TE OGH 1992/9/9 2Ob38/92

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Veröffentlicht am 09.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernest S***** **********, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei *****versicherungs*****, vertreten durch Dr. R. Kaan, Dr. H.Cronenberg, Dr.H.Radl, Dr.St.Moser, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 54.000,-- sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10.Oktober 1991, GZ 1 R 177/91-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10.April 1991, GZ 16 Cg 353/89-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die in ihrem rechtskräftig erledigten Teil unberührt bleiben, werden im übrigen und im Kostenpunkt abgeändert. Das Klagebegehren auf Bezahlung von S 54.000,-- samt 4 % Zinsen ab 15.4.1989 wird abgewiesen und der Kläger schuldig erkannt, der beklagten Partei an Verfahrenskosten S 15.588,64 (darin S 10.000,-- an Barauslagen und S 931,44 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen; die beklagte Partei hat jedoch 8/13 der Gerichtsgebühren des Verfahrens 1.Instanz zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 9.10.1988 bei einem von Josef T***** als Lenker des bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW VW Golf verschuldeten Verkehrsunfall verletzt. Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 26.1.1989, 12 EVr 2756/88, wurde Josef T***** wegen der fahrlässigen Herbeiführung dieser Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4, 2.Deliktsfall StGB rechtskräftig verurteilt. Mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Feldbach vom 13.2.1989, E 1484/89, wurde dem Vinzenz F***** als betreibendem Gläubiger gegen den Kläger als Verpflichteten zur Hereinbringung rechtskräftiger und vollstreckbarer Forderungen unter anderem die Pfändung und Überweisung der diesem gegen die beklagte Partei als Haftpflichtversicherer des Unfallsfahrzeuges auf Grund des Schadensereignisses vom 9.10.1988 zustehenden Anspruches auf Schadenersatz von S 70.000,-- mehr oder weniger als Drittschuldnerin bewilligt und dem Verpflichteten jede Verfügung hierüber untersagt. Dieser Beschluß wurde der beklagten Partei am 27.2.1989, dem Verpflichteten anläßlich eines Vollzugsversuches am 20.3.1989 zugestellt; er erwuchs in Rechtskraft. Eine Einstellung der Exekution erfolgte nicht. In der ihr aufgetragenen Drittschuldneräußerung anerkannte die beklagte Partei am 1.3.1989 die behauptete Schadenersatzforderung und ihre Zahlungsbereitschaft; die Höhe der Forderung wurde jedoch als noch nicht bekannt bezeichnet.

Am 13.4.1989 brachte Vinzenz F***** beim Landesgericht für ZRS Graz zu 25 Cg 152/89 gegen die beklagte Partei die Drittschuldnerklage über S 52.862,38 sA ein. Diese Klage wurde der beklagten Partei am 24.4.1989 zugestellt. Eine Klagebeantwortung wurde nicht erstattet. In der Klage schlüsselte der Überweisungsgläubiger seine Forderung gegen den Verpflichteten mit insgesamt S 52.862,31 samt 12 % Zinsen seit 10.2.1984 auf. Die Schadenersatzforderungen des Verpflichteten gegen die Drittschuldnerin wurden nicht spezifiziert, doch wurde dargestellt, daß der Verpflichtete beim Schadensereignis schwere Verletzungen, nämlich einen Verrenkungsbruch der Halswirbelsäule erlitten habe.

