. Da seine Abwesenheit demnach als unverhältnismäßig lange und sohin iS einer Änderung der bisherigen Abgabestelle anzusehen ist, erfolgte die Zustellung des Versäumungsurteils gemäß § 8 Abs 2 ZustG wirksam.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E32232

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00172.92.0902.000

Dokumentnummer

JJT_19920902_OGH0002_009OBA00172_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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