TE OGH 1992/9/3 7Ob586/92

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Veröffentlicht am 03.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Egermann, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hugo M*****, vertreten durch Dr.Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei *****BANK, ***** vertreten durch Dr.Peter Karl Wolff, Dr.Felix Weigert und Dr.Andreas Theiss, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 107.480,- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27.April 1992, GZ 4 R 23/92-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 25.September 1991, GZ 25 Cg 184/90-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.März 1985 wurde der Nachlaß der am 3.November 1984 verstorbenen, zuletzt in Wien ***** wohnhaft gewesenen Theresia W***** auf Grund des Gesetzes ihrer Schwester Franziska M*****, München,***** eingeantwortet. Franziska M***** ist am 12.Juli 1989 verstorben. Eine Verlassenschaftsabhanldung fand wegen Vermögenslosigkeit nicht statt. Der Kläger ist das einzige Kind der Franziska M*****. Am 29.Jänner 1986 errichtete der Kläger namens seiner Mutter folgendes Schreiben an die beklagte Partei: "Betreff: Spareinlage v. Theresia W*****, Losungswort "Raab" bei der ***** (Filiale Lassallestr.). Meine Tante Theresia W***** ehemals wohnhaft W*****straße *****., Wien II ist am 3.11.1984 verstorben. Da ich aus mündlichen Mitteilungen und schriftlichen Aufzeichnungen weiß, daß bei der ***** eine Spareinlage mit dem Losungswort "Raab" besteht, das Sparkassenbuch aber aus unerklärlichen Gründen bis heute verschwunden geblieben ist, bitte ich dieses Konto bis zur Klärung mit dem dafür beauftragten Notar sofort zu sperren. Ich schreibe im Namen meiner Mutter Franziska M***** (geb. R*****) als Schwester von Theresia W***** (geb. R*****). Wenn vonnöten, ich besitze die Vollmacht meiner Mutter und die Einantwortungsurkunde vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien vom 11.3.1985/Abt. 10." Die beklagte Partei erachtete die in diesem Schreiben gemachten Angaben als nicht ausreichend, um eine Zuordnung zu einem bestimmten Konto vornehmen zu können, nahm keinen Vermerk bei der Spareinlage auf und zahlte am 6. Februar 1986 an den Vorleger der Sparurkunde S 107.480,- aus. Der Kläger begehrt den Ersatz dieses Betrages s.A.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus noch fest, daß der Kläger am 27.September 1988 bei der S*****-Bank eine Bareinzahlung von S 653,-- vornahm. Als Empfänger gab er Theresia W*****, ein nicht näher bezeichnetes Konto bei der beklagten Partei und als Verwendungszweck das Losungswort "Raab" an. Diese Einzahlung wurde von der beklagten Partei auf das Sparkonto gebucht. Durch Rückfrage über die Buchung wurde vom Kläger die Kontonummer in Erfahrung gebracht. Am 20. Dezember 1988 ersuchte der damalige rechtsfreundliche Vertreter des Klägers um Sperre des Sparbuches mit der bezeichneten Nummer, lautend voraussichtlich auf den Namen Theresia W***** mit dem Losungswort "Raab". Diese Sperre wurde von der beklagten Partei durchgeführt.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes habe die beklagte Partei § 18 Abs. 9 KWG nicht verletzt. Mangels ausreichender individualisierender Angaben des Klägers sei die beklagte Partei nicht gehalten gewesen, einen entsprechenden Vermerk bei der Spareinlage vorzunehmen. Die Sperre eines Sparbuches im Sinne des § 18 Abs. 9 KWG dürfe nur bei ausreichender Individualisierung vorgenommen werden. Diese Bestimmung sei eng auszulegen, da durch eine ungerechtfertigte Sperre in Rechte Dritter eingegriffen werden könnte.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist.