Mit der am 17.11.1989 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für Dauerfolgen aus dem Unfall und die Zahlung eines Schmerzengeldes von S 54.000,-. Er begründete sein Begehren damit, daß die beklagte Partei den Großteil seiner Ansprüche auf Grund einer unzulässigen Forderungsexekution an einen Dritten bezahlt habe. Zum Zeitpunkt der Zahlung von S 57.932,-- habe zwischen den Streitteilen kein Einvernehmen über die Höhe des Schmerzengeldes bestanden. Der Kläger habe erst mit dem Schreiben vom 30.3.1989 eine Schmerzengeldforderung von S 150.000,-- erhoben und mit 14.4.1989 fälliggestellt. Erst am 5.5.1989 sei seinem rechtsfreundlichen Vertreter das der Schmerzengeldbemessung zugrundezulegende, mit der beklagten Partei vereinbarte medizinische Sachverständigengutachten zugegangen. Die Exekutionsbewilligung sei nicht spezifiziert gewesen und könne sich gemäß § 291 EO nicht auf das damals noch nicht geltend gemachte Schmerzengeldbegehren des Klägers beziehen. Den Drittschuldnerprozeß hätte die beklagte Partei gewonnen. Die Exekutionsbewilligung beziehe sich nicht auf seinen Schmerzengeldanspruch.

Die beklagte Partei wandte dem noch relevanten Leistungsbegehren gegenüber im wesentlichen ein, daß sie zufolge des vom Kläger unbekämpft gelassenen und in Rechtskraft erwachsenen Exekutionsbewilligungsbeschlusses an den Kläger nicht habe leisten dürfen. Sie sei zur Rekurserhebung nicht verpflichtet gewesen, und habe mit schuldbefreiender Wirkung den Betrag von S 57.932,-- an den Überweisungsgläubiger Vinzenz F***** bezahlt. Die Beklagte habe als Drittschuldnerin dem Überweisungsgläubiger im Drittschuldnerprozeß die Unzulässigkeit der Exekutionsführung nicht einwenden können. Da der Bestand der Forderung des Klägers dem Grunde nach, nicht aber der Höhe nach unstrittig gewesen sei, sei ein Einlassen in diesen Prozeß aussichtslos gewesen. Die nochmalige Geltendmachung der von der beklagten Partei schon dem Überweisungsgläubiger bezahlten, gegen den Kläger bestehenden Forderung widerspreche Treu und Glauben und verstoße gegen die guten Sitten. Unter die gepfändeten Schadenersatzansprüche falle auch das Schmerzengeld. Selbst wenn die Exekutionsbewilligung gegen § 291 EO verstoße, bewirke sie doch keine Nichtigkeit. Nur diese machte aber die Zahlung unzulässig. Die Pfändungswirkung bleibe bis zur Aufhebung oder Einstellung der Exekution bestehen.

Das Erstgericht stellte die Haftung der beklagten Partei im Rahmen der vereinbarten Haftpflichtgrenzen fest und verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung eines Schmerzengeldbetrages von S 54.000,--; ein Mehrbegehren von S 10.000,-- wies es ab. Es führte aus, nicht feststellen zu können, wann, ob und in welchem Umfang die beklagte Partei Zahlungen an den Überweisungsempfänger erbracht habe; der erst mit dem Verlangen entstehende Schmerzengeldanspruch sei daher nicht pfändbar gewesen. Die Bindung an die Exekutionsbewilligung habe demnach hiefür nicht bestanden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu. Es vertrat die Auffassung, daß die Pfändbarkeit künftiger Forderungen an sich zwar zulässig sei, aber voraussetze, daß die in Exekution gezogene Forderung im Zeitpunkt der Pfändung existent ist. Der Schmerzengeldanspruch entstehe aber nicht schon mit dem schädigenden Ereignis, sondern erst mit seiner Geltendmachung. Daß eine Geldforderung schon existent ist, müsse der betreibende Gläubiger in seinem Exekutionsantrag nicht behaupten und auch das Exekutionsgericht müsse dies nicht prüfen. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, gehe aber die dessen ungeachtet bewilligte Exekution "ins Leere". Die solcherart bewilligte, an sich unzulässige Exekution sei für die beklagte Partei wirksam geblieben, zumal der Kläger ein Rechtsmittel nicht ergriffen und eine Einstellung der Exekution nicht erwirkt hatte und die beklagte Partei zwar zur Erhebung eines Rekurses berechtigt, aber nicht verpflichtet war. Hier gehe es aber nicht um eine allfällig unzulässige, sondern um die mangels Existenz der Schmerzengeldforderung ins Leere gegangene Exekution des Überweisungsgläubigers. Habe die Forderung des Verpflichteten zum Zeitpunkt der Zustellung der Zahlungsbewilligung nicht bestanden, dürfte der Drittschuldner dem Überweisungsgläubiger auch keine Zahlung leisten. Einen Beweis für die Zahlung habe die beklagte Partei in der Berufungsverhandlung allerdings erbracht.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die ao. Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, diese zuzulassen und das Begehren auf Bezahlung von S 54.000,-- sA abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, deren Erstattung ihm anheimgestellt worden war, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die ao. Revision ist zulässig und berechtigt.

