TE OGH 1992/9/3 7Ob14/92

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Veröffentlicht am 03.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Egermann, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich St*****, vertreten durch Dr.Thomas Fried, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I***** VersAG, *****, vertreten durch Dr.Leopold Hammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 152.000,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9. April 1992, GZ 3 R 6/92-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 14. November 1991, GZ 21 Cg 413/91-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.471,80 (darin S 1.245,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der Beklagten eine Fahrzeug-Kolisionskaskoversicherung abgeschlossen. Diese umfaßt unter anderem auch die Abdeckung des Risikos eines Diebstahls durch betriebsfremde Personen. Die im Taxiunternehmen des Klägers verwendeten Fahrzeuge haben jeweils im Kofferraum eine fixmontierte, mit einem Nummernschloß gesicherte Handkasse. Es ist üblich, daß die Fahrer nach Arbeitsschluß die Fahrzeugpapiere in das Handschuhfach legen, den Fahrgastraum versperren und die Fahrzeugschlüssel in die erwähnte Handkasse im Kofferraum einschließen. Der Kofferraum selbst bleibt dann unversperrt. Nur der das Fahrzeug abstellende Fahrer kennt die Nummernkombination der Handkasse. Er teilt sie jeweils dem das Fahrzeug übernehmenden Fahrer mit. Am 22.9.1990 wurde von einem Fahrer des Klägers ein Taxi der Marke Mercedes 200 Diesel Baujahr 1988 und mit einem Zeitwert von S 160.000,-- um 23.00 Uhr in der Gudrunstraße vor dem Haus 189 auf die oben beschriebene Art und Weise abgestellt. Am 23.9.1990 wurde gegen 18.00 Uhr festgestellt, daß das Fahrzeug allem Anschein nach gestohlen worden war. Gegen den Fahrer des Klägers Gorica T***** wurde Diebstahlsanzeige erstattet.

Der Kläger begehrt von der beklagten Versicherung S 152.000,-- als Ersatz des ihm durch den Diebstahl entstandenen Schadens. Die vom Fahrer gewählte Vorgangsweise des Abstellens sei Usus in der Taxibranche.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung. Dem Kläger sei grobe Fahrlässigkeit anzulasten, die Beklagte sei daher gemäß § 61 VersVG leistungsfrei. Die Schlüssel und die Fahrzeugpapiere seien nicht ordnungsgemäß verwahrt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Auffassung, es müsse nicht erwartet werden, daß ein präsumtiver Dieb, dem es um den Sachentzug des Fahrzeuges gehe, bei einem an sich ordnungsgemäß versperrten Fahrzeug den Kofferraum kontrolliere, um nachzusehen, ob sich dort allenfalls Fahrzeugschlüssel befänden.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochteten Entscheidung dieses Urteil. Es erklärte die Revision für zulässig. Der beklagte Versicherer habe dem Kläger keine grobe Fahrlässigkeit nachweisen können. Ein PKW werde durch das Versperren des Fahrzeuges und das Abziehen des Zündschlüssels ausreichend gesichert. Das aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Mitarbeitern resultierende die Vertrauensverhältnisse verlangen gegenüber dem Sicherungsgebot, wie es für das Eigentum gegenüber Dritten vom Versicherer gefordert werden könne, eine andere Beurteilung. Da sich die Mitarbeiter eines Taxiunternehmens aufgrund ihrer Integration im Unternehmen im allgemeinen leicht in die Lage versetzen können müssen, Fahrzeuge in Betrieb zu nehmen, könne aufgrund des § 61 VersVG nicht verlangt werden, daß Fahrzeuge vor dem Zugriff der einzelnen Fahrer zu schützen sind, solange nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, daß mit einem Mißbrauch des bestehenden Vertrauensverhältnisses gerechnet werden müsse. Es ergebe sich aber auch dann keine andere Beurteilung des vorliegenden Rechtsfalles, wenn der Pkw - entgegen den Darlegungen beider Parteien - nicht durch einen Fahrer oder sonstigen Mitarbeiter des Klägers aus der Gewahrsame des Klägers entzogen worden sein sollte. Wenn auch das Zurücklassen des Fahrzeugschlüssels in einem abgesperrten Pkw den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit iSd § 61 VersVG begründen könne, sei im vorliegenden Fall zu beachten, daß der Schlüssel in einer Handkasse versperrt war, die - anders als ein aus Gründen der Unfallsicherheit nur aus leicht verformbarem Material gefertigtes Handschuhfach - ein beträchtliches Hindernis darstelle, um zu dem Schlüssel zu gelangen, den ein Außenstehender dort auch nicht vermuten werde.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß der Versicherer für den Nachweis des grobfahrlässigen Verhaltens des Versicherungsnehmers beweispflichtig ist und daß sich dieser Beweis auch auf die Kausalität zwischen dem Verhalten des Versicherungsnehmers und dem Eintritt des Versicherungsfalles beziehen muß (vgl. Schauer, Einführung in das österreichische Versicherungsvertragsrecht, 274 f). Der Beweis, daß der Versicherungsnehmer eine objektive Sorgfaltspflicht hatte, genügt noch nicht zur Annahme, daß ihn auch ein grobes Verschulden trifft (SZ 53/145).

