Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Pipin Henzl und Ferdinand Rodinger in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Kammer *****, vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei ***** Gebietskrankenkasse, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt ***** wegen S 327.553,20 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5.Mai 1992, GZ 12 Ra 37/92-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 28.November 1991, GZ 18 Cga 175/91-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
1.) den
Beschluß
gefaßt:
Die Revision der klagenden Partei wird, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Kostenpunkt richtet, zurückgewiesen.
2.) zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 13.611,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 2.268,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Gegen E***** M***** und G***** S*****, zwei Dienstnehmerinnen der beklagten Partei, wurden Disziplinarverfahren eingeleitet. Mit Erkenntnissen der Disziplinarkommission der beklagten Partei vom 6.6.1991 wurden in beiden Fällen Freisprüche gefällt, die nach Schluß der Disziplinarverhandlung mündlich verkündet wurden. Bis zum Schluß der Verhandlung wurden von den Dienstnehmerinnen Verteidigerkosten nicht geltend gemacht. Der Antrag auf Kostenerstattung betreffend die Verteidigerkosten wurde von den Dienstnehmerinnen am 13.6.1991 gestellt. Die Zustellung der Erkenntnisse der Disziplinarkommission erfolgte am 5.7.1991. Die Erkenntnisse enthalten zur Kostenfrage folgende Ausführungen:
"Ein Ausspruch über die Kosten des Verfahrens entfällt, da Kosten bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung (§ 54 Abs 1 ZPO) nicht verzeichnet wurden und überdies der Fall des § 118 h Z 6 2.Satz DOA, wonach ein Kostenersatz an den Beschuldigten nur statthat, wenn dieser die Tat nicht begangen hat, worüber jedoch aus einem formalen Grund hier nicht abgesprochen wurde, nicht vorliegt."
§ 118 h Abs 6 DOA hat folgenden Wortlaut: "Die aus der Beiziehung eines Verteidigers erwachsenden Kosten hat in allen Fällen der beschuldigte Angestellte selbst zu tragen. Wird er jedoch freigesprochen, weil er die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat, so ist ihm im Disziplinarerkenntnis der Ersatz seiner zur Verteidigung notwendigen Kosten mit einer Zahlungsfrist von 14 Tagen zuzuerkennen."
Die klagende Partei begehrt festzustellen, daß "mit den Disziplinarerkenntnissen vom 6.6.1991 der beklagten Partei diese zu Unrecht die Kostenersatzansprüche von G***** S***** und E***** M***** abgelehnt hat, hingegen verpflichtet ist, diese Kostenersatzforderungen in der Höhe von 237.438 S und 90.115,20 S an die klagende Partei zu bezahlen." Gemäß § 118 h Abs 6 DOA bestehe ein Anspruch der genannten Dienstnehmerinnen auf Ersatz der Verteidigerkosten. Diese seien im Disziplinarerkenntnis zu Unrecht nicht zuerkannt worden, weil es für den Ersatz der Verteidigerkosten unerheblich sei, ob der Freispruch aus formellen oder materiellen Gründen erfolge. Die Kosten seien auch rechtzeitig verzeichnet worden, weil diesbezüglich die Bestimmungen der StPO heranzuziehen seien. Der Anspruch auf Kostenersatz sei der beklagten Partei abgetreten worden. Den Anspruch auf die begehrte Überprüfung des Disziplinarerkenntnisses in diesem Punkt gründet die klagende Partei auf § 102 ArbVG.