Auszugehen ist davon, daß der Drittschuldner weder berechtigt noch verpflichtet ist, rechtskräftige Gerichtsbeschlüsse zu überprüfen. Mängel der Pfändung beeinträchtigen die Wirkung der Zahlung nicht (Heller-Berger-Stix 2244). Bevor eine Einstellung der Exekution erfolgt, gelten die Pfändung und die Überweisung für den Drittschuldner als aufrecht. Solange Zahlungsverbot und Überweisungsbeschluß wirksam bestehen, muß der Drittschuldner dem Überweisungsgläubiger zahlen (Heller-Berger-Stix 2231). Hat der Drittschuldner auf Grund des Überweisungsbeschlusses den betreibenden Gläubiger befriedigt, so kann der Verpflichtete den Betrag von ihm nicht noch einmal verlangen, "weil die Exekution etwa unstatthaft sei" (Heller-Berger-Stix 2099; 3 Ob 83/91), denn durch die Zahlung des Drittschuldners wird die Forderung des betreibenden Gläubigers bis zur Höhe des ihm nach Maßgabe seines Pfandrechtes gebührenden Betrages getilgt (§ 312 Abs 1 EO, siehe auch Petschek, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen nach österreichischem Recht, 124); der Drittschuldner wird nach dem Verhältnis der von ihm an den betreibenden Gläubiger, welchem die Forderung zur Einziehung überwiesen wurde, geleisteten Zahlung von seiner Verbindlichkeit befreit (§ 313 Abs 1 EO; Heller-Berger-Stix 2244), dies gilt selbst dann, wenn mehr überwiesen wurde, als der betreibende Gläubiger vom Verpflichteten verlangen kann (Heller-Berger-Stix, 2245).

Im vorliegenden Fall stand von Anfang an fest, daß der Kläger eine schwere Unfallverletzung erlitten hatte, für die die beklagte Partei als Haftpflichtversicherer einstehen mußte. Es konnte daher von ihr nicht erwartet werden, daß sie entgegen dem rechtskräftigen Exekutions- und Überweisungsbeschluß die Schmerzengeldforderung des Klägers in Abrede stellen sollte; vielmehr wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, die Exekution als unstatthaft zu bekämpfen (Heller-Berger-Stix, 2099). Da er dies unterließ, vielmehr in späterer Folge sogar eine wesentlich höhere Schmerzengeldforderung an die beklagte Partei stellte, kann er nicht im Nachhinein behauptete Mängel der Exekution der beklagten Partei anlasten, da er sonst einerseits im Umfang der von dieser als Drittschuldnerin geleisteten Zahlung von einer gegenüber seinem betreibenden Gläubiger bestehenden Schuld befreit wäre und andererseits die gleiche Leistung noch einmal erhalten würde. Die gegenteiligen Ausführungen des Klägers in seiner Revisionsbeantwortung sind nicht stichhältig.

Der ao Revision war somit Folge zu geben und das restliche Klagebegehren auf Bezahlung von S 54.000,-- sA abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 43 Abs 1, 50 und 70 ZPO.

Anmerkung

E30591

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00038.92.0909.000

Dokumentnummer

JJT_19920909_OGH0002_0020OB00038_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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