TE OGH 1992/9/3 7Ob590/92

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Veröffentlicht am 03.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Egermann, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Nathalie R*****, vertreten durch Dr.Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Telfs, wider die beklagten Parteien 1. Jeanette H*****, vertreten durch Dr.Michael Goller, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2. Gemeinde S*****, vertreten durch Herbert Hillebrand und Dr.Walter Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 292.700,60 und Feststellung (Streitwert S 100.000) infolge Revision (Streitwert im Revisionsverfahren S 292.700,60) der zweitbeklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 30.April 1992, GZ 2 R 71/92-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6.Dezember 1991, GZ 9 Cg 151/91-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Zweitbeklagte ist Betreiberin des Schwimmbades in S*****. Die Erstbeklagte, eine Verkäuferin mit gastgewerblicher Berufserfahrung, pachtete in der Sommersaison 1989 erstmals das in diesem Bad gelegene Cafe von der Zweitbeklagten. Der Zweitbeklagten war damals bekannt, daß die Erstbeklagte keine Konzession für das Gast- und Schankgewerbe besitzt; die Erstbeklagte suchte damals jedoch bei der Gewerbebehörde um Nachsicht vom Erfordernis des Befähigungsnachweises für diesen Betrieb an, welche ihr auch erteilt wurde. In der Sommersaison 1990 pachtete die Erstbeklagte neuerlich - wieder mit mündlich geschlossenem Vertrag - dieses Schwimmbadcafe. Diesmal kam sie allerdings nicht um die Nachsicht vom Befähigungsnachweis ein, weshalb die Gewerbebehörde über sie auch eine Strafe verhängte.

In der - nicht für den Publikumsverkehr bestimmten, vom Buffetraum des Schwimmbadcafes durch einen Vorhang abgetrennten - Küche dieses Betriebes befand sich eine Geschirrspülmaschine, die insoweit nicht ordnungsgemäß funktionierte, als das Geschirrspülmittel nicht automatisch angesaugt wurde, sondern bei jedem Spülvorgang händisch eingegeben werden mußte. Die Erstbeklagte füllte deshalb regelmäßig das Spülmittel aus einem 40 l-Behälter in ein 1/2 l- Trinkglas mit der Aufschrift " Coca-Cola", um sich beim - im Stoßgeschäft häufig vorkommenden - Einfüllen des Geschirrspülmittels in die Maschine das Hantieren mit dem schweren Behälter zu ersparen. Das Glas mit dem Geschirrspülmittel stellte sie jeweils auf einen neben der Geschirrspülmaschine stehenden Tisch, in dem auch eine Abwäsche eingelassen war.