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Ausgehend von den Bestimmungen der DOA sei die Kostenverzeichnung nur rechtzeitig, wenn sie vor Schluß der Verhandlung erfolge. Auf die Bestimmungen der StPO bezüglich der Kostenverzeichnung sei nicht zurückzugreifen. Im übrigen bestehe ein Anspruch auf Ersatz der Verteidigerkosten schon deshalb nicht zu Recht, weil der Freispruch nur aus formellen Gründen erfolgt sei. Auch die Höhe des erhobenen Begehrens wurde bestritten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der in § 118 h Abs 6 DOA ausnahmsweise vorgesehene Kostenersatzanspruch sei, wie alle Ausnahmeregelungen, restriktiv auszulegen. Ein Kostenersatz komme daher nur bei einem freisprechenden Sachurteil, nicht jedoch bei einem Formalfreispruch in Frage. Darüberhinaus sei ein allfälliger Kostenersatzanspruch verfristet. Beim Disziplinarstrafrecht handle es sich ungeachtet der Verwendung von strafrechtlicher Terminologie um eine Institution des Privatrechtes, so daß die Regelungslücke bezüglich des Zeitpunktes der Vorlage der Kostennote nur durch Analogie zu den Vorschriften der ZPO geschlossen werden könne. Die Vorlage der Kostennote wäre daher im Sinne des § 54 ZPO nur rechtzeitig gewesen, wenn sie vor Schluß der Verhandlung erfolgt wäre.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach - überflüssigerweise - aus, daß der Wert des Streitgegenstandes hinsichtlich beider Klagsforderungen S 50.000 übersteige. Des Zurückgreifens auf § 54 ZPO bedürfe es nicht. Nach § 118 h Abs 6 DOA sei im Disziplinarerkenntnis über den Ersatz der Verteidigerkosten abzusprechen. Daraus ergebe sich notwendig, daß die Vorlage der Kostennote vor Fällung des Erkenntnisses erfolgen müsse. Ein Vorbehalt der Kostenentscheidung oder eine spätere Ergänzung des Erkenntnisses durch die Kostenentscheidung sei in der DOA nicht vorgesehen. Diese enthalte auch keine Verweisung auf Bestimmungen der ZPO, die diesbezügliche Regelungen enthalten. Da das Begehren schon deshalb nicht berechtigt sei, sei ein Eingehen auf die Frage entbehrlich, ob den Dienstnehmerinnen auf Grund der Bestimmungen der DOA ein Anspruch auf Ersatz der Verteidigerkosten zugestanden wäre.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihr die Kosten des Disziplinarverfahrens in der geltend gemachten Höhe zuerkannt werden.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig, soweit darin die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Kostenpunkt bekämpft wird. Da im § 46 ASGG hiefür nichts anderes angeordnet ist und gemäß § 47 Abs 1 ASGG nur die Rekursbeschränkungen des § 528 Abs 1 Z 1 und 5 ZPO nicht gelten, ist § 528 Abs 1 Z 2 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwenden. Die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt kann daher weder im Rahmen der Revision noch mit Rekurs bekämpft werden.
Im übrigen ist die Revision nicht berechtigt.
Es entspricht der ständigen Judikatur, daß den Gerichten ein umfassendes Recht zur Nachprüfung von betrieblichen Disziplinarerkenntnissen zukommt (Arb 9893, 9443, 9839 ua), wobei wiederholt ausgesprochen wurde, daß diese Überprüfung im Rahmen eines Feststellungsprozesses vorzunehmen ist (Arb 9839, 9860, 9895). Gegenstand eines solchen Feststellungsbegehrens ist die Unwirksamkeit einer Disziplinarmaßnahme (Arb 9839). Ein Feststellungsbegehren ist allerdings auch in diesen Fällen nur zulässig, wenn die allgemeinen Voraussetzungen des § 228 ZPO erfüllt sind. Dabei ist in Fällen, in denen aus dem strittigen Rechtsverhältnis ein Leistungsanspruch resultiert, insbesondere die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage zu beachten. Wenn der gesamte Leistungsanspruch aus einem streitigen Rechtsverhältnis bereits fällig ist, dann ist die Feststellungsklage bezüglich dieses Anspruches unzulässig, denn mit der Leistungsklage wird das strittige Rechtsverhältnis hier endgültig bereinigt (Fasching, ZPR2 Rz 1101); wenn die Leistungsklage angebracht werden kann, ist die Feststellungsklage nicht zuzulassen (JBl 1966, 618 uva). Ob ein Klagebegehren als Leistungs- oder als Feststellungsbegehren anzusehen ist, richtet sich allerdings nicht nach der wörtlichen Fassung, sondern nach dem Inhalt des Begehrens (SZ 42/25 ua). Es ist daher nicht am starren Wortlaut des Begehrens festzuhalten. Maßgeblich dafür, ob eine Feststellungs-, Rechtsgestaltungs- oder Leistungsklage vorliegt, ist also der Umstand, welchen Ausspruch des Gerichtes der Kläger im Zusammenhalt mit dem Sachvorbringen seinem Sinngehalt nach begehrt.
