TE OGH 1992/9/10 8Ob644/91

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Veröffentlicht am 10.09.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 24.Februar 1991 verstorbenen Simon Thaddäus W*****, infolge Revisionsrekurses der erbl. Kinder 1.) Mag. Michaela W*****, 2.) Gabriele W*****, 3.) Magdalena W*****, 4.) Simon W*****, diese drei vertreten durch die Erstgenannte, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 10.Oktober 1991, GZ 22 R 484/91-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 8. August 1991, GZ 4 A 91/91-16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden derart abgeändert, daß dem Erstgericht die Inventarisierung der erblasserischen Liegenschaft EZ ***** KG E***** aufgetragen wird.

Text

Begründung:

Der Erblasser hinterließ an gesetzlichen Erben seine Witwe (zweite Ehegattin) Ingrid W*****, seine beiden großjährigen Söhne aus zweiter Ehe Christoph und Thomas W*****, diese drei wohnhaft in E*****, *****weg 18, sowie vier großjährige Kinder aus erster Ehe, nämlich Simon, Mag. Michaela, Gabriele und Magdalena W*****. Im Abhandlungsverfahren wurde ein eigenhändig geschriebenes Testament des Erblassers vom 23.1.1991 kundgemacht, mit dem er seinen Sohn Thomas zum Universalerben einsetzte und die übrigen gesetzlichen Erben auf den Pflichtteil verwies.

Der Erblasser, seine Gattin Ingrid und seine beiden Söhne aus zweiter Ehe Thomas und Christoph errichteten mit Gesellschaftsvertrag vom 31.1.1991 eine offene Erwerbsgesellschaft nach dem Erwerbsgesellschaftengesetz vom 25.4.1990 BGBl. Nr.257 (EGG) unter der Firma "W***** OEG" mit dem Sitz in E*****, *****weg 18; die Gesellschaft wurde zu HRA 4662 des Landesgerichtes Salzburg am 6.2.1991 in das Firmenbuch eingetragen; in der Satzung erklärter Zweck der Gesellschaftsgründung ist der Erwerb, die Nutzung, Verwaltung und Erhaltung der Liegenschaft E*****, *****weg 18 im Familienbesitz sowie die Vermehrung des Familienbesitzes. An Einlagen brachten Simon W***** die ihm allein gehörige Liegenschaft EZ ***** KG E***** mit allem rechtlichen und faktischen Zugehör, einschließlich der im Haus *****weg 18 befindlichen Einrichtungsgegenstände und die übrigen Gesellschafter ihre Arbeitskraft ein. Zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft war allein Simon W***** berechtigt und verpflichtet. Er war mit 97 % am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt, die übrigen Gesellschafter zu je 1 %. Für den Fall der Kündigung oder des Todes eines Gesellschafters, der Konkurseröffnung über das Vermögen eines Gesellschafters oder der Kündigung der Gesellschaft durch einen Gläubiger eines Gesellschafters setzten die übrigen Gesellschafter die Gesellschaft mit Aktiven und Passiven unter der bisherigen Firma mit folgender Regelung fort: Im Fall des Ablebens des Simon W***** geht dessen Gesellschaftsanteil in erster Linie auf seinen Sohn Thomas W*****.....über, während die Erben, Vermächtnisnehmer und sonstigen Rechtsnachfolger des Hauptgesellschafters von Thomas W***** keinerlei Abfindung zu erhalten haben. Zweck dieser Regelung war die Erhaltung des Familienbesitzes in der beabsichtigten Besitznachfolge der Liegenschaft: 1. Simon W*****, 2. Thomas W*****, 3. Christoph W*****.

Im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren hat der eingesetzte Testamentserbe noch keine Erbserklärung erstattet, vielmehr hat die erbl. Witwe beantragt, ihr den Nachlaß an Zahlungsstatt zu überlassen. Die vier erbl. Kinder aus erster Ehe haben beim Erstgericht die Inventarisierung des Nachlasses beantragt, insbesondere stellten sie am 23.10.1991 den Antrag, den Gesellschaftsanteil des Erblassers an der W***** OEG unter Berücksichtigung des Vorhandenseins der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch E***** der Schätzung zu unterziehen und in das Inventar aufzunehmen. Sie begründeten diesen Antrag damit, daß insbesondere die Vertragsbestimmungen über die Übertragung des Gesellschaftsanteiles im Todesfall des Erblassers offenbar zum Zweck der Ausschaltung ihrer Pflichtteilsansprüche vereinbart worden seien, daß somit dieser Vertrag pflichtteilsrechtliche Bestimmungen (§ 785 ABGB) unterlaufe und unter Umständen einen Verstoß gegen die guten Sitten nach § 879 ABGB darstelle. Der Gesellschaftsanteil des Erblassers sei zum Todeszeitpunkt noch in dessen Besitz gewesen und müsse daher unter Berücksichtigung der im Gesellschaftseigentum stehenden Liegenschaft der Schätzung unterzogen werden.

