Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Helmut A***** W*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Mag.Alexander W*****, vertreten durch Dr.Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 9.April 1992, GZ 18 R 819, 820/91-55, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Linz vom 11.November 1991, GZ 1 P 188/87, ON 48 und 49, bestätigt wurden, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung des Beschlusses des Erstgerichtes ON 48 richtet, nicht Folge gegeben.
Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung des Beschlusses des Erstgerichtes ON 49 richtet, wird er zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Eltern des minderjährigen Helmut ***** W***** schlossen anläßlich der im Einvernehmen erfolgten Ehescheidung am 8.4.1987 einen Vergleich, nach welchem die elterlichen Rechte der Mutter zustehen. Das Besuchsrecht zum Minderjährigen wurde in der Form vereinbart, daß der Vater berechtigt ist, seinen minderjährigen Sohn an jedem 1. und 3. Samstag und Sonntag im Monat jeweils in der Zeit von Samstag 9 Uhr bis 19 Uhr und Sonntag 9 Uhr bis 19 Uhr zu sich zu nehmen. Sollte sich aus Gründen beim Vater eine Verschiebung dieser Wochenenden ergeben, so ist der Vater verpflichtet, dies der Mutter drei Wochen im voraus anzuzeigen. Eine Entscheidung darüber, ob dieser Vergleich pflegschaftsgerichtlich genehmigt werde, erfolgte nicht.
Nachdem der Vater anläßlich eines das Besuchsrecht betreffenden Antrages darüber belehrt worden war, daß der Vergleich nicht pflegschaftsbehördlich genehmigt wurde, beantragte er am 17.1.1991 diese Genehmigung (ON 39). Die Mutter sprach sich gegen eine Genehmigung aus. Mit den Anträgen vom 23.9.1991, ON 42 und 8.10.1991, ON 44, begehrte der Vater die Verhängung von Ordnungsstrafen gegen die Mutter gem § 19 AußStrG wegen Verletzung der Besuchsrechtsvereinbarung.
Mit dem Beschluß ON 48 wies das Erstgericht die Anträge auf Verhängung von Ordnungsstrafen mit der Begründung zurück, mangels Genehmigung des Vergleiches liege kein gültiges Besuchsrecht vor, die Mutter habe keine Verfügung des Gerichtes unbefolgt gelassen. Mit dem Beschluß ON 49 genehmigte das Erstgericht den anläßlich der Ehescheidung geschlossenen Vergleich mit Ausnahme der dem Vater eingeräumten Möglichkeit der Verschiebung des Besuchsrechtes auf ein anderes Wochenende. Das Erstgericht vertrat die Ansicht, eine im Ermessen des Vaters stehende Verschiebungsmöglichkeit entspreche nicht dem Kindeswohl. Sowohl die Mutter als auch der Minderjährige müßten die Möglichkeit haben, sich auf das Besuchsrecht einzustellen, Verschiebungen des Besuchsrechtes könnten zu Unsicherheiten beim Minderjährigen führen und seine Beziehung zur Mutter stören.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters gegen den Beschluß ON 48 und gegen den Beschluß ON 49, soweit mit diesem dem Vergleich die Genehmigung teilweise versagt wurde, nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, Voraussetzung für die Wirksamkeit einer im Scheidungsvergleich getroffenen Besuchsrechtsregelung sei die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung. Unterschiedlich beurteilt werd allerdings die Frage, ob ein vor dem funktionell zuständigen Pflegschaftsrichter abgeschlossenen Scheidungsvergleich auch schon die erforderliche pflegschaftsbehördliche Genehmigung beinhalte (das Rekursgericht zitiert für beide Ansichten eine Reihe von Entscheidungen von Gerichten zweiter Instanz). Der Oberste Gerichtshof habe in EFSlg 29.289 ausgesprochen, daß die Beurkundung des Vergleiches durch den für den Vergleichsgegenstand funktionell zuständigen Pflegschaftsrichter auch die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung enthalte. Dagegen sei der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung JBl 1992, 175 (= EvBl 1991/99 = ÖA 1991, 54) davon ausgegangen, daß die Frage der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des Scheidungsvergleiches im Scheidungsverfahren nicht zu lösen sei. Das Rekursgericht schließe sich dieser