Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Alexander S*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Ing.Franz S*****, gegen die Beschlüsse des Kreisgerichtes Wr.Neustadt als Rekursgericht vom 17.April 1991, GZ R 157/91-195, vom 25.April 1991, GZ R 172/91-196 und vom 3.Juni 1992, GZ R 178-180, 201/92-275 , mit denen über eine Reihe von Rekursen gegen Beschlüsse des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt im Pflegschaftsverfahren P 456/90 entschieden wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1. Die außerordentlichen Revisionsrekurse gegen die Beschlüsse R 157/91-195 und R 172/91-196 werden zurückgewiesen.
2. Der Revisionsrekurs gegen den Beschluß R 178-180, 201/92-278 wird, soweit er sich gegen die Bestätigung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt vom 16.April 1992, GZ P 456/90-270 (Auftrag an den Vater, seine Eingaben in Hinkunft von einem Rechtsanwalt verfassen und unterschreiben zu lassen) richtet, zurückgewiesen.
3. Der Akt wird an das Erstgericht zurückgeleitet. Zugleich wird Ing.Franz S***** eine Frist von 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung gesetzt, um den Revisionsrekurs von einem Rechtsanwalt verfassen und unterschreiben zu lassen.
Nach Verbesserung ist der Akt neuerlich vorzulegen.
Text
Begründung:
Die Eltern des mj. Alexander S*****, deren Ehe geschieden ist, vereinbarten mit Vergleich vom 11.8.1987, daß die elterlichen Rechte und Pflichten der Mutter zustehen. Dem Vater wurde mit Gerichtsbeschluß ein Besuchsrecht eingeräumt.
Nachdem die Mutter Kontakte mit der "Vereinigungskirche (Gemeinschaft vom Heiligen Geist für die Vereinigung der Weltchristenheit)", auch "Munsekte" oder "Moonsekte" genannt, aufgenommen hatte, beantragte der Vater, die Elternrechte ihm zu übertragen. Dieser Antrag wurde von dem damals zuständigen Bezirksgericht Innere Stadt Wien abgewiesen. In der Folge brachte der Vater eine große Zahl von Eingaben ein. In etlichen dieser Eingaben beantragt er neuerlich, ihm die Elternrechte zu übertragen, er begehrte auch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung in diesem Sinne. Mit einer beträchtlichen Anzahl von Eingaben wird die Ausdehnung des Besuchsrechtes begehrt. In zahlreichen Eingaben begehrt er, über die Mutter Beugestrafen wegen Vereitelung des Besuchsrechtes zu verhängen, in einer Reihe weiterer Eingaben fordert er, der Mutter den Reisepaß des Minderjährigen abzunehmen. Überdies stellte er in einer größeren Zahl weiterer Eingaben verschiedenste Anträge, so etwa, ihm den Reisepaß des Minderjährigen auszufolgen, eine gerichtliche Verfügung zu erlassen, um zu verhindern, daß der Minderjährige in einer "Nacht- und Nebelaktion" außer Landes geschafft werde, das Gericht möge Mittel und Wege finden, sein Kind ehebaldigst aus Polen (wo es sich während der Ferien bei seinem Großvater aufhielt) wieder zurückzuschaffen, dem Vater ein Gutachten zu übersenden, ein Protokoll der Mutter abzuweisen und ein anderes Protokoll zurückzuweisen. Wegen beleidigenden Inhaltes von Eingaben verhängte das Erstgericht wiederholt Ordnungsstrafen gegen den Vater, zuletzt in der Höhe von S 20.000,--.
Mit dem Beschluß vom 11.3.1991, ON 185, verfügte das Erstgericht eine Änderung der Besuchsrechtsregelung, mit dem Beschluß vom 27.3.1991, ON 188, verhängte das Erstgericht über den Vater eine Ordnungsstrafe von S 5.000,--.
Den gegen diese Beschlüsse erhobenen Rekursen gab das Rekursgericht mit den Beschüssen vom 17.4.1991, ON 195, und vom 25.4.1991, ON 196, nicht Folge. Der Revisionsrekurs wurde für nicht zulässig erklärt.
Gegen diese Beschlüsse des Rekursgerichtes brachte der Vater beim Oberlandesgericht Wien ein als Beschwerde/Einspruch bezeichnetes Schriftstück ein. Diese Eingabe, bei der aus dem Akt nicht entnommen werden kann, wann sie beim Erstgericht einlangte, ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln, sie wurde dem Obersten Gerichtshof erst jetzt vorgelegt.