Nach der Ansicht des Berufungsgerichtes reichten die Angaben des Klägers in seinem Schreiben vom 29.Jänner 1986 aus, den Verlust bei der betreffenden Spareinlage in den Aufzeichnungen der beklagten Partei anzumerken. Dem Schreiben sei neben dem Losungswort der Name der Einlegerin und deren Adresse zu entnehmen. Unter der Bezeichnung "Spareinlage v. Theresia W*****" hätte nur die Bezeichnung der Spareinlage verstanden werden können. Falls die beklagte Partei Zweifel an der Legitimation der Franziska M***** als Verlustträgerin hatte, hätte sie vom Anbot des Klägers, die Einantwortungsurkunde vorzulegen, Gebrauch machen und den Kläger auch zur Angabe des Berufes der Verlustträgerin auffordern müssen. Da die beklagte Partei zu Unrecht das gesetzliche Leistungsverbot nicht beachtet und innerhalb der 4-wöchigen Frist des § 18 Abs. 9 KWG Auszahlung aus der Spareinlage geleistet habe, sei sie dem Kläger zum Ersatz des durch diese rechtswidrige Vorgangsweise entstandenen Schadens verpflichtet. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist im Sinne des Eventualantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 18 Abs. 9 KWG hat eine Bank, welcher der Verlust einer Sparurkunde unter Angabe des Namens, des Berufes und der Anschrift des Verlustträgers gemeldet worden ist, den behaupteten Verlust bei der betreffenden Spareinlage zu vermerken und darf innerhalb von vier Wochen nach dem Eingang einer solchen Meldung keine Auszahlung aus der Spareinlage leisten. Diese Bestimmung soll dem Verfügungsberechtigten für den Fall, daß die Sparurkunde nicht aufgefunden wird, die Möglichkeit geben, rechtzeitig bei den zuständigen Behörden weitergehende Sicherstellungsmaßnahmen zu erwirken und das Kraftloserklärungsverfahren einzuleiten (844 BlgNR 14 GP 46). Sie soll den Sparer schon vor Einleitung eines Kraftloserklärungsverfahrens, das eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, davor schützen, daß ein unberechtigter Dritter unter Vorlage der Sparurkunde die Einlage mit schuldbefreiender Wirkung behebt (Avancini in Avancini-Iro-Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 9/95 f). Der Verlustträger muß nicht immer identisch sein mit dem Sparer. Nur für den ersteren schreibt das Gesetz bestimmte Angaben über seine Person vor. Aber auch für die Spareinlage werden jene Angaben erforderlich sein, die die Bank in die Lage versetzen, den Verlust und die Sperre in ihren Aufzeichnungen anzumerken (vgl. Fremuth-Laurer-Pötzelberger-Rues, KWG2 Rz 22 zu § 18). Die Auffassung der beklagten Partei, daß die Meldung vom 29.Jänner 1986 diese Angaben, insbesondere keine Kontobezeichnung enthält, kann nicht geteilt werden. Die beklagte Partei räumt selbst ein (AS 8 ON 2), daß das Sparkonto auf Theresia W***** lautete, das auch in der Überweisung vom 27.September 1988 an geführt war, und daß der Kontowortlaut eine Identifizierung und Sperre ermöglicht. Wie schon das Berufungsgericht richtig darlegte, konnte der Verlustanzeige das Konto mühelos entnommen werden. Schon die Angaben im "Betreff" mußten für eine Bank den Schluß nahelegen, daß es sich bei der dort angeführten Bezeichnung um den Kontowortlaut handelt. Hinzu kommt die Nennung des Losungswortes und derjenigen Niederlassung der beklagten Partei, bei der das Konto geführt wird. Diese Angaben reichen im Regelfall aus, die Meldung einer bestimmten Spareinlage anzuordnen - was sich auch aus der keine weiteren Angaben enthaltenden Überweisung ergibt - und die Sperre vorzumerken. Die gegen das Verbot des § 18 Abs. 9 KWG verstoßende Auszahlung der beklagten Partei war somit rechtswidrig und schuldhaft. Nicht gefolgt werden kann der beklagten Partei auch darin, daß § 18 Abs. 9 KWG als Grundlage für den Klagsanspruch schon deshalb ausscheide, weil diese Bestimmung dem Verlustträger nur die Erlangung einer gerichtlichen Zahlungssperre ermöglichen soll, und eine Kraftloserklärung im vorliegenden Fall nicht einmal beantragt wurde. Richtig ist, daß auf Grund eines rechtswidrigen Verhaltens nur für jenen verursachten