Hier begehrt die klagende Partei (unter Berufung auf die behauptete Zession) die Feststellung, daß die beklagte Partei verpflichtet sei, diese Kostenersatzforderungen an die klagende Partei zu zahlen. Inhalt des Begehrens ist nicht etwa die rein deklarative Feststellung der Zahlungspflicht der beklagten Partei, die nach den vorstehenden Ausführungen nicht zulässig wäre, sondern deren Verurteilung zur Leistung des im Begehren genannten Betrages; in diesem Sinne wurden im übrigen auch die Rechtsmittelanträge in der Berufung und in der Revision gefaßt. Dem Begehren wird der Charakter eines Leistungsbegehrens auch nicht dadurch genommen, daß eine Leistungsfrist nicht angegeben wird, da das Gericht die gesetzliche Leistungsfrist von amtswegen im Urteil einzusetzen hat (JBl 1975, 605). Der auf Feststellung der Zahlungspflicht der beklagten Partei gerichtete Teil des Begehrens ist daher als Leistungsbegehren zu qualifizieren und als solches zulässig erhoben. Das weitere Begehren auf Feststellung, daß in den Disziplinarerkenntnissen die Kostenersatzansprüche der beiden Dienstnehmerinnen zu Unrecht abgewiesen worden seien, wurde vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen. Die Abweisung hinsichtlich dieses Teiles des Begehrens war nicht Gegenstand der Berufung, deren Antrag ausschließlich auf die Verpflichtung der beklagten Partei zur Zahlung der ziffernmäßig bezeichneten Beträge gerichtet war; auch in der Revision wird im übrigen dieser Teil des Begehrens nicht mehr releviert. Es ist daher entbehrlich, auf die damit im Zusammenhang stehenden Fragen einzugehen.
Die vom Berufungsgericht zur Abweisung des Zahlungsbegehrens ausgeführten Gründe sind zutreffend, so daß es genügt, hierauf zu verweisen (§ 48 ASGG).
Ergänzend ist auszuführen:
Gemäß § 102 ArbVG hat der Betriebsrat an der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb mitzuwirken. Die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen im Einzelfall ist nur zulässig, wenn sie in einem Kollektivvertrag oder einer Betriebsvereinbarung (§ 96 Abs 1 Z 1) vorgesehen ist; sie bedarf, sofern darüber nicht eine mit Zustimmung des Betriebsrates eingerichtete Stelle entscheidet, der Zustimmung des Betriebsrates.
Abgesehen davon, daß die klagende Partei keine Verletzung der Bestimmungen des § 102 ArbVG geltend macht, handelte es sich auch dann nicht um einen Fall der in § 50 Abs 2 ASGG genannten Angelegenheiten. Auch wenn der Dienstgeber in Verletzung des § 102 ArbVG Disziplinarmaßnahmen verhängt, sind Streitigkeiten hierüber auf der Ebene des Arbeitsvertrages zwischen dem einzelnen Dienstnehmer und dem Dienstgeber auszutragen. Diese Streitigkeiten sind als Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis ausschließlich vor dem Arbeitsgericht auszutragen (Floretta-Strasser, ArbVG-Handbuch, 602 zur Rechtslage vor dem ASGG). Der betroffene Arbeitnehmer macht durch Bekämpfung einer Disziplinarmaßnahme bei Gericht die Verletzung von Rechten aus dem Arbeitsvertrag geltend. Auch die vorliegende Klage stützt sich darauf, daß durch das Disziplinarerkenntnis subjektive, auf Grund der DOA zustehende Rechte der betroffenen Dienstnehmerinnen verletzt worden seien.
Gemäß § 118 h Abs 6 Satz 2 DOA ist dem beschuldigten Angestellten im Disziplinarerkenntnis der Ersatz seiner zur Verteidigung notwendigen Kosten mit einer Zahlungsfrist von 14 Tagen zuzuerkennen, wenn er die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat. Hieraus ergibt sich zwingend, daß die Kosten vor Fällung des Disziplinarerkenntnisses zu beanspruchen sind, weil andernfalls die Kostenentscheidung in der vorgesehenen Form nicht getroffen werden kann. Durch die Anordnung der 14tägigen Leistungsfrist für den Kostenersatz ist klargestellt, daß bereits die ziffernmäßige Höhe des Ersatzbetrages im Erkenntnis festzusetzen ist, weil andernfalls die Aufnahme der Leistungsfrist sinnlos wäre. Einem Nachtragen der ziffernmäßigen Kostenentscheidung in der schriftlichen Ausfertigung steht § 118 b DOA entgegen, der ein Verweisung auf § 414 Abs 2 ZPO (anders als auf § 414 Abs 1 und 3 ZPO) nicht enthält, wobei allerdings die Anwendung dieser Bestimmung im Zivilprozeß auch die rechtzeitige Überreichung des Kostenverzeichnisses zur Voraussetzung hat. Bereits aus § 118 h DOA ergibt sich daher, daß der Ersatzanspruch vor Fällung des Erkenntnisses geltend zu machen ist. Eine analoge Anwendung von Bestimmungen der StPO, aus denen die Revisionswerberin ihren Rechtsstandpunkt ableitet, kommt daher schon aus diesem Grund nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E32081European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00184.92.0916.000Dokumentnummer
JJT_19920916_OGH0002_009OBA00184_9200000_000