zuletzt angeführten Ansicht an, weil das Gericht im Scheidungsverfahren keine Möglichkeit habe, die Aufnahme eines Vergleiches zu verweigern und da nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine schlüssige pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nicht möglich sei. Da der Vergleich nicht genehmigt worden sei, liege keine wirksame Besuchsrechtsregelung vor, weshalb ein rechtlich bedeutsames Zuwiderhandeln nicht denkbar und die Verhängung von Zwangsmaßnahmen gem § 19 AußStG unzulässig sei. Daher habe das Erstgericht über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Ehescheidungsvergleiches zu entscheiden gehabt, wobei es die Möglichkeit gehabt habe, die Besuchsrechtsvereinbarung zu genehmigen oder ihr die Genehmigung zu versagen. Eine teilweise Genehmigung der Vereinbarung sei nicht zulässig, doch sei diese in Rechtskraft erwachsen, weshalb eine Sanierung durch das Rekursgericht nicht möglich sei. Es sei daher lediglich zu prüfen, ob die Vereinbarung einer Verschiebungsmöglichkeit zu genehmigen sei oder nicht. Bei der Besuchsrechtsregelung sei in erster Linie das Wohl des Kindes zu berücksichtigen. Zum Grundsatz des Kindeswohles gehöre Kontinuität, Regelmäßigkeit und zeitliche Einordnungsmöglichkeit des Kontaktes zum anderen Elternteil. Der Vergleich sei hinsichtlich der Verschiebungsmöglichkeit ziemlich unbestimmt und lasse nicht erkennen, welche Wochenenden als Ersatz festzulegen seien, auch gehe aus dem Wortlaut nicht deutlich hervor, wer überhaupt die Ersatzwochenenden festsetzen könne. Eine regelmäßige und kontinuierliche Ausübung des Besuchsrechtes erscheine jedenfalls durch die getroffene Regelung nicht gewährleistet. Diese entspreche daher nicht dem Kindeswohl.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Vater gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobenen Revisionsrekurs ist nur insofern zulässig, als er den Antrag auf Verhängung von Ordnungsstrafen trifft, er ist aber auch in diesem Umfang berechtigt.
Der Rechtsmittelwerber führt aus, dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, daß eine Besuchsrechtsregelung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfe. Jedenfalls sei aber durch die Protokollierung des Scheidungsvergleiches durch den funktionell zuständigen Pflegschaftsrichter auch die pflegschaftsbehördliche Genehmigung gegeben. Die Ansicht des Rekursgerichtes könne nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen. Die umfassenden Zuständigkeiten des Bezirksgerichtes im Bereich sämtlicher familienrechtlicher Angelegenheiten habe es dem Richter ermöglichen sollen, jeweils die familiären Beziehungen im gesamten Umfang in seine Beurteilung einbeziehen zu können. Dies gelte auch für den Fall der Auflösung der Ehe und die damit im Zusammenhang stehenden Rechtsfolgen. Im Rahmen seiner Manuduktionspflicht habe der funktionell zuständige Pflegschaftsrichter anläßlich der Protokollierung des Scheidungsvergleiches entsprechende Einwände gegen eine allenfalls gegen das Wohl des Kindes verstoßende Besuchsrechtsregelung zu erheben und darauf einzuwirken, daß eine den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Vereinbarung geschlossen werde. Unabhängig von der Genehmigungspflicht durch das Pflegschaftsgericht stelle die protokollierte Vereinbarung über das Besuchsrecht zwischen den Eltern eine gerichtliche Anordnung dar, welche eine ausreichende Rechtsgrundlage für Ordnungsstrafen gem § 19 AußStrG bilde. Unrichtig sei auch die Ansicht des Rekursgerichtes, die Möglichkeit, das Besuchsrecht zu verschieben, widerspreche dem Kindeswohl. Da der Vater die Verschiebung drei Wochen vorher bekanntgeben müsse, könnten sich der Minderjährige und die Mutter darauf einstellen. Ein intensiver Vater-Sohn-Kontakt sei wichtiger als ein genau planbarer Ablauf des Besuchsrechtes. Auch der Einwand der mangelnden Exekutierbarkeit sei nicht berechtigt, da dies eine Vielzahl von Scheidungsvergleichen betreffen würde, in denen das Besuchsrecht dem Einvernehmen der Eltern vorbehalten bleibe.
