Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Erich Deutsch und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E*****-Fertighaus AG,*****, *****, vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei J*****, Facharbeiter, *****, vertreten durch *****, Rechtsanwälte in *****, wegen Zustimmung zur Kündigung (Streitwert S 51.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.März 1992, GZ 34 Ra 15/92-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. November 1991, GZ 7 Cga 91/91-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.348,80 (darin S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der seit April 1981 bei der Klägerin beschäftigte Beklagte ist seit 26. April 1982 Mitglied des Betriebsrats. Er hat keinen Beruf erlernt. Vor seiner Arbeitsaufnahme bei der Klägerin war er in der Agrarindustrie als Maschinenarbeiter tätig.
Mit der vorliegenden als Antrag bezeichneten Klage begehrt die Klägerin, "der Kündigung des Beklagten die Zustimmung zu erteilen", da sich dieser trotz Verwarnung und Vorhalt der Folgen seines Verhaltens geweigert habe, Holzbretter mit Holzschutzmitteln zu streichen. Eine Weiterbeschäftigung des Beklagten sei zufolge des Aufsehens im Betrieb aus Gründen der Arbeitsdisziplin und Aufrechterhaltung des internen Arbeitsablaufes nicht zumutbar.
Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Er sei bei der Klägerin als Facharbeiter tätig und fast ausschließlich mit Maler- und Maurerarbeiten beschäftigt gewesen. Bei der ihm aufgetragenen Arbeit des "Schwarzstreichens" handle es sich um eine Hilfsarbeitertätigkeit, die er schon nach seinem Arbeitsvertrag nicht habe verrichten müssen. Überdies wäre es dadurch für eine nicht absehbare Zeit zu einer entscheidenden Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen gekommen, so daß auch eine mangels Zustimmung des Betriebsrats unzulässige Versetzung im Sinne des § 101 ArbVG vorliege. Abgesehen davon habe die betriebliche Herabstufung ihren Grund in seiner Tätigkeit als Mitglied des Betriebsrats, da die Klägerin offenbar ein Exempel gegen aufmüpfige Betriebsräte habe statuieren wollen. Die bereits erfolgte Kündigung sei gemäß § 120 ArbVG unwirksam; der beabsichtigten Kündigung sei die Zustimmung zu verweigern.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:
Eine Vereinbarung über den Inhalt der Tätigkeit des Klägers bestand nicht. Dieser wurde vorerst zu Montagearbeiten eingeteilt und hatte als Vorarbeiter einer Partie von fünf bis sieben Arbeitern Kellergebäude herzustellen. Dabei nahm der Beklagte alle anfallenden Arbeiten, so auch Isolierarbeiten, vor. In den letzten beiden Jahren arbeitete der Beklagte ausschließlich im Werk. Er war anfangs ein sogenannter "Springer", der zu Spachtelarbeiten, zum Streichen von Balkonen und bei der Putzpartie eingesetzt wurde. In den letzten etwa eineinhalb Jahren war er der Putzpartie zugeteilt. Dort versah er neben anderen Arbeitern die errichteten Häuser mit einem Außenputz. Wenn keine Putzarbeiten anfielen, hatte er etwa einen halben Tag lang Schalungsbretter zu streichen.
Am 17. Oktober 1991 erteilte der zuständige Werkmeister dem Beklagten den Auftrag, "am nächsten Tag" Staffeln schwarz zu streichen, da gestrichene Staffeln benötigt wurden. Über die Dauer der Tätigkeit wurde weiter nichts gesprochen. Diese Arbeit wird im Betrieb der Klägerin je nach Bedarf von verschiedenen Arbeitern, auch von gelernten Facharbeitern, kurzfristig zwischendurch verrichtet. Auch der Beklagte war vordem schon für solche Arbeiten herangezogen worden. Der durch das "Schwarzstreichen" bewirkten Feuchtigkeitsimprägnierung kommt besondere Bedeutung zu. Die richtige Vornahme dieser Tätigkeit wird vom Produktionsleiter überprüft. Die Arbeitsstelle "Schwarzstreichen" ist nicht ständig besetzt. Die Klägerin ist darauf bedacht, daß ihre Arbeiter nicht nur bestimmte Arbeiten verrichten, sondern vielfältig eingesetzt werden; fällt gerade keine Arbeit auf ihrem Arbeitsplatz an, haben sie eben auch "schwarzzustreichen". Auch der nunmehrige Vorsitzende des Betriebsrats und ein Vorstandsmitglied verrichteten seinerzeit alle im Betrieb anfallenden Tätigkeiten, so auch das "Schwarzstreichen". Auf die Entlohnung hat diese Art der Tätigkeit keinen Einfluß.
