TE OGH 1992/9/3 7Ob591/92

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Veröffentlicht am 03.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Egermann, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Manuela B*****, vertreten durch Dr.Anna Jahn, Rechtsanwältin in Feldkirch, wider den Antragsgegner Hugo B*****, vertreten durch Dr.Rainer Santner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Wohnungsverlegung, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 11. Juni 1992, GZ 1 a R 255/92-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 5.Mai 1992, GZ F 2/92-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die Parteien haben am 27.4.1990 die Ehe geschlossen, der die am 7.1.1992 geborene mj. C*****entstammt. Der uneheliche Sohn der Antragstellerin, der fünfjährige T*****, lebt in deren Haushalt. Anfang April 1991 bezogen die Ehegatten die im Parterre des Hauses der Eltern des Antragsgegners gelegene Wohnung in M*****. Es handelt sich um ein Zweifamilienhaus. Die von den Ehegatten benutzte Wohnung besteht aus einer Wohnküche, einem Schlafzimmer, einem Kinderzimmer und einem Bad mit WC. Sie wurde mit einem Aufwand von rund S 1,000.000,-- renoviert. Die Rückzahlungen für den dafür in Anspruch genommenen Kredit betragen rund S 10.000,-- monatlich und werden vom Antragsgegner geleistet. Die Parteien müssen für diese Wohnung keine Miete zahlen, sondern lediglich die Betriebskosten in Höhe von monatlich S 1.500,--.

Die Ehefrau begehrt die Feststellung, daß ihr Verlangen auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung, hilfsweise, daß die (vorübergehende) gesonderte Wohnungsnahme rechtmäßig ist.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt und sprach aus, daß die Gründe des Antragsgegners für den Verbleib in der bisherigen gemeinsamen Wohnung von gleichem Gewicht sind. Nach seinen Feststellungen hatten die Parteien ursprünglich geplant, selbst ein Haus auf einem Grundstück der Eltern des Antragsgegners, das damals noch der inzwischen verstorbenen Großmutter des Antragsgegners gehörte, zu bauen. Die Wohnungsnahme bei den Eltern des Antragsgegners sollte nur vorübergehend für die Dauer der Bauführung sein. Die Wohnung sollte daher nur geringfügig renoviert werden. Im Zuge der Renovierung stellte sich dann heraus, daß die Eltern des Antragsgegners nichts vom geplanten Hausbau wußten und auch nicht bereit waren, dafür ein Grundstück zur Verfügung zu stellen. Da mittlerweile der Mietvertrag über die damalige Ehewohnung in K*****bereits aufgekündigt war, kamen die Eheleute überein, die Parterrewohnung im Hause der Eltern des Antragsgegners umfassend instandzusetzen. Bereits kurze Zeit nach Bezug dieser Wohnung kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Antragstellerin und ihrer Schwiegermutter Berta B*****. Anlaß hiefür war, daß Berta B*****die Antragstellerin und ihren Sohn durch Arbeiten und den damit verbundenen Lärm in der Landwirtschaft frühzeitig weckte. Im Zuge eines Streites wurde die Antragstellerin von ihrer Schwiegermutter mit "Bagage" beschimpft. In weiterer Folge vermieden die Frauen Kontakte. Ca. eine Woche später bat der Antragsgegner seine Ehefrau, ihn zu einer Versöhnung in die Wohnung seiner Eltern zu begleiten. Die Antragstellerin lehnte dies mit der Begründung ab, den ersten Schritt zur Versöhnung müsse die Schwiegermutter machen. Es kamen daher die Schwiegereltern in die Wohnung der Streitteile, wobei es zu einer verbalen Auseinandersetzung der beiden Frauen kam. Die Antragstellerin zog sich ins Badezimmer zurück, wurde aber von ihrem Mann bedrängt, der Schwiegermutter die Hand zu reichen. Sie tat dies schließlich gegen ihren Willen. Später kamen die Eltern der Antragstellerin zu Besuch. Die Antragstellerin wurde aufgrund des geschilderten Ereignisses ohnmächtig. Daraufhin zog sie für 14 Tage zu ihren Eltern. Nach einer Erholung kehrte sie in die Ehewohnung zurück. Die Kontakte zwischen der Antragstellerin und ihren Schwiegereltern beschränkten sich daraufhin auf das Grüßen. Das persönliche Verhältnis ist nach wie vor angespannt. Berta B*****erteilte einer befreundeten Nachbarin der Antragstellerin Hausverbot, weil sie sich von dieser verleumdet glaubt. Sie vermeidet jeden Kontakt mit der Antragstellerin und zeigte auch bislang kein Interesse für ihr im Jänner 1992 geborenes Enkelkind. In der Folge kam es zu keinen weiteren Auseinandersetzungen zwischen der Antragstellerin und ihrer Schwiegermutter. Das Verhältnis der beiden Frauen ist jedoch äußerst angespannt. Die Antragstellerin trat daher mit dem Wunsch auf Verlegung der Ehewohnung an den Antragsgegner heran, der diesem Wunsch nicht nachkam. Er hilft in seiner Freizeit in der Landwirtschaft seiner Eltern mit. Am 29.3.1992 zog die Antragstellerin mit den beiden Kindern in eine Mietwohnung in S*****, die sich ca. 5 km entfernt von der gemeinsamen Ehewohnung befindet. Die monatliche Miete für die Zweizimmerwohnung beläuft sich auf S 4.500,--. Die Antragstellerin ist auf keinen Fall bereit, in die gemeinsame Ehewohnung zurückzukehren. Sie hat den Wunsch, daß der Antragsgegner ebenfalls in diese Wohnung einzieht. Die Wohnungssituation bei den Schwiegereltern belastete die Antragstellerin. Ihr psychischer Zustand ist angegriffen.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes liegt für das Verlangen der Antragstellerin auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung ein gerechtfertigter Grund vor. Durch die Wohnungsverlegung sei dem Wohl der ganzen Familie gedient. Aber auch die Gründe des Antragsgegners für seine Weigerung mitzuziehen, seien von Gewicht. Er habe die bisherige Wohnung mit einem nicht unbeträchtlichen finanziellen Aufwand renoviert und hiefür monatlich S 10.000,-- an Rückzahlungen zu leisten. Zudem helfe er in seiner Freizeit in der elterlichen Landwirtschaft mit. Die Gründe beider Ehegatten seien von gleichem Gewicht.