Mit dem Beschluß vom 14.3.1992, ON 266, entschied das Erstgericht über eine große Zahl noch offener Anträge des Vaters. Unter anderem wurde sein Antrag, ihm die Elternrechte zu übertragen, abgewiesen, ebenso eine große Zahl weiterer Anträge, ein Teil der Anträge wurde zurückgewiesen. Außerdem erteilte das Erstgericht mit diesem Beschluß der Mutter wegen Nichtgewährung des Besuchsrechtes an drei Tagen einen Verweis.
Mit Punkt 2. des Beschlusses vom 16.4.1992, ON 270, wies das Erstgericht den Vater gemäß § 5 AußStrG an, seine Eingaben in Hinkunft von einem Rechtsanwalt verfassen und unterschreiben zu lassen. Es führte aus, ein derartiger Auftrag sei vor allem auch dann möglich, wenn durch die Eingabe einer Partei eine wesentliche Verzögerung und Erschwerung des Verfahrens eintrete. Schutzzweck dieser Vorschrift sei es, ein Gerichtsverfahren in geordnetem, von den Verfahrensgesetzen vorgesehenen Rahmen möglichst rasch und zweckentsprechend ablaufen zu lassen, ohne es durch fehlerhafte, nicht sachbezogene oder überflüssige Eingaben zu belasten. Unter den von Ing. Franz S***** wahllos und flutartig einlangenden Eingaben fänden sich nicht bloß sachlich wenig zielführende und vielfach in ungehöriger Form ausgeführte beleidigende, sondern auch in erheblichem Maß unzulässige Eingaben. So hätten allein im Beschluß vom 14.3.1992 20 Anträge als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Der Vater erhebe unzulässige Rechtsmittel und bringe teilweise unklar formulierte Eingaben ein. Dadurch werde eine rasche, ökonomische und zweckentsprechende Arbeit erheblich erschwert.
Das Rekursgericht entschied mit seiner Entscheidung ON 278 über die Rekurse des Vaters gegen die Beschlüsse ON 266 und 270 sowie gegen weitere Beschlüsse des Erstgerichtes. Unter anderem wurde dem Rekurs gegen den Beschluß ON 270 (Anweisung an den Vater, seine Eingaben in Hinkunft von einem Rechtsanwalt verfassen und unterfertigen zu lassen) nicht Folge gegeben. Dem Rekurs gegen den Beschluß ON 266 gab das Rekursgericht teilweise dahin Folge, daß die Entscheidung über den Antrag auf Übertragung der Obsorge, aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen wurde, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. In diesen beiden Punkten wurde der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erklärt. Im übrigen wurde den Rekursen nicht Folge gegeben, teilweise wurden sie auch zurückgewiesen. In allen diesen Fällen wurde der ordentliche Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt.
Zum Rekurs gegen den Beschluß ON 270 führte das Rekursgericht aus, der Vater habe im Laufe des Verfahrens eine wahre Vielzahl von Eingaben eingebracht; 34 allein in den letzten 12 Monaten vor Erlassung des Beschlusses des Erstgerichtes. Diese Eingaben hätten zu einer ungeheuren Verkomplizierung und Erschwerung des Verfahrens und zu unnötigen - vom Vater dafür aber umso heftiger beklagten - Verfahrensverzögerungen geführt. Daß einzelne dieser Anträge des Vaters deshalb erfolglos geblieben bzw. zurückgewiesen worden seien, weil sie nicht mehr rechtzeitig vor dem von ihnen betroffenen Terminen erledigt werden konnten, sei richtig. Die weitaus überwiegende Zahl der zahlreichen als unzulässig erkannten Eingaben des Rekurswerbers sei aber aus anderen Gründen unzulässig, nämlich wegen ihres Inhaltes. Anträge auf "Abweisung des Protokolles der Kindesmutter", auf "Zurückweisung des Protokolles vom 17.5.1991" oder als Antrag bezeichnete Eingaben, die aber keinen Antrag enthielten, könnten zur Durchsetzung der Interessen des Vaters nichts beitragen, sie sorgten aber für völlig überflüssigen Verfahrensaufwand. Auch die ständige Wiederholung bereits gestellter Anträge könne die Interessen des Vaters nicht fördern, wohl aber den zur Bearbeitung des Aktes erforderlichen Arbeitsaufwand beträchtlich steigern. Auch die Tatsache, daß die Eingaben des Vaters zu einem erheblichen Teil aus indiskutablen Beschimpfungen bestünden, habe das Verfahren erheblich verzögert, und zwar schon allein durch die Tatsache, daß schon mehrmals Ordnungsstrafen verhängt worden seien, die wiederum Rechtsmittelverfahren nach sich gezogen hätten. Dem Erstgericht sei daher beizupflichten, daß Anzahl und vor allem Inhalt der zahlreichen Eingaben des Vaters eine wesentliche Erschwerung, aber auch eine Verzögerung des Verfahrens zur Folge gehabt habe. Um diesen Mißstand zu verhindern, nicht zuletzt aber auch deshalb, um die Partei selbst vor Schaden zu bewahren (Verfahrensverzögerung, Ordnungsstrafen) gebe § 5 AußStrG die Möglichkeit, der Partei aufzutragen, sich von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der vom Vater eingebrachte "Antrag auf außerordentlichen Revisionsrekurs", in welchem auch die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt wird.