Am 18.8.1990 suchte die damals zweijährige Klägerin gemeinsam mit ihrer Mutter das Schwimmbadcafe auf. Die Klägerin spielte zunächst im Buffet mit einem Besen. Als ihre Mutter vom Buffetraum auf die Terrasse wechselte, ging die Klägerin zwar mit, kehrte dann aber in den Buffetraum zurück und begab sich anschließend unbemerkt in die Küche, wo sie das Glas mit dem Spülmittel bemerkte. Trotz ihrer geringen Körpergröße gelang es ihr, das Glas vom Tisch zu holen, wobei sie sich in den schmalen Spalt zwischen Geschirrspülmaschine und Spültisch zwängen mußte. Durch das Trinken des stark ätzenden Geschirrspülmittels erlitt die Klägerin schwerste Verletzungen in Speiseröhre und Magen.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zahlung von S 292.700,60 zur ungeteilten Hand für Schmerzengeld und den von der Krankenkasse nicht gedeckten Aufwand während der Heilbehandlung; weiters beantragt sie gegenüber beiden Beklagten die urteilsmäßige Feststellung, daß ihr beide Beklagte für alle künftigen Folgeschäden aus dem Vorfall vom 18.8.1990 haften. Die Erstbeklagte habe das Schwimmbadcafe "schwarz" gepachtet. Trotz Kenntnis der Gefährlichkeit des Geschirrspülmittels, über dessen stark ätzende Wirkung durch entsprechende Angaben auf dem Behälter sie aufgeklärt worden sei, habe sie dieses unzureichend verwahrt und vor Kindern, mit deren unbefugtem Erscheinen in der Küche sie habe rechnen müssen, in keiner Weise gesichert. Die Zweitbeklagte sei über den Defekt der Maschine informiert gewesen; dennoch habe sie sich geweigert, eine Reparatur zu veranlassen. Daher seien auch der Zweitbeklagten die gefährlichen Umstände bekannt gewesen. Es wäre Sache der Zweitbeklagten gewesen, für die Einhaltung der Schutzbestimmungen in dem Gewerbeobjekt, insbesondere betreffend die Sicherung von Maschinen und Geräten gemäß §§ 69 ff GewO, zu sorgen. Erst der Defekt der Maschine habe es mit sich gebracht, daß das Spülmittel von der Erstbeklagten unsachgemäß verwahrt worden sei. Die Beklagten hätten aber auch gegen die allgemein bestehenden Schutz- und Sorgfaltspflichten verstoßen. Im Bewußtsein ihrer Haftung habe die Zweitbeklagte an die Klägerin auch eine Teilzahlung von S 6.000 gezahlt.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Die Erstbeklagte trug vor, die Mutter der Klägerin treffe das Alleinverschulden an dem Unfall. Mit dem unbefugten Eindringen eines Kleinkindes in die Küche habe sie nicht rechnen müssen. Von dem Defekt der Geschirrspülmaschine habe sie die Zweitbeklagte unverzüglich verständigt. Diese habe die Erstbeklagte aber nur damit vertröstet, es sei kein Geld für eine Reparatur vorhanden. Für den ordnungsgemäßen Zustand der Geschirrspülmaschine sei aber die Zweitbeklagte verantwortlich gewesen. Die Zweitbeklagte berief sich darauf, der Betrieb und die Führung des Schwimmbadcafes seien allein Sache der Erstbeklagten gewesen sei. Dazu habe auch die Verpflichtung zur Wartung der vorhandenen Maschinen gehört. Auch für die ordnungsgemäße Verwahrung des Geschirrspülmittels sei die Erstbeklagten allein verantwortlich gewesen. Daß das Geschirrspülmittel händisch habe zugegeben werden müssen, sei nicht ungewöhnlich und könne keinerlei Haftung der Zweitbeklagten begründen. Die - aus sozialen Gründen vorgenommene - Zahlung von S 6.000 an die Klägerin sei ohne Anerkennung einer Haftung der Zweitbeklagten erfolgt.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Erstbeklagte treffe kein Verschulden an dem Unfall. Die Verpflichtung, für die gefahrlose Benützung von Räumlichkeiten einer Gastwirtschaft zu sorgen, umfasse nur die dem Publikumverkehr gewidmeten Räume. Zwar bestünden auch gegenüber unbefugten Personen Verkehrssicherungspflichten, wenn die Möglichkeit unbefugten Betretens von Räumen vorhersehbar ist. Die Erstbeklagte habe aber davon ausgehen dürfen, daß unbeaufsichtigte Kinder nur zu dem Zweck in die Küche kommen, um gegenüber dort anwesenden Personen Wünsche zu äußern, nicht aber damit rechnen müssen, daß diese die Küche auch dann betreten, wenn sich darin niemand aufhält. Die Zweitbeklagte treffe keine Haftung, weil ihr der Defekt an der Geschirrspülmaschine nicht bekannt gewesen sei. Für die gefahrlose Aufbewahrung eines Geschirrspülmittels sei sie als Verpächterin nicht verantwortlich.