Das Rekursgericht bestätigte den Ausspruch des Erstgerichtes, daß das Verlangen der Antragstellerin auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung gerechtfertigt ist, änderte die erstgerichtliche Entscheidung im übrigen durch den Ausspruch ab, daß die Weigerung des Antragsgegners mitzuziehen unrechtmäßig sei. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.

Das Rekursgericht kam bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis, daß die Gründe der Antragstellerin überwiegen. Der Antragsgegner sei nicht verpflichtet, in der elterlichen Landwirtschaft mitzuhelfen. Die Entfernung zwischen S*****und M*****ermögliche überdies eine solche Mithilfe. Richtig sei zwar, daß bei einer Nichtverlegung der gemeinsamen Wohnung die Ehegatten nicht mit Mietzinszahlungen für die neue Wohnung belastet würden. Wenn aber die Gründe auf seiten der Antragstellerin für die Verlegung der Ehewohnung als ausreichend angesehen würden, so sei die finanzielle Belastung für den Antragsgegner nicht wesentlich unterschiedlich, ob er nun in der bisherigen Ehewohnung bleibt oder mitzieht. In beiden Fällen bestehe die Rückzahlungsverpflichtung weiter und auch die Mietzinszahlungen belasteten den Antragsgegner im Rahmen seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Antragstellerin. Andererseits seien bei der Unterhaltsbemessung auch die während der gemeinsamen Ehe einvernehmlich eingegangenen Kreditverbindlichkeiten zu berücksichtigen. Der wichtigste Grund liege aber darin, daß ein getrenntes Wohnen einem gedeihlichen Eheleben abträglich sei. Beide Ehegatten hätten erklärt, grundsätzlich bereit zu sein, die Ehegemeinschaft fortzusetzen, wenn sie sich über einen gemeinsamen Wohnsitz einigen könnten. Die Ehe scheine noch nicht so zerrüttet zu sein, daß sie nicht mehr saniert werden könne. Durch die gerichtliche Sanktionierung des getrennten Wohnens würde aber gerade das Gegenteil erreicht werden.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Antragsgegners ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Verlangt ein Ehegatte gemäß § 92 Abs.1 ABGB aus gerechtfertigten Gründen die Verlegung der gemeinsamen Wohnung, so hat der andere diesem Verlangen zu entsprechen, es sei denn, er habe gerechtfertigte Gründe von zumindest gleichem Gewicht, nicht mitzuziehen. Solche gerechtfertigte Gründe des antragstellenden Ehegatten können auch ausschließlich in seiner Person begründet sein, wie etwa berufliche oder gesundheitliche Gründe. Im Rahmen seiner Entscheidung hat das Gericht auch dann, wenn es die vom Antragsteller herangezogenen Gründe für gerechtfertigt hält, abzuwägen, wie sich die angestrebte Verlegung der Wohnung auf die anderen Familienmitglieder auswirken würde und ob danach das Interesse des Antragstellers an der Verlegung der gemeinsamen Wohnung gegenüber den Interessen des anderen Ehegatten überwiegt, wobei gemäß § 92 Abs.3 ABGB auf die gesamten Umstände der Familie, besonders auf das Wohl der Kinder, Bedacht zu nehmen ist. Ergibt diese Interessenabwägung, daß die Gründe des antragstellenden Ehegatten überwiegen, wäre die Weigerung des anderen mitzuziehen rechtswidrig; sprechen dagegen die überwiegenden Interessen des anderen Ehegatten und der Kinder für einen Verbleib in der bisherigen gemeinsamen Wohnung, dann ist das Begehren des antragstellenden Ehegatten nicht gerechtfertigt (SZ 57/133 mwN). Eine psychische Beeinträchtigung wird nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur dann als wichtiger Grund für die gesonderte Wohnungsnahme gewertet, wenn dem antragstellenden Ehegatten auch eine dauernde gesundheitliche Schädigung droht (JBl. 1979, 86; 4 Ob 518/90). Die bloß theoretische Möglichkeit einer solchen Schädigung, von der die Vorinstanzen ausgegangen sind, genügt hiebei ebensowenig wie bloße persönliche Empfindungen und Meinungen des antragstellenden Ehegatten (vgl. JBl. 1979, 86). Es müssen konkrete Umstände vorliegen, die eine solche Schädigung zumindest wahrscheinlich machen. Ob dies hier für die Antragstellerin zutrifft, läßt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren, allenfalls nach Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl. hiezu Fasching ZPR2 Rz 997), in dieser Richtung ergänzende Feststellungen zu treffen haben.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

Anmerkung

E30439

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00591.92.0903.000

Dokumentnummer

JJT_19920903_OGH0002_0070OB00591_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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