Der Beklagte erklärte vorerst dem Werkmeister, daß er sich das nicht gefallen lasse; dem Vorsitzenden des Betriebsrats teilte er mit, daß er diese Arbeitseinteilung nicht akzeptiere. Am 18. Oktober 1991 trat der Beklagte die ihm zugewiesene Arbeit nicht an. Er weigerte sich, die aufgetragene Tätigkeit auszuführen. Das Vorstandsmitglied Josef W. ersuchte den Vorsitzenden des Betriebsrats, mit ihm zum Beklagten zu gehen. In Anwesenheit eines weiteren Mitglieds des Betriebsrats und des Werkmeisters erklärte das Vorstandsmitglied dem Beklagten, daß er "für heute" für eine andere Tätigkeit eingeteilt worden sei und er daher aufgefordert werde, die aufgetragene Arbeit zu verrichten. Falls er sich weiterhin weigere, müsse er als Betriebsratsmitglied auch die Konsequenzen kennen. Der Beklagte erwiderte, daß er diese Arbeit nicht mache. Daraufhin sprach das Mitglied des Vorstandes der Klägerin die Entlassung aus. Mit der Äußerung "gut, dann gehe ich eben" verließ der Beklagte den Betrieb. Nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden des Betriebsrats erklärte das Vorstandsmitglied Josef W., daß er die Entlassung in eine Kündigung "umwandle", um nicht so hart vorgehen zu müssen. Mit Schreiben vom selben Tag änderte er die Entlassung in eine Kündigung um, wobei er den Beklagten für die gesamte Kündigungsfrist vom Dienst freistellte.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Tätigkeitsbereich des Beklagten mangels einer einschränkenden arbeitsvertraglichen Präzisierung auch das sogenannte "Schwarzstreichen" umfaßt habe. Der Beklagte sei für die Arbeiten im Werk aufgenommen und zu diesen auch entsprechend seiner Leistungsfähigkeit mehr oder weniger langfristig herangezogen worden. Die Einreihung auf einen anderen Arbeitsplatz sei daher vertragskonform erfolgt. Da der Beklagte die aufgetragene Tätigkeit nur für einen Tag hätte verrichten sollen, könne auch von einer "dauernden" Einreihung im Sinne des § 101 ArbVG keine Rede sein. Eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen sei mit der kurzfristigen Änderung der Tätigkeit nicht verbunden gewesen. Die wiederholte ausdrückliche Weigerung, dem Arbeitsauftrag nachzukommen, sei somit als beharrliche Pflichtverletzung im Sinne des § 121 Z 3 ArbVG anzusehen. Der Vorfall sei im Betrieb nicht nur bekannt geworden, sondern habe offenbar auch Aufsehen erregt, da er der Unternehmenspolitik, die Arbeiter auf möglichst vielen Positionen einsetzen zu können, zuwiderlaufe. Der Klägerin könne die Weiterbeschäftigung des Beklagten nicht zugemutet werden; dem Klagebegehren auf Zustimmung zu der "auszusprechenden" Kündigung sei somit Folge zu geben.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 50.000 übersteige. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus, daß in der vorübergehenden Zuteilung des Beklagten zum "Schwarzstreichen" auch kein Verstoß gegen das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot gemäß § 115 Abs. 3 ArbVG zu erblicken sei. Der Beklagte sollte lediglich, so wie jeder andere in einer Arbeitspartie tätige Arbeiter, bei Anfall von dringenden Arbeiten für eine andere Tätigkeit herangezogen werden; dazu bedürfe es keiner Feststellungen über einen allfälligen Zusammenhang des Arbeitsauftrages mit einer vorher stattgefundenen Sitzung des Betriebsrates.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Im übrigen hat das Berufungsgericht die entscheidende Frage, ob die Zustimmung zur Kündigung des Beklagten im Sinne des § 121 Z 3 ArbVG zu Recht erfolgte, zutreffend gelöst. Soweit es jedoch unter Anführung eines Fehlzitats die Rechtsauffassung vertritt, daß die Zustimmung zur Kündigung auch nachträglich eingeholt werden könne, setzt es sich in offenen Widerspruch zum Gesetz. Gemäß § 120 Abs 1 ArbVG darf ein Mitglied des Betriebsrats bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit nämlich nur nach "vorheriger" Zustimmung des Gerichts gekündigt werden (vgl. Floretta-Strasser, MKK ArbVG2 § 120 Anm 5; Cerny ArbVG8 § 120 Erl 2; InfasA 65 ua). Die ausnahmsweise nachträglich zulässige Zustimmungserteilung in den Fällen des § 122 Abs. 1 Z 2 und 5 ArbVG (Entlassungsschutz) ist hier ohne Bedeutung. Es ist daher ergänzend zu prüfen, ob überhaupt eine Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung begehrt wurde.