Das Berufungsgericht sprach mit Teil- und Zwischenurteil aus, daß das Zahlungsbegehren gegen beide Beklagte dem Grunde nach zu Recht bestehe und die ordentliche Revision zulässig sei. Im übrigen hob es das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Dem Grunde nach sei die Haftung beider Beklagten für den in Geld erhobenen Schadenersatzanspruch zu bejahen. Die Erstbeklagte habe einen gefährlichen Stoff in einem Trinkgefäß aufbewahrt und damit gegen § 16 Abs 1 ChemikalienG verstoßen, welcher als Schutznorm zur Hintanhaltung von Verletzungen durch ätzende Stoffe zu verstehen sei. Außerdem habe sie ein konzessioniertes Gewerbe ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausgeübt und auch nicht die dafür bestehenden Voraussetzungen erfüllt; auch die Bestimmungen der Gewerbeordnung seien als Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB anzusehen. Sie treffe auch ein Verschulden, weil sie das Trinkgefäß mit dem Spülmittel nicht entsprechend vor Kindern abgesichert habe und in Kenntnis dieser Gefahr auch nicht gegen unbefugtes Betreten der Küche durch unbeaufsichtigte Kinder vorgebeugt habe. Daß die Klägerin unbeaufsichtigt in die Küche gelangen konnte, hätte die Erstbeklagte angesichts des Umstandes vorhersehen müssen, daß sie schon eine gewiße Zeit hindurch ohne Aufsicht im Gastraum gespielt hatte.

Aber auch die Zweitbeklagte habe den Schaden der Klägerin rechtswidrig und schuldhaft mitverursacht. Der Betrieb einer Küche sei insbesondere für Kinder mit Gefahren verbunden, die nur dann in Grenzen gehalten werden können, wenn alle der Unfallverhütung dienenden Vorschriften eingehalten werden. Auch mit Rücksicht auf die Belange der Unfallverhütung binde die Gewerbeordnung den Betrieb eines Gastgewerbes an die Erteilung einer Konzession und den dazu erforderlichen Befähigungsnachweis, welcher nur dann erlangt werden könne, wenn auch Kenntnisse über die Unfallverhütung nachgewiesen werden. Die Zweitbeklagte habe einen solchen Betrieb jemanden anvertraut, der nicht über die erforderliche Konzession verfügt habe. Damit habe sie ebenfalls Bestimmungen der Gewerbeordnung und damit ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB verletzt. Die "überschießende" Feststellung, daß der Zweitbeklagten das Fehlen der Konzession bekannt war, sei zu berücksichtigen gewesen, weil sie sich im Hinblick auf den in der Klage erhobenen Vorwurf der Verletzung "einschlägiger Schutzbestimmungen" im Rahmen des Vorbringens halte. Den Beweis, daß sich der Unfall auch bei Verpachtung des Betriebes an eine befähigte Person ereignet hätte, habe die Zweitbeklagte nicht angetreten. Vielmehr sei davon auszugehen, daß eine mit den Vorschriften der Unfallverhütung vertraute Person den Fehler, den die Erstbeklagte zu verantworten habe, nicht begangen hätte. Daß die Geschirrspülmaschine das Spülmittel nicht automatisch angesaugt habe, habe jedoch keine besondere Gefahrenquelle hergestellt. Das Verschulden der Mutter müsse sich die Klägerin nicht als Mitverschulden anrechnen lassen. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens erachtete das Berufungsgericht die Sache noch nicht für spruchreif.

Gegen das Teil- und Zwischenurteil erhebt nur die Zweitbeklagte Revision, welche nicht berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Mit der Behauptung, die Erstbeklagte habe das Schwimmbadcafe der Zweitbeklagten "schwarz" gepachtet, hat die Klägerin ein Vorbringen erstattet, mit dem auch der Zweitbeklagten ein der Gewerbeordnung nicht entsprechender Vorgang bei der Verpachtung zur Last gelegt wurde. Die Feststellung des Erstgerichtes, daß die Erstbeklagte keine Gewerbeberechtigung hatte und auch nicht über den erforderlichen Befähigungsnachweis verfügte, sind daher durch entsprechendes Parteienvorbringen gedeckt. Die Zweitbeklagte hat dieses Vorbringen im übrigen nicht bestritten. Das weitere Vorbringen in der Revision, es habe für das Schwimmbadcafe einen (anderen) Konzessionär gegeben, ist eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung. Der Vorwurf in der Mängelrüge, die "Konzessionsfrage" sei nicht ausreichend erörtert worden, trifft daher nicht zu.