Den Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:
Gem § 148 Abs 1 ABGB hat der Elternteil, dem nicht die Pflege und Erziehung des minderjährigen Kindes zustehen, das Recht, mit dem Kind persönlich zu verkehren. Das Gericht hat auf Antrag die Ausübung dieses Rechtes in einer dem Wohl des Kindes gemäßen Weise zu regeln. Die Besuchsrechtsausübung setzt somit nicht unbedingt eine gerichtliche Entscheidung voraus, die Eltern können die Ausübung dieses Rechtes auch einvernehmlich regeln (Koziol-Welser9 II 259). Eine derartige einvernehmliche Gestaltung des Besuchsrechtes ist jedoch unverbindlich, zur Verbindlichkeit der Vereinbarung bedarf es der Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht (vgl Pichler in Rummel2, Rz 2 zu § 148; vgl auch die Ausführungen von Schwimann in Schwimann, ABGB, Rz 9 zu § 55a, Mänhardt in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsform 1977/1978, 133 und Aicher in FamRZ 1980, 430, daß für alle im § 55a Abs 2 EheG angeführten, die Kinder betreffenden Angelegenheiten, die pflegschaftsbehördliche Genehmigung erforderlich ist). Erst die Genehmigung durch das Gericht, das bei seiner Entscheidung auf das Wohl des Kindes Bedacht zu nehmen hat, bindet die Eltern an die geschlossene Vereinbarung. Nur bei einem Verstoß gegen eine gerichtliche genehmigte Vereinbarung ist die Anwendung von Zwangsmitteln im Sinne des § 19 Abs 1 AußStrG zulässig (vgl Heller-Berger-Stix 81; EvBl 1969/267; SZ 55/141).
Zu prüfen ist daher, ob darin, daß das Erstgericht im außerstreitigen Ehescheidungsverfahren den Vergleich protokollierte, die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung liegt. Der Entscheidung EFSlg
29.289 lag insofern ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde, als dort die Eltern im Pflegschaftsverfahren einen Vergleich über den dem Kind zu leistenden Unterhalt schlossen. Im vorliegenden Fall erfolgte der Vergleichsabschluß aber nicht im Pflegschaftsverfahren, sondern die Eltern schlossen im Ehescheidungsverfahren einen Vergleich, der nach § 55a EheG Voraussetzung für eine Ehescheidung im Einvernehmen ist (vgl Stabentheiner, Scheidungsvergleich und pflegschaftsgerichtliche Genehmigung, RZ 1991, 250 ff). Gemäß § 55a Abs 3 EheG ist für den Ausspruch der Scheidung nicht zu beachten, daß die für eine Vereinbarung allenfalls erforderliche gerichtliche Genehmigung noch nicht vorliegt. Die Frage der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des Vergleiches ist somit nicht im Scheidungsverfahren zu lösen (vgl Schwind, Eherecht2 239; Aicher aaO; Stabentheiner aaO; Schwimann in Schwimann, ABGB, Rz 11 zu § 55a EheG; JBl 1992, 175). Die Protokollierung eines Vergleiches in diesem Verfahren kann daher die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nicht ersetzen.
Aus diesen Gründen ist die Anwendung von Zwangsmaßnahmen im Sinne des § 19 AußStrG wegen Verweigerung des Besuchsrechtes nicht zulässig. Insofern war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Der Frage, ob die Vereinbarung der Eltern über die dem Vater eingeräumte Möglichkeit, das Besuchsrecht zu verschieben, pflegschaftsbehördlich zu genehmigen ist, kommt keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zu, diese Frage betrifft nur den Einzelfall. Da erhebliche Rechtsfragen bei zufälliger Verbindung mehrerer Entscheidungen für jede einzelne Entscheidung gegeben sein müssen (Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der erweiterten Wertgrenzennovelle 1989, ÖJZ 1989, 752), ist der Revisionsrekurs, soweit er sich gegen die Bestätigung des Beschlusses
ON 49 richtet, nicht zulässig. In diesem Umfang mußte der Revisionsrekurs daher zurückgewiesen werden.
Anmerkung
E30728European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:0020OB00568.92.0909.000Dokumentnummer
JJT_19920909_OGH0002_0020OB00568_9200000_000