Nach den Feststellungen sprach das Vorstandsmitglied der Klägerin vorerst eine Entlassung des Beklagten aus und "änderte" diese Entlassung in der Folge schriftlich in eine Kündigung um. Unbeschadet der Unwirksamkeit einer solchen "Änderung" ist davon auszugehen, daß sowohl diese Entlassung als auch die nachfolgende Kündigung schon im Sinne des § 120 Abs 1 ArbVG unwirksam geblieben sind, da die gerichtliche Zustimmung schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungs- bzw. Entlassungserklärung vorliegen muß. In ihrer Klage bezieht sich die Klägerin zur Begründung des Zustimmungsbegehrens nicht ausdrücklich auf die bereits erfolgte Kündigung. Der Beklagte beantragte, der "beabsichtigten" Kündigung die Zustimmung zu verweigern. Beiden Teilen ist daher zu unterstellen, daß sie ein Vorgehen im Sinne des § 120 Abs 1 ArbVG verfolgt haben. In diesem Sinne stellte auch das Erstgericht diesbezüglich unangefochten klar, daß dem Begehren auf Zustimmung zu der auszusprechenden Kündigung Folge zu geben sei. Die unzutreffende und von den Parteien nicht aufgegriffene Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist dazu ohne Belang.
Den Ausführungen des Revisionswerbers, der ihm erteilte Arbeitsauftrag hätte seinen arbeitsvertraglichen Pflichten widersprochen, eine Mitwirkung des Betriebsrats im Sinne des § 101 ArbVG erfordert und sei im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Mitglied des Betriebsrats gestanden, ist entgegenzuhalten, daß er damit nicht vom maßgeblichen Sachverhalt ausgeht.
Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen erteilte der zuständige Werkmeister dem Beklagten den Auftrag, "am nächsten Tag" Staffeln "schwarzzustreichen", da gestrichene Staffeln benötigt wurden. Diese Arbeit wird im Betrieb der Klägerin je nach Bedarf von verschiedenen Arbeitern, auch von gelernten Facharbeitern, kurzfristig zwischendurch verrichtet. Auch der Beklagte, der keinen Beruf erlernt hat, war schon für solche Arbeiten herangezogen worden. Er kann daher aus dem Umstand, daß er in den "letzten eineinhalb Jahren" außer mit Putzarbeiten nur etwa einen halben Tag mit dem Streichen von Schalungsbrettern beschäftigt war, nicht ableiten, daß das "Schwarzstreichen" nicht von seinen arbeitsvertraglichen Pflichten umfaßt gewesen wäre. Ebenso liegen die Voraussetzungen der Mitwirkung des Betriebsrats für die Durchführung dieses vorerst für einen Tag erteilten Arbeitsauftrages nicht vor. Lag aber die kurzfristige Tätigkeit des Schwarzstreichens, der sich im übrigen seinerzeit auch der Vorsitzende des Betriebsrats und ein Vorstandsmitglied der Klägerin unterzogen hatten, ohnehin im geschuldeten Tätigkeitsbereich des Beklagten, kann eine Benachteiligung des Beklagten durch den Auftrag im Sinne des § 115 Abs 3 ArbVG nicht vorliegen. Da der Beklagte die ihm aufgetragene Arbeit trotz Verwarnung beharrlich verweigerte, dieser Vorfall im Betrieb bekannt wurde und "offenbar" auch Aufsehen erregte, hat er dadurch zugleich die Betriebsdisziplin, die Arbeitnehmer so wie bisher zu möglichst vielen Arbeiten verwenden zu können, in Frage gestellt (vgl. WBl. 1989, 158).
Die Kostenentscheidung ist in § 58 Abs. 1 ASGG und in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E30141European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00150.92.0902.000Dokumentnummer
JJT_19920902_OGH0002_009OBA00150_9200000_000