TE OGH 1992/9/10 8Ob624/91

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Veröffentlicht am 10.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Andreas K*****, vertreten durch Dr.Michael Großschedl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Günther A*****, vertreten durch Dr.Franz Goral, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 38.899,80 s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 12.September 1991, GZ 6 R 171/91-30, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29.März 1991, GZ 24 2772/89m-23, zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund über die Berufung des Beklagten zu entscheiden.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das dem Klagebegehren teilweise stattgebende Ersturteil (ON 23) wurde dem (gewählten) damaligen Rechtsanwalt der beklagten Partei am 12.4.1991 zugestellt, sodaß die Berufungsfrist am 10.5.1991 endete. Am 10.5.1991 langte beim Erstgericht ein am 8.5.1991 zur Post gegebenes Schreiben (ON 24) des Beklagten folgenden Inhaltes ein: "In der Rechtssache ... erhebe ich gegen das Urteil Berufung. Wegen der Frist muß ich die Berufung bereits heute machen. Und den Antrag auf Beigebung eines Armenanwaltes stelle ich am 14.5.1991." Der Erstrichter brachte auf diesem Schriftstück den Vermerk: "Ges. 12.5.91" an und verfügte: "Kal 14.5.(Verbesserung)". "Am 14.5.1991 gab der Beklagte beim Erstgericht einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwaltes zu Protokoll und der Erstrichter bewilligte ihn am 27.5.1991 (ON 26). Am 17.6.1991 wurde dem Beklagten und dem bestellten Verfahrenshilfevertreter Rechtsanwalt Dr.Franz Goral der Bewilligungsbeschluß wurde zugestellt. Am 26.8.1991 langte beim Erstgericht die Berufung des Beklagten (ON 27) ein, mit der er das Ersturteil teilweise in dessen stattgebendem Teil aus mehreren genannten und ausgeführten Berufungsgründen bekämpfte und einen konkreten Berufungsantrag stellte.

Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß sowohl die "leere Berufung" vom 10.(8.)5.1991 als auch die Berufung vom 26.8.1991 zurück; dies mit folgender Begründung: Zwar seien im Sinn der Entscheidung EvBl 1985/29 auch "leere" Rechtsmittel einer Verbesserung zuzuführen, wenn etwa eine nicht anwaltlich vertretene Partei bloß eine Beschwerde gegen die Entscheidung erhebe und eine baldige Vorsprache beim Gericht ankündige. Diese Voraussetzungen träfen hier jedoch nicht zu, weil der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertreten gewesen sei (Petrasch ÖJZ 1985, 300). Um bei Rechtsmitteln der Gefahr vorzubeugen, daß durch bewußt unvollständige Erhebung des Rechtsmittels eine Verbesserungsfrist erschlichen und dieses Rechtsinstitut mißbraucht werde, dürfe eine inhaltliche Verbesserung eines inhaltsleeren Rechtsmittels nur dann verfügt werden, wenn es sich nicht in einer Bekämpfungserklärung erschöpfe, sondern wenigstens erkennen lasse, welche Fehler der Entscheidung vorgeworfen werden und wodurch sich die Partei benachteiligt erachte (Fasching, LB2 Rz 518). Das Schreiben des Beklagten vom 10.(8.)5.1991 sei daher nicht verbesserungsfähig gewesen. Der Verfahrenshilfeantrag, der gemäß § 464 Abs 3 ZPO innerhalb der nicht verlängerbaren (Abs 1 leg. cit.) Berufungsfrist von vier Wochen hätte gestellt werden müssen, aber erst danach gestellt worden sei, habe die Rechtzeitigkeit der sodann vom bestellten Rechtsanwalt am 26.8.1991 erhobenen Berufung nicht bewirken könne; diese Berufung sei als verspätet zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten gegen den Zurückweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Der Schriftsatz des Beklagten ON 24, den das Berufungsgericht als "leere" und nicht verbesserungsfähige Berufungsschrift beurteilte, stellt in Wahrheit nur die Anmeldung einer erst durch einen Verfahrenshelfer einzubringenden Berufung dar und enthält zugleich die Mitteilung, daß der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe am 14.5.1991 gestellt werden wird; dies ist eine zwar fristgerechte, aber inhaltlich mangelhafte und (nach Belehrung) verbesserungsbedürftige Antragstellung im Sinne des § 464 Abs 3 ZPO.

Offenbar hat dies auch der Erstrichter so gesehen, wie seiner Kalendierungsverfügung vom 12.5.1991 mit dem Vermerk: "Verbesserung" und der dann erfolgten Bewilligung des vom Beklagten am 14.5.1991 - wie von ihm angekündigt worden war - nachgebrachten formgerechten Antrages auf Verfahrenshilfegewährung zu entnehmen ist.

Für die Annahme einer mißbräuchlichen Erschleichung der Verbesserungsfrist bis zum 14.5.1991, die der Erstrichter zwar nicht förmlich bewilligt, aber doch eindeutig seinem niedergeschriebenen Willen gemäß gewährt hat, gibt es keine Aktengrundlage.

Bei dieser Rechtslage hat aber das Berufungsgericht zu Unrecht die Berufung des Beklagten, die dann sein Verfahrenshelfer fristgerecht eingebracht hatte, zurückgewiesen. Es wird deshalb nach Aufhebung seiner Entscheidung über die Berufung entscheiden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E30222

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00624.91.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19920910_OGH0002_0080OB00624_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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