Schaden zu haften ist, der vom Schutzzweck der Verbotsnorm umfaßt wird (SZ 54/108 uva; Koziol-Welser9 I 448). Wieweit der Normzweck (Rechtswidrigkeitszusammenhang) reicht, ist jedoch Auslegungsfrage im Einzelfall, wobei die teleologische Auslegung im Vordergrund steht (SZ 54/108 mwN). Das Kraftloserklärungsverfahren gibt dem Verfügungsberechtigten, dem die Sparurkunde abhanden gekommen ist, zwar die Möglichkeit, sich gegen die Behebung durch einen Unberechtigten zu schützen und die Legitimation, die ihm die Sparurkunde verschafft hätte, wieder zu erlangen. Das Risiko der Behebung der Spareinlage durch einen Unberechtigten tritt aber sofort mit dem Verlust der Urkunde ein. Ein Interesse an einer Kraftloserklärung besteht in der Regel dann nicht mehr, wenn die Urkunde wieder aufgefunden wird oder das Sparguthaben inzwischen behoben wurde. Der Sinn der Regelung des § 18 Abs 9 KWG kann daher nicht bloß der sein, dem Verlustträger eine gerichtliche Zahlungssperre im Rahmen des Kraftloserklärungsverfahrens zu ermöglichen, sondern darüber hinaus den Sparer auch schon vorher und unabhängig von einer späteren Einleitung eines Kraftloserklärungsverfahrens durch eine gewisse Zeit zu schützen. Ein Schaden konnte der Verlustträgerin, der Mutter des Klägers, durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der beklagten Partei aber nur dann entstanden sein, wenn sie auch materiell Berechtigte war. Die Verlassenschaftsabhandlung nach Theresia W***** wurde in Österreich durchgeführt, der Erbschaftserwerb der Mutter des Klägers, der der Nachlaß eingeantwortet wurde, richtet sich daher nach österreichischem Recht (§ 28 Abs. 2 IPRG). Mit der Rechtskraft der Einantwortung tritt zwar Universalsukzession des Erben nach dem Erblasser ein und der Erbe erlangt die volle Herrschaft über den Nachlaß. Der Übergang von Eigentum, Forderungen und sonstigen Rechten erfolgt eo ipso. Von dieser Wirkung sind alle zum Nachlaß gehörigen Vermögensbestandteile umfaßt, nicht nur jene, die der Abhandlung unterzogen worden sind (Welser in Rummel2 Rz 5 zu §§ 797, 798; MietSlg. 18.203). Die materiell-rechtliche Wirkung der Einantwortung setzt jedoch voraus, daß das Recht dem Erblasser auch tatsächlich zustand (Welser aaO mwN). Soweit der Erblasser selbst nicht Eigentümer von Nachlaßgegenständen gewesen ist, können auch die Erben nicht Eigentümer werden (SZ 37/30). Im vorliegenden Fall wurde das Sparbuch nicht in die Abhandlung einbezogen und seine Verlassenschaftszugehörigkeit vom Abhandlungsgericht auch nicht festgestellt. Es liegt demgemäß auch kein abhandlungsbehördlicher Beschluß über die Verfügungsberechtigung vor. Es bedarf daher des Nachweises, daß der Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes die Forderung aus dem Sparbuch zustand. Da sich diese Frage nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilen läßt, bedarf es einer Verfahrensergänzung, wobei zunächst nach § 182 Abs 1 ZPO vorzugehen sein wird, zumal der Kläger immerhin die Auszahlung an einen Nichtberechtigten behauptet.

Anders als nach österreichischem Recht geht nach deutschem Recht das gesamte vererbliche Vermögen des Erblasser schon mit dem Erbfall ipso jure auf den Erben über (MünchKomm - Leipold RdNr. 1 f zu § 1942). Der Erbschein ist nur ein Zeugnis über das Erbrecht, das unabhängig von der Ausstellung eines Erbscheines ermittelt werden kann (MünchKomm - Plomberger RdNr 2 f zu § 2353). Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich, daß dem Kläger nach § 1422 dBGB die Erbenstellung nach seiner Mutter zukommt. Unter der Voraussetzung, daß der Mutter des Klägers nach dem oben Gesagten ein Ersatzanspruch gegen die beklagte Partei zustand, ist dieser auch auf den Kläger übergegangen.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

Anmerkung

E30242 7Ob586.92

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00586.92.0903.000

Dokumentnummer

JJT_19920903_OGH0002_0070OB00586_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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