TE OGH 1992/9/15 4Ob78/92

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Veröffentlicht am 15.09.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch DDr.Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Kurt Sch***** Gesellschaft mbH & Co, *****vertreten durch Dr.Manfred Schwindl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 15.Juni 1992, GZ 2 R 122/92-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 24.März 1992, GZ 41 Cg 56/92-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin vertreibt ua Zahnpflegeprodukte der Marken "Mentadent C", "Signal" und "Ziel". Unternehmensgegenstand der Beklagten ist die Herstellung und der Vertrieb von Zahnpflegeprodukten, u.a. der Marke

"SENSODYNE F".

Seit Februar 1992 läuft eine Fernsehwerbung der Beklagten in der Länge von 20 Sekunden, in welcher zwei Männer und eine Frau auftreten und folgenden Text sprechen:

"Er:    'Autsch!

          Heiß',

Er II: 'Autsch!'

Er:     'Kalt'

Sie:    'Autsch!'

Er:     'Häufig die Ursache:

Schmerzempfindliche Zähne.

Nehmen Sie dagegen täglich SENSODYNE F, Zahncreme mit Fluor.

Fragen Sie Ihren Zahnarzt.

SENSODYNE F, Zahncreme für schmerzempfindliche Zähne.

Jetzt auch im Spender. ' "

Mit der Behauptung, daß diese Werbung gegen § 9 Abs 1 lit b, § 26 Abs 2 LMG und damit gleichzeitig gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verstoße, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, in der Werbung für das Zahnpflegeprodukt "SENSODYNE F" auf ärztliche Empfehlungen hinzuweisen, insbesondere durch die Aufforderung "Fragen Sie ihren Zahnarzt" im Zusammenhang mit der Aussage "Schmerzempfindliche Zähne. Nehmen Sie dagegen täglich 'SENSODYNE F'".

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die beanstandete Werbung verstoße nicht gegen das Gesetz, weil sie vom angesprochene Publikum nicht als Hinweis auf eine ärztliche Empfehlung verstanden werde.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Für die Beurteilung, ob eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des § 9 Abs 1 LMG vorliegt, sei die Verkehrsauffassung maßgebend. Die Verwendung des beanstandeten Satzes in Verbindung mit dem Hinweis auf "schmerzempfindliche Zähne" erwecke beim Publikum fraglos die Auffassung, daß ein Zahnarzt die Wirksamkeit des Produktes bestätigen könne; die in Rede stehende Äußerung sei daher als Hinweis auf eine ärztliche Empfehlung aufzufassen. Die Übertretung des § 9 LMG begründe zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Aus dem Gesamteindruck der beanstandeten Werbeankündigung könne kein Hinweis auf eine ärztliche Empfehlung entnommen werden; vielmehr werde hier nur an die "Sorgfaltspflicht des Verbrauchers zur Information" appelliert.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 9 Abs 1 lit b LMG ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen ua auf ärztliche Empfehlungen hinzuweisen. Für kosmetische Mittel - zu denen Zahnpflegemittel ohne Zweifel gehören - gilt diese Bestimmung mit der hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme (ÖBl 1990, 23), daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind (§ 26 Abs 2 LMG).

Wie schon die Vorinstanzen im Einklang mit der höchstgerichtlichen

Rechtsprechung (VwGH 5.11.1984, abgedruckt in Barfuß-Pindur-Smolka,

Lebensmittelrecht, BaPiSmo 28 mit weiteren Judikaturnachweisen; OGH

in ÖBl 1990, 23) ausgeführt haben, ist für die Beurteilung, ob eine

gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des § 9 Abs 1 LMG vorliegt, wegen

des erklärten Zwecks dieser Bestimmung, die Verbraucher vor

Täuschungen zu schützen (§ 9 Abs 3 LMG), die Verkehrsauffassung

maßgebend. Danach kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob die in

der Werbung der Beklagten enthaltene Aufforderung "Fragen Sie einen

Zahnarzt" als Hinweis auf eine ärztliche Empfehlung zu werten ist,

darauf an, wie diese Werbung vom Verkehr aufgefaßt wird. Die für die

Beurteilung von Werbeankündigungen zu § 2 UWG entwickelten Grundsätze

sind auch hier heranzuziehen; entscheidend ist demnach der

Gesamteindruck der Ankündigung, wie er sich bei flüchtiger Wahrnehmung für einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise ergibt (ÖBl 1990, 23 mwN).

Wendet man diese Grundsätze hier an, dann kann der Auffassung des Rekursgerichtes, die Beklagte habe nur an die Verbraucher appelliert, sich zu informieren, nicht geteilt werden. Da in dem beanstandeten Werbespot der Behauptung, daß die tägliche Verwendung von "SENSODYNE F", der "Zahncreme mit Fluor" gegen schmerzempfindliche Zähne wirke, die Aufforderung "Fragen Sie Ihren Zahnarzt" folgt, wird das vom Publikum - jedenfalls zu einem nicht unbeträchtlichen Teil - dahin verstanden werden, daß der Zahnarzt diese Werbeaussage bestätigen werde; die zahnärztliche Auskunft wird also - im Sinne der bei Gericht üblichen Ausdruckweise - als "Beweismittel" angeboten. Die Anregung oder Aufforderung, einen Fachmann zu fragen, wird ja nur dort als Aufforderung, sich zu informieren, verstanden werden, wo der Auffordernde selbst unsicher ist und Zweifel anklingen läßt. Wird dagegen - wie hier - eine sichere Behauptung aufgestellt, dann dient die Äußerung "Fragen Sie einen Fachmann" lediglich zur Bekräftigung; sie soll dann bedeuten, daß der Fachmann die Behauptung des Werbenden bestätigen werde. Eine solche Bestätigung kann aber der Zahnarzt nur dann geben, wenn er bereits über die schmerzbeseitigende oder -stillende Wirkung von "SENSODYNE F" Bescheid weiß. Das aber wiederum setzt voraus, daß dieses Mittel bereits medizinisch getestet und für geeignet befunden wurde, die Schmerzempfindlichkeit von Zähnen zu beseitigen. Der beanstandeten Werbeankündigung ist somit ein deutlicher Hinweis auf eine angeblich gesicherte medizinische Erkenntnis sowie eine sich daraus ergebende ärztliche Empfehlung für das betreffende Mittel zu entnehmen.

Ein solcher Hinweis ist aber nach § 9 Abs 1 lit b, § 26 Abs 2 LMG ohne Einschränkung verboten (ÖBl 1990, 23); er verstößt zugleich gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG (ÖBl 1982, 39, ÖBl 1990, 23 ua).

Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E30099

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00078.92.0915.000

Dokumentnummer

JJT_19920915_OGH0002_0040OB00078_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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