Wird ein Fahrzeug auf einer öffentlich zugänglichen Fläche geparkt, so ist das Lenkradschloß einzurasten, sind die Scheiben zu verschließen und ist sowohl der Fahrgastraum als auch der Kofferraum mit den einschlägigen Pkw-Schlüsseln zu versperren. Nur ein derart gesichertes Fahrzeug genügt im allgemeinen den Sicherheitsanforderungen, zur Abwehr eines Diebstahls.

Voraussetzung für die Leistungsfreiheit des Versicherers wäre gemäß § 61 VersVG jedoch grobfahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles. Grobe Fahrlässigkeit setzt für die Anwendung von § 61 VersVG ein Verhalten des Versicherungsnehmers voraus, von dem er wußte oder wissen mußte, daß es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalles oder die Vergrößerung des Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muß offenkundig so groß sein, daß es ohne weiters nahelag, zur Vermeidung des Versicherungsfalles ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen. Außerdem muß der Eintritt des Versicherungsfalles mit einem Aufwand an Kosten und Unbequemlichkeiten zu vermeiden gewesen sein, den eine nicht versicherte Person angesichts der Schadensgefahr normalerweise ohne weiters in Kauf genommen hätte. Das Verhalten des Versicherungsnehmers muß subjektiv unentschuldbar sein (Prölls/Martin VVG24, 401 f, vgl. Vers.RdSch 1987/53, 1988/128 ua.). Bei der Beurteilung ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, müssen im übrigen die Umstände des einzelnen Falles und die persönlichen Verhältnisse berücksichtigt werden. Bei der Zumutbarkeit von Maßnahmen ist auf jenen Personenkreis abzustellen, dem der Versicherungsnehmer angehört.

Im vorliegenden Fall handelt es sich beim Versicherungsnehmer um einen Taxiunternehmer, der sein Gewerbe mit mehreren Fahrzeugen und unter Einschaltung mehrerer Fahrer betreibt, wobei es zum Wesen dieses Unternehmens gehört, daß die Fahrzeuge möglichst kontinuierlich in Betrieb bleiben, was einen raschen Wechsel der Fahrer voraussetzt. Es ist daher für die reibungslose Abwicklung des Betriebes erforderlich, die Wagenschlüssel beim jeweiligen Wagen zu belassen. Natürlich muß in einem solchen Fall der Versicherungsnehmer sämtliche ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Maßnahmen gegen einen Diebstahl des Wagens treffen. Die vom Kläger getroffenen Maßnahmen erscheinen unter diesem Gesichtspunkt ausreichend. Der Schlüssel wurde nicht etwa sichtbar im Wageninneren belassen, sondern an einem Ort deponiert, an dem normalerweise Wagenschlüssel nicht vermutet werden, nämlich im Kofferraum. Daß der Kofferraum nicht versperrt war ist selbstverständlich, weil anderenfalls der andere Fahrer keinen Zugang zum Schlüssel gehabt hätte. Ein offenes Liegenlassen des Schlüssels im Kofferraum wäre sicherlich nicht ausreichend gewesen, doch hat der Kläger die Ablage in einem durch ein besonderes Schloß gesicherten festen Behältnis vornehmen lassen. Die Öffnung eines mit einer Nummernsicherung versehenen Behälters wird in der Regel keine geringeren Schwierigkeiten bieten, als die Öffnung des Kofferraumes. (Ob der Verschluß der Kasette so minderwertig war, daß eine andere Beurteilung geboten wäre, war nicht zu prüfen, weil derartiges der Versicherer beweisen hätte müssen). Dazu kommt, daß ein Dieb im allgemeinen in einem solchen Behältnis vielleicht Geld oder andere Wertgegenstände, nicht aber Wagenschlüssel vermutet. Ein Autodieb ist aber in der Regel daran interessiert, den Abstellplatz des Autos möglichst rasch zu verlassen, weshalb er sich kaum die Mühe machen wird, am Ort eine allenfalls kompliziertere Öffnung einer durch ein Nummernschloß gesicherten Kassette zu versuchen.

Natürlich besteht die aufgezeigte Sicherung gegenüber den mit dem Vorgang vertrauten Fahrern des Klägers nicht. Seinen Fahrern muß der Kläger aber die Fahrzeuge anvertrauen, weil andernfalls die Aufrechterhaltung seines Betriebes unmöglich wäre. Demnach kann man die gegenüber Dritten aufgestellten Sicherheitsanforderungen nicht auch auf die beim Kläger angestellten Fahrer übertragen.

Es ergibt sich sohin, daß der Kläger den Diebstahl des Wagens keinesfalls grob fahrlässig begünstigt hat.

Ob die aufgezeigten Sicherheitsvorkehrungen auch für andere Fälle als für das Taxigewerbe ausreichen, war im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen.

Der Revision mußte demnach ein Erfolg versagt werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E33181

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00014.92.0903.000

Dokumentnummer

JJT_19920903_OGH0002_0070OB00014_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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