Die Zweitbeklagte betreibt ein Schwimmbad und ist daher Vertragspartnerin ihrer Badegäste, sohin auch der Klägerin. Schon aufgrund dieses Badegastaufnahmevertrages war die Zweitbeklagte verpflichtet, sich für alle Einrichtungen ihres Bades nur geeigneter Personen zu bedienen. Zu den sich aus dem Vertrag ergebenden, gegenüber den Badegästen zu beobachtenden Pflichten der Zweitbeklagten hat es auch gehört, sich davon zu überzeugen, ob die Tätigkeit der Erstbeklagten in dem Schwimmbadcafe auch den Bestimmungen der Gewerbeordnung entspricht. Die Verletzung derartiger Schutz- und Sorgfaltspflichten macht gegenüber dem Vertragspartner schadensersatzpflichtig (Koziol-Welser9 I 195 f, 268 f). § 1298 ABGB ist auf solche positive Vertragsverletzungen anzuwenden. (Koziol-Welser aaO 270; JBl 1986, 107; JBl 1990, 723).

Die Ausübung des Gastgewerbes unterliegt gemäß § 189 Abs 1 GewO der Konzessionspflicht. Gerade auch im Hinblick auf das Interesse der Öffentlichkeit, daß nur jene Personen eine Konzession erlangen, die zuverlässig sind, in Verbindung mit dem Umstand, daß die Ausübung des Gastgewerbes unzuverlässigen Personen mannigfache Gelegenheiten zu gesetzwidrigem Verhalten, insbesondere Vergehen und Übertretungen gegen die Gesundheit, bietet, hat die Gewerbeordnung 1973 an dieser Konzessionspflicht festgehalten (EB abgedruckt bei Mache-Kinscher GewO5 492 Anm 1 zu § 189). Den Gegenstand der Konzessionsprüfung bilden daher gemäß § 2 Abs 6 Gastgewerbe-BefähigungsnachweisV auch Maßnahmen der Unfallverhütung. Grundsätzlich ist daher davon auszugehen, daß eine mit den Unfallverhütungsvorschriften vertraute Person nicht den Fehler gemacht hätte, ein ätzendes Mittel in einem Trinkglas ungesichert vor dem Zugriff Dritter in der Küche eines Gastgewerbebetriebes, wo auch mit dem unbefugten Eintreten von Gästen oder Kindern gerechnet werden muß, aufzubewahren. Der Schaden, den die Klägerin durch diese sorglose Aufbewahrung eines ätzenden Mittels erlitten hat, entspringt daher der Natur der von der Zweitbeklagten gesetzten Vertragsverletzung und ist nicht nur auf eine - bei der Beurteilung der Kausalität unbeachtliche (vgl hiezu Koziol-Welser aaO 443; Reischauer in Rummel, ABGB Rz 14 zu § 1295; ZVR 1982/95; JBl 1989, 175 uva) - gänzlich ungewöhnliche Verkettung von Umständen zurückzuführen. Daß der Schädiger aber den im Rechtwidrigkeitzusammenhang stehenden Schaden vorhersehen konnte, ist für diese Zurechenbarkeit nicht erforderlich (Reischauer aaO Rz 13 zu § 1295).

Bei einer Vertragsverletzung ergibt sich der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang aus den Interessen, die der Vertrag schützen sollte (Koziol, Haftpflichtrecht2 162; Reischauer aaO Rz 8 zu § 1295). Der Badegastaufnahmevertrag verpflichtete die Zweitbeklagte insbesondere auch dazu, ihre Gäste vor den Gefahren in allen Einrichtungen des Bades zu schützen, die durch unbefugte Ausübung eines darin betriebenen Gastgewerbes entstehen können. Aber auch die Bestimmungen über die Konzessionspflicht des Gastgewerbes suchen zufälligen Beschädigungen von Gasthausbesuchern vorzubeugen. Somit sind die Zurechnungskriterien der Rechtswidrigkeit und des Rechtswidrigkeitszusammenhanges zu bejahen.

Den ihr gemäß § 1298 ABGB obliegenden Beweis, daß ihr das Fehlen der Gewerbeberechtigung der Erstbeklagten nicht bekannt gewesen ist oder ihr hätte nicht bekannt sein müssen, hat die Zweitbeklagte gar nicht angetreten.

Somit liegen sämtliche Voraussetzungen für die Haftung der Zweitbeklagten dem Grunde nach vor. Ihrer Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E33213

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00590.92.0903.000

Dokumentnummer

JJT_19920903_OGH0002_0070OB00590_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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