Das Erstgericht bewilligte dem Vater die Verfahrenshilfe, zu seinem Vertreter wurde Dr.Georg Schober, Rechtsanwalt in Wr.Neustadt, bestellt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zu den außerordentlichen Revisionsrekursen gegen die Beschlüsse vom 17.4.1991, ON 195, und vom 25.4.1991, ON 196:
Diese Rechtsmittel sind mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs.1 AußStrG zurückzuweisen (§ 16 Abs.3 AußStrG iVm § 510 Abs.3 ZPO). Auf die Frage der Rechtzeitigkeit dieser Revisionsrekurse braucht daher nicht eingegangen zu werden.
2. Zum Revisionsrekurs gegen die Bestätigung des Punktes 2 des Beschlusses vom 16.4.1992, ON 270:
Soweit sich der Vater gegen den Auftrag, seine Eingaben in Hinkunft von einem Rechtsanwalt verfassen und unterfertigen zu lassen, richtet, hindert der Umstand, daß das Rechtsmittel vom Vater selbst verfaßt und unterschrieben wurde, seine Behandlung nicht. Der Revisionsrekurs ist jedoch trotz des Ausspruches des Rekursgerichtes in diesem Umfang unzulässig.
Nach § 5 zweiter Satz AußStrG können die Gerichte Parteien, von welchen sie zu wiederholten Malen mit fehlerhaften oder unzulässigen Gesuchen behelligt werden, wenn im Gerichtsorte Rechtsanwälte bestehen, verhalten, ihre Eingaben von einem Rechtsanwalt verfassen und unterschreiben zu lassen. Daß der Vater wiederholt derartige "Gesuche" einbrachte, kann nicht zweifelhaft sein (zB Anträge, Protokolle zurückzuweisen oder abzuweisen, der Richter möge sich in seinem Kalender für jedes Jahr markieren und amtlich festhalten, daß Weihnachten vom 23. bis 26.Dezember sei, unzulässige Rechtsmittel, Eingaben, mit denen immer wieder dieselben Anträge gestellt werden und Schriftsätze, deren hauptsächlicher Inhalt in Beschimpfungen und Beleidigungen der Richter besteht). Die Frage, ob wegen dieser Eingaben von der "Kannbestimmung" des § 5 zweiter Satz AußStrG Gebrauch zu machen ist, betrifft den Einzelfall, es handelt sich um keine bedeutsame Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs.1 AußStrG. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Revisionsrekurses liegen daher nicht vor, zumal sich der Oberste Gerichtshof schon wiederholt mit der Anwendung des § 5 zweiter Satz AußStrG beschäftigte (SZ 44/55; EvBl. 1973/283; 1 Ob 794/79; 5 Ob 620/83; 8 Ob 525/83 ua). Durch den Auftrag, Eingaben von einem Rechtsanwalt verfassen und unterschreiben zu lassen, werden die Rechte des Vaters auch nicht geschmälert, da für ihn im Rahmen der Verfahrenshilfe ohnedies ein Rechtsanwalt bestellt wurde. Durch den Auftrag ist nicht nur eine Entlastung des Gerichtes zu erwarten (vgl. EvBl. 1973/283; 1 Ob 794/79 ua), sondern er dient auch dem Wohl des Minderjährigen und dem Interesse des Vaters, weil durch Zahl und Inhalt der von diesem eingebrachten Eingaben die Entscheidung, ob eine Änderung hinsichtlich des Sorgerechtes aus Gründen des Wohles des Minderjährigen vorzunehmen ist, immer wieder verzögert wurde.
3. Zum übrigen Inhalt des Revisionsrekurses:
Aufgrund des Auftrages, Eingaben von einem Rechtsanwalt verfassen und unterschreiben zu lassen, bedarf der Revisionsrekurs dieser Form. Dies rechtfertigt allerdings noch nicht die Zurückweisung des Rechtsmittels, vielmehr ist dem Vater Gelegenheit zu geben, das Formgebrechen zu beheben. Aus diesem Grund war der Akt an das Erstgericht zurückzuleiten und dem Vater eine Frist von 14 Tagen zur Verbesserung einzuräumen (vgl. EvBl. 1967/293).
Anmerkung
E30733European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00574.92.0909.000Dokumentnummer
JJT_19920909_OGH0002_0020OB00574_9200000_000