Das Erstgericht wies diesen Antrag der erbl. Kinder aus erster Ehe ab. Es führte aus, mit dem Ableben des Erblassers sei dessen Gesellschaftsanteil auf den Sohn Thomas übergegangen und damit aus der Verlassenschaftsmasse ausgeschieden. An seine Stelle sei auch keine Abfindungssumme getreten, weil im Gesellschaftsvertrag im Sinne der zur Anwendung kommenden Rechtsprechung zu Art.7 Nr.15 EVHGB eine Abfindung zulässigerweise ausgeschlossen worden sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes, bewertete den Entscheidungsgegenstand über S 50.000,-- und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Es vertrat ebenfalls die Rechtsauffassung, daß der erbl. Gesellschaftsanteil an der W***** OEG bereits aufgrund des Gesellschaftsvertrages an den erbl. Sohn Thomas unter gleichzeitiger Erlassung einer Abfindungszahlung übergegangen sei. Nach Lehre und Rechtsprechung liege darin ein entgeltlicher, und nicht ein unter § 956 ABGB fallender Vertrag, weil ein Gesellschaftsvertrag immer entgeltlichen Verträgen zuzuzählen sei und auch dann nicht als unentgeltlich bezeichnet werden könne, wenn einzelne seiner Klauseln einem einzelnen Gesellschafter zugutekämen. Die Voraussetzungen für die Aufnahme des erbl. Gesellschaftsantels an der W***** OEG in das Inventar und dessen Schätzung lägen daher nicht vor. Die von den erbl. Kindern aus erster Ehe behauptete Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages wegen Sittenwidrigkeit seines Zweckes könne nicht im außerstreitigen Verlassenschaftsverfahren, sondern nur in einem Prozeß geprüft werden. Pflichtteilsansprüche seien mittels Klage im Prozeß durchzusetzen, ebenso das Recht, vom Erben die Ergänzung des Pflichtteils im Sinne des § 785 ABGB zu fordern. Dem Inventar oder einem eidesstättigen Vermögensbekenntnis, die im Abhandlungsverfahren errichtet würden, komme im Prozeß keine Bindungswirkung zu. Da zur materiellrechtlichen Frage, ob der völlige Ausschluß einer Abfindung bei Übertragung des Gesellschaftsanteiles im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters wegen Todes auch bei eingetragenen Erwerbsgesellschaften (wie bei Personenhandelsgesellschaften) zulässig sei, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu dem erst mit 1.1.1981 in Kraft getretenen EGG vorliege, sei der Revisionsrekurs zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der aus den von der zweiten Instanz zutreffend dargelegten Gründen zulässige Revisionsrekurs der erbl. Kinder aus erster Ehe ist teilweise berechtigt.

Das über Antrag der Noterben (§ 804 ABGB) zu errichtende Inventar muß gemäß § 97 Abs.1 AußStrG ein genaues und vollständiges Verzeichnis alles beweglichen und unbeweglichen Vermögens enthalten, in dessen Besitz sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befunden hat, und es muß auch dessen den damaligen Wert und Betrag klar anzeigen. Maßgeblich für die Aufnahme in das Inventar ist also der Besitz, über den allein im Verlassenschaftsverfahren zu entscheiden ist (SZ 47/12 mwH). Zweck der Beteiligung der Pflichtteilsberechtigten am Abhandlungsverfahren ist es, ihnen schon in diesem Verfahren einen möglichst umfassenden Überblick über den Umfang ihres nur im streitigen Weg zu verfolgenden Pflichtteilsrechtes zu gewähren (SZ 59/9; SZ 47/12 uva). Der Inhalt eines Inventars ist - ebenso wie der eines vom Erben erstatteten eidesstättigen Vermögensbekenntnisses - auf den Fortgang und das Ergebnis des vom Noterben geführten Pflichtteilsprozesses ohne Einfluß, das Inventar ist vielmehr nur für das Verlassenschaftsverfahren von Bedeutung, nicht darüber hinaus (SZ 47/12 ua).

Im vorliegenden Abhandlungsverfahren behaupten die Revisionsrekurswerber, ihr Vater habe kurz vor seinem Tode in sittenwidriger Weise zu ihrem Nachteil (mit der Absicht auf Verletzung ihrer Pflichtteilsansprüche) mit seiner zweiten Ehegattin und den beiden Söhnen aus zweiter Ehe eine OEG gegründet, in diese - wie dargestellt - seine äußerst wertvolle Liegenschaft eingebracht, während die übrigen Gesellschafter lediglich ihre Arbeitskraft einbrachten, und überdies in einer Vertragsbestimmung über das Ausscheiden wegen Ablebens dem Übernehmer seines wertvollen Gesellschaftsanteiles (dem Sohn aus zweiter Ehe) die Abfindung seiner Erben, Vermächtnisnehmer und sonstigen Rechtsnachfolger erlassen. Sie folgern daraus die rückwirkende Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages und begehren die Aufnahme des erbl. Gesellschaftsanteiles unter Berücksichtigung der vordem im Alleineigentum des Erblassers gestandenen Liegenschaft in das zu errichtende Inventar. Diesem Begehren ist in Beziehung auf den Gesellschaftsanteil aus folgenden Gründen kein Erfolg beschieden:

Es kann im vorliegenden Abhandlungsverfahren nicht entschieden werden, ob der in Rede stehende Gesellschaftsvertrag im Sinne der Behauptungen der Revisionsrekurswerber nichtig ist. Mit Außenwirkung, also auch mit Wirkung für die Revisionsrekurswerber, ist die "W***** OEG" als eingetragene Erwerbsgesellschaft im Sinne des § 1 Z 1 EGG durch die Eintragung in das Firmenbuch existent geworden (§ 3 Abs.1 leg. cit.). Unabhängig davon, ob sie zu einem rechtlich erlaubten oder möglichen Zweck errichtet wurde (vgl. 1260 BlgNR 17.GP 2, wonach eine Erwerbsgesellschaft zu jedem Zweck errichtet werden kann, zu dem eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 1175 ff ABGB errichtet werden könnte), könnte sie wie eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht als Dauerschuldverhältnis eigener Art im Außenverhältnis nur ex nunc (etwa wegen Nichtigkeit oder Unerlaubtheit ihres Zweckes) durch entsprechende Entscheidung im streitigen Rechtsweg aufgehoben werden (Strasser in Rummel, ABGB Rz 9 und 14 zu § 1175 mwH). Die Rechtswirkungen, welche sie bis dahin als Außengesellschaft entfaltete, haben ungeachtet der von außen (hier von den vermeintlich in sittenwidriger Weise benachteiligten Kindern des seinerzeitigen Hauptgesellschafters und Erblassers aus erster Ehe) gegen den Bestand der Gesellschaft vorgetragenen Anwürfe vorerst in der Rechtsordnung Bestand. Dies reicht aus, um - in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - den Besitz des Erblassers an dem gesellschaftsvertraglich seinem Sohn aus zweiter Ehe unter Erlassung einer Abfindung an seine (des Erblassers) Erben übertragenen Gesellschaftsanteil im Todeszeitpunkt des Erblassers zu verneinen. Wie schon das Rekursgericht zutreffend ausführte, kann in der hier dargestellten Vorgangsweise des Erblassers im Zusammenhang mit seiner Liegenschaft auch keine Schenkung auf den Todesfall erblickt werden. Vielmehr ist an der zur Personenhandelsgesellschaft ergangenen, vergleichbaren Rechtsprechung auch für die offene Erwerbsgesellschaft festzuhalten, daß die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an einen Mitgesellschafter für dessen Todesfall unter Erlassung einer Abfindungszahlung an die Rechtsnachfolger des verstorbenen Gesellschafters einen gesellschaftsrechtlichen entgeltlichen Vertrag darstellt (Koppensteiner in Straube, HGB, Art.7 Nr.15, 16 [nach § 138], Rz 21 mwN). Eine Anwendung der Judikatur zur Schenkung auf den Todesfall im Wege des § 7 ABGB (durch Einbeziehung des als auf den Todesfall geschenkt anzusehenden Gesellschaftsanteils des Erblassers kommt daher schon aus diesem Grunde nicht in Betracht.

Nach Erhebung der Grundbuchlage steht indessen fest, daß das Eigentum der W***** OEG an der vormals dem Erblasser gehörigen Liegenschaft EZ ***** KG E***** auf Grund des Verbücherungsgesuches vom 7.3.1991 am 26.9.1991 einverleibt wurde; der Erblasser war im Zeitpunkt seines Todes (24.2.1991) noch Eigentümer dieser Liegenschaft und die W***** OEG hatte damals nur einen obligatorischen Anspruch gegen die Verlassenschaft nach Simon W***** auf Eigentumsübertragung durch Verbücherung (§ 431 ABGB). Da im Sinn der nunmehr herrschenden Rechtsprechung zum Intabulationsprinzip (JBl 1976, 144-zust. Bydlinski; SZ 52/12; ÖBA 1988, 401 uva) der bloße Naturalbesitz der Liegenschaft und der Anspruch auf Übertragung des Eigentums daran nicht ausreichen kann, um die für das Nachlaßinventar maßgeblichen Besitzverhältnisse zu verändern - wie dies noch die Entscheidungen SZ 24/201 (aus 1951), JBl 1967, 623 und JBl 1970, 39 angenommen hatten -, muß die Liegenschaft im Sinne des insoweit zutreffenden Begehrens des Revisionsrekurswerbers gemäß § 97 Abs 1 AußStrG ins Inventar aufgenommen werden.

Anmerkung

E30224

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00644.91.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19920910_OGH0002_0080OB00644_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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